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"Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die Versprechen der Millenniumserklärung gebrochen"

"Für die Armen dieser Welt wäre das eine Tragödie" - UN-Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 erschienen

Rechtzeitig vor dem Beginn der 60. Sitzungsperiode der Generalversammlung der Vereinten Nationen erschien der neue Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 (Human Development Report 2005), der seit 15 Jahren von dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) jährlich erstellt wird. (Bibliografische Angaben zur deutschen Ausgabe des Berichts am Ende dieser Seite.) Der Bericht 2005 zieht eine Bilanz der Anstrengungen, die seit dem Millenniums-Gipfel unternommen wurden, um den damals formulierten Zielen (z.B. Halbierung der weltweiten Armut bis zum Jahr 2015) näher zu kommen. Das Ergebnis auf einem Drittel des Weges ist in weiten Teilen ernüchternd.
Im Folgenden dokumentieren wir die Presseveröffentlichung von UNDP anlässlich der Veröffentlichung des Berichts am 7. September 2005.



Vor fünf Jahren wurde die Millenniums-Erklärung unterzeichnet. Sie beinhaltet eine kühne neue Vision zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheit. Diese wird gestützt von einer Reihe von quantitativen Zielen, den so genannten Millenniums-Entwicklungszielen (MEZ), deren Erreichen die menschliche Entwicklung vorantreiben würde. Die MEZ sollen bis zum Jahre 2015 erreicht werden – in genau zehn Jahren. Heute sind die meisten Länder in Bezug auf die meisten Ziele allerdings nicht auf Kurs. Die Welt steuert im Bereich der menschlichen Entwicklung auf ein sich deutlich abzeichnendes Desaster zu – ein Desaster, das verbesserte internationale Zusammenarbeit verhindern könnte.

Der diesjährige Bericht über die menschliche Entwicklung zieht eine Bilanz der menschlichen Entwicklung einschließlich der Fortschritte auf dem Weg zum Erreichen der MEZ. Er geht über bloße Statistiken hinaus und untersucht die Folgen nicht erreichter Zielvorgaben und gebrochener Versprechen für die Menschen. Extreme Ungleichheit zwischen Ländern und innerhalb von Ländern wird als eines der größten Hindernisse für die menschliche Entwicklung ermittelt – und als starke Bremse für beschleunigte Fortschritte auf dem Weg zum Erreichen der MEZ.

Neue Ansätze zur internationalen Zusammenarbeit sind unerlässlich, wenn das Versprechen der Millenniums-Erklärung wahr gemacht werden soll. Geeignete Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die nächsten zehn Jahre zu einer „Dekade für Entwicklung“ zu machen. Anhand von drei der zentralen Pfeiler der internationalen Zusammenarbeit – Entwicklungshilfe, Handel und Sicherheit – liefert der Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 eine offene Analyse der Probleme und ermittelt Lösungen. Demnach dürfen die reichen Länder sich nicht auf ermutigende Appelle beschränken, sondern müssen ihre politischen Handlungskonzepte an die Verpflichtungen anpassen, die sie in der Millenniums-Erklärung eingegangen sind.


ÜBER DIESEN BERICHT:

Seit 1990 gibt das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) jährlich den Bericht über die menschliche Entwicklung in Auftrag. Ein unabhängiges Expertenteam untersucht darin wichtige Fragen von globaler Bedeutung. Ein weltweites Beraternetzwerk führender Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft steuert Daten, Ideen und gute Praxisbeispiele bei und unterstützt die Analyse und die Vorschläge, die in dem Bericht veröffentlicht werden. Das Konzept menschlicher Entwicklung geht über das Pro-Kopf-Einkommen, die Entwicklung von Humanressourcen und die Grundbedürfnisse als Maßstäbe menschlichen Fortschritts hinaus. Es bewertet auch Faktoren wie Freiheit, Menschenwürde und menschliche Aktivitäten, das heißt die Rolle der Menschen im Entwicklungsprozess. Der Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 argumentiert, dass Entwicklung letztlich „ein Prozess zur Erweiterung der Wahlmöglichkeiten der Menschen” ist, und nicht nur zur Erhöhung des Volkseinkommens.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) ist das weltweite Entwicklungsnetzwerk der Vereinten Nationen, das Lobbyarbeit für Veränderungen leistet und für die einzelnen Länder Verbindungen zu Wissen, Erfahrungen und Finanzmitteln herstellt, um den Menschen dabei zu helfen, ein besseres Leben aufzubauen. Wir sind in 166 Ländern vertreten und arbeiten mit diesen bei der Ausarbeitung eigener Lösungen für globale und nationale entwicklungspolitische Herausforderungen zusammen. Bei der Entwicklung von Kapazitäten vor Ort können sie sich auf die Leute von UNDP verlassen und auf unser großes Spektrum von Partnern.



Den Staats- und Regierungschefs der Welt wurde heute eine drastische Bewertung der menschlichen Kosten vorgelegt, die entstehen, wenn es nicht gelingt, die vereinbarten globalen Ziele zu erreichen, Menschen aus extremer Armut zu befreien. Zu diesen Kosten gehört auch, dass es in den kommenden zehn Jahren zu vielen Millionen Todesfällen kommen wird, die vermeidbar wären, so eine der Aussagen des Berichts über die menschliche Entwicklung 2005 des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP).

Eine Woche bevor die Staats- und Regierungschefs in New York zu einem entscheidenden UN-Gipfel zusammenkommen, um die Fortschritte in Richtung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) zu überprüfen, erhalten sie den Bericht über die menschliche Entwicklung 2005. Der Bericht macht deutlich, dass es insgesamt zwar bedeutende globale Fortschritte gegeben hat, viele einzelne Länder jedoch weiter zurückfallen.

Der Bericht ruft zu raschen und drastischen Veränderungen in der globalen Entwicklungs-, Handels- und Sicherheitspolitik auf, um die Versprechen der internationalen Gemeinschaft einzuhalten, die vor fünf Jahren gemacht wurden, als sich die Staats- und Regierungschefs der Welt in New York trafen, um diese Probleme anzugehen. „Die Welt hat das Wissen, die Ressourcen und die Technologien, um die extreme Armut zu überwinden, doch die Zeit wird knapp”, sagte UNDP-Administrator Kemal Derviş.

Der Bericht wurde den Staats- und Regierungschefs heute [7. September 2005] durch die Vertretungen der 191 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen vorgelegt, zur Vorbereitung auf den Weltgipfel 2005 – das bislang größten Treffen auf höchster Staats- und Regierungsebene. Auf dem Gipfel sollen Fortschritte bewertet und weitere Maßnahmen empfohlen werden, um die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen. Die Ziele haben ihren Ursprung in der Millenniumserklärung, die von den Staats- und Regierungschefs der Welt auf dem Millenniumsgipfel im Jahr 2000 einstimmig verabschiedet wurde. Die Millenniumsziele beinhalten Zusagen, bis 2015 die extreme Armut zu halbieren, die Kindersterblichkeit zwei Drittel zu verringern und die allgemeine Primarschulbildung zu erreichen.

Die Millenniumserklärung war ein feierliches Versprechen, unsere Mitmenschen – Männer, Frauen und Kinder – von den elenden und entwürdigenden Bedingungen extremer Armut zu befreien”, betont Kevin Watkins, leitender Autor des Berichts. „Die Millenniums-Entwicklungsziele sind ein Schuldschein, ausgestellt von 189 Regierungen an die ärmsten Menschen dieser Welt. Dieser Schuldschein wird in weniger als zehn Jahren fällig. Ohne die nötigen Investitionen und den entsprechenden politischen Willen wird er mit dem Stempelaufdruck ‚nicht gedeckt’ zurückkommen.”

Menschliche Entwicklung in den 1990er Jahren

Die FortschritteDie Kehrseite
130 Millionen Menschen wurden aus extremer Armut befreit 2,5 Milliarden leben noch immer von weniger als zwei US-Doller pro Tag; der Rückgang der Armut verlangsamte sich in den 1990er Jahren
2 Millionen weniger Todesfälle bei Kindernpro Jahr Jährlich 10 Millionen Todesfälle bei Kindern, die vermeidbar werden
30 Millionen Kinder mehr, die zur Schule gehen Noch immer 115 Millionen Kinder, die nicht zur Schule gehen
1,2 Milliarden Menschen erhielten Zugang zu sauberem Wasser Noch immer haben über eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser; 2,6 Milliarden haben keinen Zugang zu Sanitärversorgung


Der Bericht verwendet die aktuellsten Länderdaten und zeigt, dass es zwar Fortschritte bei der menschlichen Entwicklung gibt, diese aber zu langsam vonstatten gehen, um die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen. Einige der zentralen Erkenntnisse:
  • Fünfzig Länder mit einer Gesamtbevölkerung von fast 900 Millionen Menschen fallen bei mindestens einem der Ziele zurück. Vierundzwanzig dieser Länder liegen in Afrika südlich der Sahara.
  • Weitere 65 Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 1,2 Milliarden Menschen riskieren, dass sie mindestens eines der Millenniumsziele nicht vor dem Jahr 2040 erreichen werden. Mit anderen Worten: Sie könnten die Zielvorgabe über eine ganze Generation hinweg verfehlen.
  • Ziel der Armutsminderung: Im Jahr 2015 würden nach dem gegenwärtigen Trend 827 Millionen Menschen in extremer Armut leben – 380 Millionenmehr, als wenn die international vereinbarten Zielvorgaben erreicht würden. Weitere 1,7 Milliarden Menschen würden von weniger als zwei US-Dollar pro Tag leben.
  • Ziel der Reduzierung der Kindersterblichkeit um zwei Drittel: Nach dem gegenwärtigen Trend würde das Ziel der Minderung der Sterblichkeit bei Kindern unter fünf Jahren nicht im Jahr 2015 sondern erst 2045 erreicht werden – 30 Jahre später. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts würden sich die kumulativen menschlichen Kosten der Verfehlung dieser Zielvorgabe in 41 Millionen zusätzlichen Todesfällen bei Kindern niederschlagen.
  • Ziel allgemeinerPrimarschulbildung: Im Jahr 2015 würden noch immer 47 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen, davon 19 Millionen in Afrika südlich der Sahara.
  • Ziel der Verbesserung des Zugangs zu sauberem Wasser und Sanitärversorgung: Das Ziel, den Anteil der derzeit eine Milliarde Menschen, die keinen Zugang zu frischem Trinkwasser haben, bis zum Jahr 2015 zu halbieren, wird für 210 Millionen Menschen nicht erreicht, wenn der gegenwärtige Trend andauert. Im Jahr 2015 wären noch immer mehr als zwei Milliarden ohne angemessene Sanitärversorgung, die meisten von ihnen in Afrika südlich der Sahara.
Fortschritte bei Hilfe, Handel und Sicherheit müssen miteinander in Verbindung gebracht werden

„Dieser Bericht über die menschliche Entwicklung spricht eine klare Warnung aus. Wir wissen, dass die Millenniums-Entwicklungsziele erreichbar sind, doch wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die Versprechen der Millenniumserklärung gebrochen”, sagte UNDP-Administrator Kemal Derviş. „Vor allem für die Armen dieser Welt wäre das eine Tragödie. Doch auch die reichen Länder wären gegen die Konsequenzen des Versagens nicht immun. In einer von gegenseitigen Abhängigkeiten geprägten Welt hängen unser gemeinsamer Wohlstand und unsere kollektive Sicherheit entscheidend von den Erfolgen im Kampf gegen die Armut ab.“

Die Autoren betonen, dass Entwicklung letztendlich Aufgabe der Regierungen der Entwicklungsländer ist – der Umgang mit Ungleichverteilung, die Einhaltung der Menschenrechte, die Förderung von Investitionen und das Ausmerzen der Korruption. Doch der Bericht legt den Schwerpunkt auf die Rolle, die den reichen Ländern bei der Überwindung der Armut zukommt – in den drei entscheidenden Bereichen Entwicklungshilfe, Handel und Sicherheit.

„Ein Versagen in nur einem dieser Bereiche untergräbt die Grundlagen zukünftiger Fortschritte“, warnte Watkins. „Wirksamere Regeln im internationalen Handel werden in Ländern wenig ausmachen, in denen gewaltsame Konflikte die Chancen untergraben, sich am Handel zu beteiligen. Mehr Entwicklungshilfe ohne gerechtere Handelsregeln wird suboptimale Ergebnisse liefern. Und ohne Aussichten auf Verbesserungen der menschlichen Wohlfahrt und die Minderung der Armut durch Entwicklungshilfe und Handel wird der Frieden ein fragiles Gebilde bleiben.“

Extreme Ungleichverteilung verlangsamt Fortschritte

Im Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 wird argumentiert, dass extreme Ungleichverteilung die Fortschritte in Richtung der Millenniums-Entwicklungsziele und breiter angelegter Ziele menschlicher Entwicklung bremst. Der Bericht wirft ein Schlaglicht auf das Ausmaß des internationalen Wohlstandsgefälles: Auf die ärmsten 40 Prozent der Weltbevölkerung – 2,5 Milliarden Menschen, die von weniger als zwei US Dollar pro Tag leben – entfallen nur fünf Prozent des gesamten globalen Einkommens.

Das Team des Berichts über die menschliche Entwicklung argumentiert, dass auch die Ungleichverteilung innerhalb einzelner Länder die Verknüpfung zwischen wirtschaftlichem Wachstum und der Minderung der Armut schwächt, und dass Wachstum in Gesellschaften mit hoher Ungleichverteilung nur wenige Auswirkungen auf die Armutssituation haben könnte. Wirtschaftswachstum allein werde nicht ausreichen, um die Mehrzahl der Länder in die Lage zu versetzen, das Ziel der Halbierung der Armut zu erreichen. Sehr viel mehr Aufmerksamkeit sollte darauf gelegt werden, Bedingungen zu schaffen, unter denen die Armen ihren Anteil an zukünftigen nationalen Einkommenszuwächsen erhöhen können, argumentieren die Autoren.

„Jeder, der in Frage stellt, ob die Einkommensverteilung eine Rolle spielt, könnte über die Tatsache nachdenken, dass die ärmsten zehn Prozent der brasilianischen Bevölkerung ärmer sind als die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung Vietnams, eines Landes mit einem sehr viel niedrigeren Durchschnittseinkommen”, sagte Kevin Watkins, leitender Autor des Berichts und Direktor des UNDP-Büros für den Bericht über die menschliche Entwicklung.

Der Bericht betont die Wechselwirkungen zwischen einkommensbedingter Ungleichverteilung, Stadt-Land-Gefälle, ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht. In Indien ist die Sterblichkeit bei Mädchen unter fünf Jahren um 50 Prozent höher als bei Jungen. Neben der Ungleichverteilung zwischen den indischen Bundesstaaten ist diese Kluft zwischen den Geschlechtern eines der Haupthindernisse, die es zu überwinden gilt, damit Indien seine wirtschaftlichen Erfolge in Erfolge bei der menschlichen Entwicklung umsetzen kann.

Hilfszusagen müssen eingehalten werden – und Mittel schnell bereit gestellt werden

Der Bericht weist auf positive Entwicklungen seit der Konferenz über Entwicklungsfinanzierung in Monterrey 2002 hin. Sie erreichten ihren Höhepunkt in den Zusagen auf dem G8-Gipfel von Gleneagles im Juli 2005, die Entwicklungshilfe gegenüber dem Vorjahresniveau um 50 Milliarden US-Dollar zu erhöhen.

Der Bericht warnt jedoch vor Selbstzufriedenheit. „Selbst ein Entwicklungshilfe-Glas, das zu drei Vierteln voll ist, wird die Millenniums-Entwicklungsziele noch nicht in greifbare Nähe rücken, insbesondere, wenn die Mittel noch mehrere Jahre nicht zu Verfügung stehen”, warnen die Autoren.

Der Bericht über die menschliche Entwicklung blickt über den Umfang der Entwicklungshilfe hinaus und ruft auch zu qualitativen Verbesserungen der Hilfe auf. Der Bericht schätzt die Kosten der an Auflagen gebundenen Entwicklungshilfe – Hilfe, die mit dem Kauf von Gütern und Dienstleistungen aus Geberländern verknüpft ist – auf fünf bis sieben Milliarden US-Dollar pro Jahr. Als zusätzliche Probleme identifiziert der Bericht eine exzessive politische Konditionalität und eine schwache Koordination unter den Gebern.

„Wir hoffen, dass die Versprechen der G8, die Entwicklungshilfe zu erhöhen, eingehalten werden und dass die zusätzliche Hilfe so schnell wie möglich bereitgestellt wird und so gezielt eingesetzt wird, dass sie den größten Nutzen bringt”, sagte Derviş.

“Perverse Besteuerung” der Armen durch die Welthandelspolitik

Der Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 sagt, die Geberländer hätten nicht entsprechend ihrer Verpflichtung auf eine "Entwicklungsagenda" in der Welthandelsorganisation (WTO) gehandelt. Bislang habe die Doha-Runde wenig Substanzielles gebracht, sagen die Autoren. Werden die Handelsregeln auf der im Dezember in Hongkong geplanten Ministerkonferenz nicht reformiert, so würde dies schwerwiegende Konsequenzen für die Millenniums-Entwicklungsziele und für das gesamte multilaterale Handelssystem haben.

Der Bericht kritisiert, was er eine „perverse Besteuerung“ nennt, und wonach die ärmsten Länder der Welt in den reichsten Ländern mit den höchsten Zöllen konfrontiert sind. Er untersucht die Auswirkungen der Agrarsubventionen und des Protektionismus der reichen Industrienationen auf die Armen. Wie der Bericht zeigt, geben die Geberländer eine Milliarde US-Dollar pro Jahr dafür aus, die Landwirtschaft in Entwicklungsländern zu unterstützen, und eine Milliarde pro Tag für inländische Subventionen, die die ärmsten Bauern dieser Welt allmählich zugrunde richten. Gleichzeitig warnt der Bericht, dass die Europäische Union und die Vereinigten Staaten dabei seien, ihre Subventionsprogramme umzustrukturieren, um die Wirksamkeit von Maßregelungen durch die WTO in Grenzen zu halten.

Nach Schätzungen des Berichts kosten die gesamten Auswirkungen der protektionistischen Maßnahmen und Subventionen der Landwirtschaft in den reichen Ländern die Entwicklungsländer nahezu 72 Milliarden US-Dollar pro Jahr – ein Betrag, der der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe des Jahres 2003 entspricht.

Der Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 untersucht auch bewaffnete Konflikte als ein entscheidendes Entwicklungsproblem, das gemeinsam mit Reformen der Entwicklungshilfe und des Handelssystems angegangen werden muss. In der großen Mehrzahl der Länder in der Kategorie „niedriger“ menschlicher Entwicklung – laut dem Bericht in 22 von 32 – hat es seit 1990 gewaltsame Konflikte gegeben. Der Bericht betont die entscheidende Bedeutung der Konfliktverhütung für die Überwindung der Armut und den Spielraum für internationales Handeln, um mit den Herausforderungen des weltweiten Handels mit Kleinwaffen und dem Wiederaufbau nach Konflikten umzugehen. “Durch die Wechselwirkungen zwischen Armut und Konflikten wird in vielen Entwicklungsländern in enormem Ausmaß Leben zerstört”, so der Bericht.

Die Autoren unterstützen den Vorschlag des UN-Generalsekretärs Kofi Annan, eine Kommission für Friedenskonsolidierung einzusetzen, um Länder nach Konflikten in der Übergangsphase zu Wiederaufbau und langfristig angelegter Entwicklung zu unterstützen.

18 Länder zeigen Rückschritte bei der menschlichen Entwicklung

Der Bericht zeigt, dass seit 1990, als der erste wegweisende Bericht über die menschliche Entwicklung veröffentlicht wurde, 18 Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 460 Millionen Menschen beim Index für menschliche Entwicklung (HDI) – einer Zusammenfassung von Schlüsselindikatoren wie Einkommen, Lebenserwartung und Bildung – Rückschritte gemacht haben. Von den 18 Ländern liegen zwölf in Afrika südlich der Sahara. Die anderen sechs Länder gehören alle zur Gemeinschaft unabhängiger Staaten, also zu den Nationen der früheren Sowjetunion.

Das südliche Afrika war am stärksten betroffen von diesem Rückgang, der vor allem auf die HIV/AIDS-Pandemie zurückzuführen war. Südafrika fiel beim HDI um 35 Plätze zurück; Simbabwe um 23 Plätze und Botswana um 21. Tadschikistan fiel um 21 Plätze zurück; die Ukraine um 17 und die Russische Föderation um 15 Plätze. DieHauptfaktoren waren der Rückgang der Lebenserwartung kombiniert mit wirtschaftlicher Zerrüttung nach dem Fall der Sowjetunion. Russland fiel bei der Lebenserwartung seit 1990 um 48 Rangplätze.

In vielen anderen Ländern hat es jedoch Fortschritte gegeben. Im Laufe der vergangenen 5 Jahre sind die Menschen in Entwicklungsländern im Durchschnitt gesünder und gebildeter geworden und ihre Armut ist zurückgegangen – und es ist auch sehr viel wahrscheinlicher, dass sie in einer Mehrparteien-Demokratie leben. Die Lebenserwartung in Entwicklungsländern ist um zwei Jahre gestiegen und es sterben zwei Millionen Kinder weniger pro Jahr. Die Zahl der Kinder, die zur Schule gehen, ist um 30 Millionen gestiegen. Über 100 Millionen Menschen sind der extremen Armut entkommen. Seit 1995 haben 1,2 Millionen Menschen Zugang zu sauberem Wasser erhalten. Der Alphabetisierungsgrad in Entwicklungsländern ist im vergangenen Jahrzehnt von 70 auf 76 Prozent gestiegen, so der Bericht.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen;
Im Internet: www.dgvn.de


UN-Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 (Human Development Report 2005 - UNDP)
"Internationale Zusammenarbeit am Scheidepunkt: Entwicklungshilfe, Handel und Sicherheit in einer ungleichen Welt".
Herausgeber der deutschen Ausgabe: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), UNO-Verlag 2005, 428 Seiten, Paperback, ISBN 3-923904-61-4, 28,90 €


Informationen über den letztjährigen UNDP-Bericht gibt es hier:
"Wasser auf den Mühlen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung"





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