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"Soldaten unschuldig, Zivilisten tot"

Polnische Armee sieht ihre Ehre gerettet

Von Julian Bartosz, Wroclaw *

Sieben polnische Ranger wurden in dieser Woche vom Warschauer Militärbezirksgericht von der Anklage freigesprochen, Kriegsverbrechen an Zivilpersonen in Afghanistan begangen zu haben.

Nachdem zwei polnische Soldaten im August 2007 durch eine Sprengstofffalle der Taliban verletzt worden waren, hatte eine Kampfgruppe des 18. Sturmbataillons im Dorf Nangar Khel in der Provinz Paktika durch Maschinengewehr- und Granatwerferbeschuss sechs Zivilpersonen, darunter Frauen und Kinder getötet. Die Geschosse hatten nach Angaben der Dorfbewohner auch eine Hochzeitsgesellschaft in einem Gehöft getroffen. Der kommandierende Offizier und dessen Vorgesetzte bestritten, dass da »wild hineingeschossen wurde«, vielmehr seien in der Nähe Rebellen gesichtet worden. Eine »Befriedigungsaktion« sei es auf keinen Fall gewesen.

Der fast vier Jahre später erfolgte Freispruch wurde vom Gericht damit begründet, dass die »unvermeidbaren Zweifel nicht zum Nachteil der Angeklagten ausgelegt werden können«. Obwohl es keinen Ortstermin des Gerichts gab, verwiesen die Richter auf »das Fehlen eindeutiger Beweise«.

Die im Gerichtssaal anwesenden Generäle Skrzypczak (ehemaliger Befehlshaber der Landstreitkräfte) und Wójcik (Bataillonskommandeur), wie auch der Gründer der Rangertruppe »Grom«, General Petelicki, zeigten sich nach dem Freispruch höchst zufrieden. Petelicki umarmte die Soldaten. Verteidigungsminister Bogdan Klich sagte, die Ehre der Armee sei gerettet. Premier Donald Tusk brachte seine Genugtuung zum Ausdruck, und Andrzej Czuma, Tusks früherer Justizminister, erklärte: »Es ist nicht so, dass die Amerikaner oder die Polen schuldig sind, wenn sie Afghanistan vom Krebsgeschwür der Taliban, wie es die Terroristen sind, befreien wollen.«

»Soldaten unschuldig, Zivilisten tot«, kommentierte die »Gazeta Wyborcza« lakonisch. Die »Rzecz-pospolita« triumphierte: Mit dem Freispruch entfalle das »Syndrom von Nangar Khel, das die Soldaten daran hinderte, in Selbstverteidigung von ihren Waffen Gebrauch zu machen«.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Juni 2011

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