Hilfe und Geschenke von Onkel Sam
"Wir schaffen es nicht mehr in Afghanistan"
Von Julian Bartosz, Wroclaw *
Für Polens Verteidigungsminister Bogdan Klich gab es vergangene Woche eine erfreuliche
Nachricht. Seine 2600 Soldaten in der afghanischen Provinz Ghazni werden durch ein 1000 Mann
starkes, modern ausgerüstetes US-Bataillon ergänzt.
Die Befriedung der Provinz Ghazni im Südosten Afghanistans habe für die Gesamtoperation am
Hindukusch kolossale Bedeutung, informierte ein Sprecher des polnischen Kontingents. Aber er gab
zu: »Allein schaffen wir es nicht mehr.« Die Hauptaufgabe, nämlich die Sicherung eines 100
Kilometer langen Abschnitts der Straße von Kabul nach Kandahar überfordere die polnischen, die
immer heftiger attackiert würden.
Allein im September wurde die polnische Truppe 35 Mal in ihren Stützpunkten beschossen. Auf
Patrouillenfahrten würden viele polnische Soldaten verletzt, die Zahl der Gefallenen beläuft sich
inzwischen auf 22. Daher räumen die Polen drei ihrer fünf Basen und konzentrieren ihre Kräfte auf
die verbliebenen zwei – Ghazni und Warrior. Der Oberbefehl in der Provinz – betonte Bogdan Klich
– liege jedoch weiterhin in den Händen der polnischen Generalität.
Die Zeitung »Rzeczpospolita« fand es »sehr traurig, aber nicht überraschend«, dass »wir es nicht
mehr allein schaffen«. Daraus resultiere die Frage, ob sich Polen in dieser Situation zurückziehen
oder aber mit den NATO-Verbündeten dafür kämpfen solle, dass die Lage in Afghanistan
einigermaßen in Ordnung kommt. Der Ausgang des Unternehmens auf diesem Kriegsschauplatz sei
für die Zukunft des Bündnisses entscheidend, und Polens Gewicht in der NATO hänge davon ab,
wie »wir dort unseren Mann stehen«.
Der von Bronislaw Komorowski im Wahlkampf um die Präsidentschaft versprochene Rückzug 2012
gerät außer Sicht. General Stanislaw Koziej, Chef des Nationalen Sicherheitsbüros beim
Präsidenten, räumte bereits ein, von einem vollständigen Abzug könne 2012 nicht die Rede sein.
Möglicherweise werde der aktive Kampfeinsatz der polnischen Truppe eingestellt, um zivile,
humanitäre Ziele in Angriff zu nehmen. An der Ankündigung des afghanischen Präsidenten Hamid
Karsai, er werde 2014 die volle Verantwortung für das Land übernehmen können, sei jedenfalls
ernsthaft zu zweifeln. Verlass gebe es lediglich auf die Haltung der USA.
Wie es darum tatsächlich steht, schilderte dieser Tage die »Polityka«, die die bisherige Hilfe von
»Onkel Sam« für die polnische Armee (Wojsko Polskie) darstellte. Wirklich moderne Waffen und
Systeme gab es lediglich für die in Irak eingesetzte Eliteeinheit »Grom«. Für die veralteten
Kampfflugzeuge F-16, die Polen geradezu aufgezwungen wurden, sind etwa 4 Milliarden US-Dollar
fällig, von denen 30 Prozent bereits bezahlt sind. Zwei seit dem Jahr 2000 im Dienst der polnischen
Kriegsmarine fahrende Fregatten aus den 70er Jahren haben etwa 60 Millionen Dollar gekostet, die
Reparaturkosten belaufen sich auf jährlich bis zu 50 Millionen Zloty (knapp 18 Millionen Dollar). Von
den im Jahre 2004 versprochenen C-130-Herkules-Transportmaschinen, wurden 2007 zwei im
Leasing-Verfahren geliefert, doch für Flüge nach Afghanistan sind sie untauglich, eine wäre fast
abgestürzt.
Die USA-Botschaft in Warschau verkündete per Internet, nach Pentagon-Angaben habe Polen vom
USA-Kongress die größte Auslandshilfe unter den europäischen Staaten zugesprochen bekommen:
715 Millionen Dollar. Das polnische Verteidigungsministerium summierte die »Geschenke von Onkel
Sam« dagegen auf etwa 400 Millionen. Über die Differenz lässt sich die Botschaft nicht auf
Gespräche ein. Es sei schon gut – beschwichtigte Polens ehemaliger Verteidigungsminister Janusz
Onyszkiewicz. Schließlich hätten wir den Amerikanern die NATO-Mitgliedschaft zu verdanken.
* Aus: Neues Deutschland, 19. Oktober 2010
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