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Nürnberg: Streit um die militärische Nutzung des zivilen Flughafens

Wie vertragen sich Truppentransporte nach und von Irak mit dem Anspruch "Stadt des Friedens und der Menschenrechte" zu sein?

Im Folgenden dokumentieren wir einen Briefwechsel zwischen dem Nürnberger Friedensforum und der Stadt Nürnberg, in dem es um die umstrittene Nutzung des Nürnberger Flughafens durch US-Truppen geht. Auf eine entsprechende Anfrage der Friedensbewegung antworteten die
  • Fraktion der Grünen im Stadtparlament und
  • Der Oberbürgermeister der Stadt.
Die Auseinandersetzung ist bedeutsam, da im konkreten Fall der Flughafen für den völkerrechtswidrigen Einsatz im Irakkrieg genutzt wurde und weiter genutzt wird.



Brief des Nürnberger Friedensforums vom 20. Februar 2004

"Sehr geehrter Herr Dr. Maly,
sehr geehrte Damen und Herren!

Leider sind unsere Befürchtungen doch wahr geworden. In unserem Schreiben an Sie vom 15.11.2002 haben wir u.a. formuliert, "...., dass unserer Stadt eine wichtige Rolle in den Planungen der US-Militärs für den Ausbau der Truppenübungsplätze Grafenwöhr und Hohenfels zur Drehscheibe für Kriegseinsätze in aller Welt zugedacht ist. Der Flughafen in unserer Stadt soll als Startrampe dienen, hinein in mögliche Kriege."
Stadtrechtsdirektor Herr Hartmut Frommer hat damals noch versichert, es bestehe kein Grund zur Besorgnis, dass die US-Streitkräfte ihre Rechte wesentlich intensivieren.

Diese Aussage hat sich jetzt als unzutreffend erwiesen. 13.000 Soldatinnen und Soldaten der US-Armee starteten vom Nürnberger Flughafen aus, um Besatzungstruppen im Irak abzulösen. Dafür wurde eigens ein Militärlager auf dem Zivilflughafen aufgebaut.

Das Nürnberger Friedensforum protestiert gegen diesen militärischen Missbrauch des Flughafens in unserer Stadt! Wir sind in Sorge, dass dies den Auftakt für eine zunehmende militärische Nutzung des Flughafens bedeutet. Das wäre mit dem Anspruch unserer Stadt "Stadt des Friedens und der Menschenrechte" zu sein und zu bleiben nicht in Einklang zu bringen. Auch deshalb wenden wir uns mit folgenden Fragen an Sie:
  1. Inwieweit und wann wurden Sie über die Militäraktion am Flughafen informiert?
  2. Welche Position beziehen Sie in Sorge um die Nürnberger Bürgerinnen und Bürger zu diesem Vorgang?
  3. Aufgrund welcher gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung fanden die Militärtransporte und die Errichtung eines Militärlagers auf dem Flughafen statt?
  4. Hält es die Stadt Nürnberg als Mitgesellschafter für angemessen, dass mit einer militärischen Nutzung des Flughafens Geld verdient wird?
  5. Fürchten Sie nun auch eine intensivere militärische Nutzung des Flughafens durch den begonnenen Ausbau des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr?
  6. Welche Überlegungen gibt es bei Ihnen bereits, um einer solchen Entwicklung entgegen zu treten?
Wir hoffen bald unseren Mitstreiterinnen und Mitstreitern Ihre Antwort weitergeben zu können und stehen für etwaige Nachfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen...

Verteiler:
  • Herrn Oberbürgermeister
  • Den Stadträten von: CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Die Guten, FW
  • Der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis"

Die Antwort der Stadtratsfraktion Bündnis90/Die Grünen vom 23. März 2004:

"Lieber Hans-Joachim Patzelt, liebe Menschen vom Friedensforum,

vorweg bitten wir zu entschuldigen, dass unsere Antwort hat auf sich warten lassen.

Unsere kritische und ablehnende Haltung zur militärischen Nutzung des Flughafens ist Euch ja bekannt. Über die Militäraktion - den angesprochenen Truppentransport in den Irak - wurden wir, neben einen kurzen Hinweis des Oberbürgermeisters am Ende einer Stadtratssitzung, vor allem über die Medien informiert.

Wir haben daraufhin ebenso wie das Friedensforum beim Stadtrechtsdirektor nachgehakt. Herr Frommer hat dabei zugesagt, uns die Antwort der Stadt auf die detaillierten Fragen des Friedensforums zur Kenntnis zu geben. Sobald diese vorliegt, erscheint es uns sinnvoll, sich nochmals darüber auszutauschen.

Dem Friedensforum ist sicher bekannt, dass unsere Fraktion die militärische Nutzung schon mehrfach zum Thema von Nachfragen gemacht hat. Die letzte Stellungnahme des Oberbürgermeisters zog sich, wie gewohnt, auf die vertraglichen Bestimmungen der Bundesrepublik im Rahmen der NATO zurück. Sicherlich besitzt die Stadt rechtlich wenig Handhabe, die Vorgänge zu unterbinden. Wir würden uns aber schon wünschen, dass Nürnberg zumindest eine ablehnende Haltung offen nach außen vertritt. Leider bekommen wir hier aber wenig Unterstützung aus den anderen Parteien.

Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)

Am 31. März 2004 schrieb Oberbürgermeister Dr. Maly folgende Antwort:

"Sehr geehrter Herr Patzelt,

für Ihr Schreiben vom 20. Februar darf ich mich bedanken und dazu Folgendes ausführen:

Die Genehmigung des Nürnberger Flughafens schließt die militärische Nutzung mit ein. Auf Grund der aus der Genehmigung resultierenden Betriebspflicht haben dort auch US-Militärflugzeuge das Recht zu starten und zu landen, wobei grundsätzlich die derzeit geltenden Betriebsbeschränkungen (Nachtflugregelung vom 24.03.97) zu beachten sind. Darüber hinaus können nach dem NATO-Truppenstatut (mit Zusatzabkommen) und § 30 LuftVG die in der Bundesrepublik stationierten Truppen im Luftverkehr Sonderrechte in Anspruch nehmen.

Die Gestaltung der Benutzung des Flughafens für den Truppenaustausch der US - Streitkräfte erfolgte im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage durch die Flughafen Nürnberg GmbH als operative Angelegenheit. Die Stadt wurde jedoch von der Aktion frühzeitig Anfang Januar informiert. Einwendungen sind nicht erhoben worden, da insbesondere eine Gefährdung der Sicherheit im Flughafenbereich nicht zu besorgen war.

Dass die Nutzung unseres Flughafens entsprechend der bestehenden Gebührenregelungen entgeltlich erfolgte, halten wir für korrekt und angemessen.

Der Zusammenhang des Austausches von Angehörigen der US - Streitkräfte über den Nürnberger Flughafen mit dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr ist nur ein sehr lockerer. Die von Ihnen zitierten Ausführungen von Stadtrechtsdirektor Dr. Frommer in der Stadtratssitzung am 11.12.2002 treffen nach wie vor zu.

Die Flughafen Nürnberg GmbH geht davon aus, dass künftig im Rahmen der KFOR/SFOR - Mission der amerikanischen Einsatzkräfte einige Flüge stattfinden werden; definitive Termine hat die US-Army noch nicht genannt. Im übrigen aber ist der Austausch von Angehörigen der US-Streitkräfte über den Nürnberger Flughafen seit vielen Jahren gängige Praxis und beeinträchtigt nicht den allgemeinen Betrieb. Die Flüge finden zu den normalen Tageszeiten statt. Dank des Einsatzes moderner ziviler Großraumflugzeuge ist mit keiner zusätzlichen Lärmbelästigung der Anwohner zu rechnen. Weitere Hinweise bzw. Kenntnisse über eine vermehrte Nutzung des Flughafens durch die US-Streitkräfte liegen nicht vor.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort gedient zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Handschriftlich ist am Ende des Briefes angefügt: "Nürnberg wird nicht zur US-Air-Base."



Weitere Beiträge zum Nürnberger Flughafen sowie zu den Truppenübungsplätzen Grafenwöhr und Hohenfels:
Umwelt- und Friedensgruppen: Grafenwöhr und Hohenfels nicht ausbauen!
Den Nürnberger Flughafen nicht für Kriege missbrauchen! (15. Dezember 2002)
"Flugzeugträger" Grafenwöhr: Trainingsplatz für US-Eliteeinheiten
Ausbauplanung für "Antiterror-Krieg" - Stadt: "Es ist ruhiger geworden" (9. November 2002)
Drehscheibe Grafenwöhr
Ein amerikanischer Truppenübungsplatz in der Oberpfalz als Zentrum für den Anti-Terror-Krieg (1. November 2002)




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