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Drehscheibe Grafenwöhr

Ein amerikanischer Truppenübungsplatz in der Oberpfalz als Zentrum für den Anti-Terror-Krieg

Am 30. Oktober brachte das ZDF im Morgenmagazin einen interessanten Bericht über die Bedeutung des US-Truppenübungsplatzes Grafenwöhr für den weltweiten "Krieg gegen den Terror". Wir dokumentieren den Bericht, der seinerseits von Recherchen der "Nürnberger Nachrichten" angeregt wurde.

Amerika setzt seinen weltweiten Kampf gegen den Terror unbeirrt fort. Auch Deutschland könnte demnächst Drehscheibe amerikanischer Einsätze gegen El Kaida werden. So ist die Zusammenlegung aller in Deutschland stationierten Spezialeinheiten auf der US-Basis Grafenwöhr in der Oberpfalz geplant. Bis 2004 soll dafür gebaut werden. Und damit haben es die Amerikaner sehr eilig.

Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr ist das wichtigste Trainingscamp der amerikanischen Streitkräfte in Europa - und nach internen Plänen künftig ein Zentrum des amerikanischen Anti-Terrorkrieges. Hinter den Kulissen sind deutsche und amerikanische Stellen bereits seit Wochen darüber in regem Kontakt.

Eine ganze Armee-Brigade

Den Anstoß der öffentlichen Diskussion gab ein Artikel der "Nürnberger Nachrichten". Wie die Zeitung aus vertraulichen Schreiben zitiert, sollen 3400 Anti-Terror-Soldaten - das ist eine ganze Brigade - samt ihrer 5000 Familienangehörigen dort stationiert werden. In einem als "Verschlusssache" gekennzeichneten Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums heißt es: "Die US-Army beabsichtigt, eine Krisenreaktionsbrigade, die derzeit in Deutschland verstreut stationiert ist, als schnelle Eingreiftruppe in Grafenwöhr zu dislozieren." Dislozieren heißt in diesem Fall stationieren.

Drehscheibe Grafenwöhr

Damit würde Grafenwöhr zur zentralen Drehscheibe in Europa für amerikanische Militäreinsätze. Eine Entwicklung, die nach Ansicht des Militärexperten und Korrespondenten der FAZ, Michael Inacker, Interesse in der deutschen Bevölkerung wecken dürfte. Schließlich gebe es ein Recht auf Informationen darüber, was auf deutschem Boden militärisch geplant werde. Die US-Army wollte sich zu ihren Plänen bisher nicht offiziell äußern. Lediglich telefonisch gab es die Auskunft, dass die Sache einen hohen Stellenwert habe - Entscheidungen würden ausschließlich im Pentagon getroffen. Schriftliche Anfragen des ZDF-Morgenmagazins beim Bundesverteidigungsministerium wurden ebenfalls per Telefon beantwortet - das Bundesfinanzministerium sei für Grafenwöhr zuständig. Und dort gab es keine weitere Auskunft.

Schlechte Informationspolitik

Kritik an der Informationspolitik der Regierung kommt prompt vom verteidigungspolitischen Sprecher der Union, Christian Schmidt. Es sei irreal, einen Anti-Terror-Krieg im Geheimen vorbereiten und führen zu wollen. Man brauche eine informierte Öffentlichkeit, um Verständnis für derartige Operationen zu erreichen. Die Lage des Truppenübungsplatzes direkt an der A9 ist für die Amerikaner besonders günstig. Nach den nun bekannten Plänen sollen die Anti-Terror-Soldaten vom nahen Flugplatz Nürnberg aus starten. Doch in der Region regt sich erster Widerstand. So besteht bereits eine Bürgerinitiative, die sich gegen drohende Lärmbelästigungen durch Militärübungen zur Wehr setzen will. Pläne für einen weiteren Ausbau von Grafenwöhr gibt es schon lange. Doch nun geht es massiv in den Anti-Terror-Krieg. Und damit haben es die Amerikaner offenbar besonders eilig.

Ein weiterer Bericht zu Grafenwöhr


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