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Bedrängte Platzhirsche

Auf dem globalen Reis-Exportmarkt tut sich einiges: Myanmar und Kambodscha kurbeln Ausfuhren an und verschaffen dem Spitzentrio mehr Konkurrenz

Von Thomas Berger *

Viele Jahre hatte sich daran nichts geändert: Thailand, Indien und Vietnam dominierten den Weltmarkt bei den Reisexporten, nur untereinander wurde jeweils um die Aufteilung der drei Spitzenplätze gerangelt. Mal gab es in einem Land eine besonders gute Ernte, dann wieder eine schlechte. Doch dieses sorgfältig austarierte Machtgefüge der drei Hauptexporteure, neben denen andere kaum noch ins Gewicht fielen, scheint immer mehr bedroht. Kambodscha hat zuletzt seine Ausfuhren deutlich gesteigert, vor allem aber macht Myanmar (Burma) Druck. Das südostasiatische Land gilt in mancherlei Hinsicht nach dem Ende der jahrzehntelangen Militärdiktatur als schlafender Tiger. Der könnte aber bald zum Sprung ansetzen könnte, wenn letzte Handelseinschränkungen gefallen und Infrastrukturhemmnisse beseitigt sind.

Auf dem globalen Reismarkt wollen die Burmesen demnächst wieder ganz oben mitmischen. Und damit an die Vergangenheit anknüpfen, denn in der späten Mitte des 20. Jahrhunderts galt das Land schon einmal als »Reisschüssel Asiens«, führte zwischen 1961 und 1963 sogar die damalige Exportliste an. In diese Zeitspanne fiel aber auch die Machtübernahme der Armee unter General Ne Win, und für lange Zeit gab es nicht nur wirtschaftlichen Niedergang, sondern auch Abschottung und Isolation gegenüber der Außenwelt – teils aus eigenem Bestreben, zuletzt aber vor allem durch die insbesondere von den westlichen Staaten verhängten Sanktionen. Die wurden erst mit der einsetzenden Demokratisierung aufgehoben.

Viele Bauern in Myanmar sind nach wie vor Selbstversorger, sie verkaufen überschüssige Ernte von ihren Feldern bestenfalls auf dem Markt der nächstgelegenen Stadt. Mittelfristig jedoch zeichnet sich eine gewisse Modernisierung der Landwirtschaft ab, und spätestens mit dem Ausbau von Transportwegen wird Handel bis hin zu Abnehmern jenseits der Landesgrenzen immer lukrativer. Lediglich 15000 Tonnen Reis hatte das Land 1997 verschifft – mit 690000 Tonnen im vergangenen Jahr rückte Myanmar aber inzwischen schon wieder auf Platz neun der Weltrangliste in Sachen Reisexport auf. Vegetationsbedingt läuft der Abrechnungszeitraum immer von April bis März, und zum Ende der laufenden Saison im Frühjahr 2014 könnten die Ausfuhren gemäß aktueller Prognose schon auf stolze 1,8 Millionen Tonnen anwachsen. Im darauffolgenden Jahr scheinen gar 2,5 Millionen Tonnen realistisch. Für das Ende des Jahrzehnts werden dann 4,8 Millionen Tonnen angepeilt.

Indien hatte im Vorjahr mit elf Millionen Tonnen an der Spitze gelegen, zwischen Vietnam und Thailand ging der Kampf um Platz zwei mit 7,2 und sieben Millionen Tonnen denkbar knapp aus. Thailands Exporte sind vor allem deshalb gedrosselt, weil die Regierung in Bangkok ein großangelegtes Reisaufkaufprogramm zur Unterstützung der Bauern initiiert hat. Damit gelangt ein beträchtlicher Anteil der Ernte zunächst in staatliche Lagerhäuser. Um 18 Prozent auf bis zu 15 Millionen Tonnen könnten sich diese Reserven bis 2014 anhäufen, heißt es bei Experten. Auch bei den anderen Spitzenexporteuren ist längst noch nicht alles verkauft, weltweit dürften die Lagerbestände um 1,2 Prozent auf 109,3 Millionen Tonnen anwachsen.

Nicht nur die angekurbelte Produktion in etlichen Ländern hat die Preise für die verschiedenen Reissorten auf dem Weltmarkt inzwischen deutlich einbrechen lassen. Aus der Reiskrise, durch Verknappung im Angebot bei gleichzeitiger Preisexplosion gekennzeichnet, ist wieder Normalität mit verstärkter Konkurrenz geworden. Gemessen an Thailand oder Vietnam liegen die Produktionskosten pro Tonne in Myanmar aktuell um etwa 80 Dollar niedriger – ein Wettbewerbsvorteil. Ein großer Teil der Exporte geht bislang ins benachbarte China, ohnehin weltweit größter Käufer mit stetig wachsendem Bedarf zur Ernährung seiner 1,3 Milliarden Einwohner, die ganz aus eigener Kraft nicht gesichert ist. Burmesische Händler könnten ihren Umsatz sogar noch erhöhen, würden manche Hemmnisse das nicht momentan verhindern. Vor allem ein Ausbau der begrenzten Hafenkapazitäten wird deshalb angemahnt, auch der Transport innerhalb des Landes ist über größere Distanzen bislang oft schwierig. Durchschnittlich werden acht Tage gebraucht, um einen Frachter zu beladen – doppelt so lange wie in thailändischen und vietnamesischen Häfen.

Zur Zeit trägt der Reisanbau, von dem 70 Prozent der Einwohner leben, mit etwa 13 Prozent (2011) zum burmesischen Bruttoinlandsprodukt bei. Das niedrige Lohnniveau mag als Wettbewerbsvorteil die Lohnkosten drücken, die meisten Bauern und Landarbeiter leben aber in großer Armut. Wie sich die grundsätzliche Privatisierung des gesamten Sektors mit Interessen auch ausländischer Investoren mittelfristig auswirkt, läßt sich kaum sagen. Gewiß ist nur, daß nicht nur Myanmar den Abstand zum Spitzentrio verringert. Auch Kambodscha könnte bereits nächstes Jahr jene eine Million Tonnen Reisexporte erreichen, die Premier Hun Sen als Zielmarke für 2015 ausgegeben hatte.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 12. Dezember 2013


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