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"Abschreckende" Resolution gefordert

Syrische Opposition macht Druck auf UNO *

Die wichtigste syrische Oppositionsgruppe hat die Erklärung des UNO-Sicherheitsrates zur Gewalt in Syrien als kontraproduktiv verurteilt.

Mit der Erklärung des Sicherheitsrates werde das Gegenteil erreicht, indem sie der Regierung von Präsident Baschar al-Assad mehr Zeit gebe, ihre Angriffe fortzusetzen, sagte Samir Naschar vom Syrischen Nationalrat am Donnerstag (22. März) der Nachrichtenagentur AFP in Beirut. »Derartige Erklärungen, die verabschiedet werden, während das Töten anhält, geben Assad die Möglichkeit, seine Politik der Zerstörung fortzuführen, um die syrische Revolution niederzuschlagen.«

Der Sicherheitsrat müsse mit einer Stimme sprechen und nicht in Form einer Erklärung, forderte Naschar. Notwendig sei eine an die Regierung gerichtete »abschreckende Resolution«, deren Ziel ein Ende der Gewalt gegen die syrische Bevölkerung sei.

»Es ist Zeit, dass der UN-Sicherheitsrat seine Kraft und seine Macht nutzt, um der Gewalt ein Ende zu setzen«, sagte der Oppositionspolitiker.

Das Gremium hatte am Mittwoch (21. März) eine Erklärung verabschiedet, in der Regierung und Opposition in Syrien zur »unverzüglichen« Umsetzung des Friedensplans des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan aufgerufen werden. Die Erklärung hat allerdings weniger diplomatisches Gewicht als eine Resolution. Dennoch war selbst ihr Text unter den Mitgliedern des Rates nur schwer auszuhandeln. Die Bemühungen um eine Resolution scheiterten bislang zweimal am Widerstand der Vetomächte Russland und China.

Unterdessen setzt Syriens Regierung ihre Offensive gegen die Opposition fort. Am Donnerstag (22. März) nahmen Regierungstruppen nach Angaben von Regierungsgegnern die Protesthochburg Hama ein. Landesweit starben demnach mindestens 30 Menschen.

Die EU nimmt mit geplanten neuen Sanktionen nun auch Assads Frau Asma ins Visier. Wie aus Diplomatenkreisen in Brüssel verlautete, will die Union beim heutigen Außenministertreffen Sanktionen beschließen, die insgesamt zwölf Menschen betreffen. So sollen die Gelder mehrerer Familienmitglieder der Assads eingefroren und ihre Bewegungsfreiheit in der EU eingeschränkt werden.

Zugleich stellt die EU sieben Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Syrien und für syrische Flüchtlinge in benachbarten Ländern bereit. Das Geld solle unter anderem für Lebensmittel und medizinische Versorgung ausgegeben werden, erklärte die für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva in Brüssel. Damit steige die Nothilfe der Kommission für die Opfer des Konflikts in Syrien auf zehn Millionen Euro. Die Hilfe soll Betroffenen in Syrien selbst zugute kommen, etwa in Form von medizinischer Versorgung und Besuchen in Haftanstalten. Allerdings hätten die Helfer vom Roten Kreuz und anderen Organisationen weiter nur beschränkten Zugang.

* Aus: neues deutschland, 23. März 2012


Friedensappell

Von Mattes Dellbrück **

Auf den ersten Blick war gestern alles wie gehabt: Assads Truppen setzen ihre Offensive fort, die EU will die Sanktionen verschärfen und US-Senator McCain drängt auf ein militärisches Eingreifen. Und doch ist etwas anders. Erstmals zeigte der UN-Sicherheitsrat Einigkeit in Sachen Syrien und unterstützte einstimmig die Vermittlungsbemühungen Kofi Annans. Es war zwar lediglich eine Erklärung und keine rechtsverbindliche Resolution, damit von geringerem diplomatischen Gewicht, und selbst das war nur mühsam auszutarieren. Aber letztlich weist sie einen Weg, das Blutvergießen doch noch politisch zu beenden: Die Konfliktparteien sollen mit dem Syrien-Gesandten von UNO und Arabischer Liga zusammenarbeiten und dessen Sechs-Punkte-Plan »vollständig und unverzüglich« umsetzen. Russland, das wie China die bisherigen Resolutionsentwürfe des mächtigsten UN-Gremiums blockiert hatte, stimmte dieses Mal zu, weil das Dokument weder »ultimative Forderungen« noch einseitige Schuldzuweisungen für die Gewalteskalation enthalte. Allerdings darf man auch keine Illusionen haben: Assad ließ bisher nicht erkennen, dass er dem Appell folgen wolle, und die wichtigste Oppositionsgruppe Syriens hat die UN-Erklärung als unzureichend verurteilt.

* Aus: neues deutschland, 23. März 2012 (Kommentar)


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