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Lawrow gegen Ultimatum

Rußland will UN-Resolution zu Syrien unterstützen. Anschlag vom Montag in Damaskus soll sich gegen Offizier der Sicherheitskräfte gerichtet haben

Von Karin Leukefeld *

Frankreich erhöht den Druck auf Syrien: In einem neuen Entwurf zu einer Resolution, mit der sich der UN-Sicherheitsrat am Dienstag (20. März) befaßt hat, wird der syrischen Regierung mit »zusätzlichen Maßnahmen« gedroht, sollte Damaskus nicht binnen sieben Tagen den Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan umsetzen. Unklar ist, welche (Straf-) »Maßnahmen« der französische Entwurf vorsieht, unbekannt ist zudem auch der in dem Text erwähnte »Friedensplan« von Kofi Annan. Der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen war Ende Februar vom amtierenden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Al-Arabi, beauftragt worden, in Syrien zu vermitteln. Das syrische Außenministerium hatte sich bereits am Montag offiziell an die UN und ihre Gremien gewandt, um gegen die »terroristischen Anschläge« in Damaskus und Aleppo vom vergangenen Wochenende zu protestieren. Dabei waren 27 Menschen getötet und 140 zum Teil lebensgefährlich verletzt worden.

Nach AFP-Meldungen soll es sich bei dem Annan-Vorschlag um einen Sechs-Punkte-Plan handeln, der unter anderem »ein Ende der Gewalt, den Zugang für humanitäre Helfer, die Freilassung von Gefangenen und den Rückzug der Sicherheitskräfte aus Protesthochburgen« vorsehe. Unklar ist, ob darin die Einstellung der Gewalt auch auf seiten bewaffneter Aufständischer gefordert wird. Die Offenlegung der Annan-Vorschläge und eine Diskussion darüber im UN-Sicherheitsrat forderte derweil der russische Außenminister Sergej Lawrow. Rußland stehe hinter der Mission des Syrien-Beauftragten Annan und sei bereit, eine Resolution zu unterstützen. Allerdings dürften die Vorschläge Annans vom UN-Sicherheitsrat nicht als Ultimatum ausgelegt werden, so Lawrow.

Nach Angaben des russischen Nachrichtensenders Russia Today wird Syrien im Annan-Plan aufgefordert, »sich einem Ende der Kämpfe zu verpflichten und dringend ein effektives, von den Vereinten Nationen überwachtes Ende der bewaffneten Gewalt von allen Seiten« zu erreichen.

Sowohl das syrische als auch das russische Verteidigungsministerium wiesen derweil Behauptungen von der angeblichen Ankunft russischer Kriegsschiffe in syrischen Häfen als »haltlos« zurück. Nach Informationen der Nachrichtenagentur RIA Nowosti will Rußland alle Verpflichtungen, die aus Abkommen über militärtechnische Kooperation mit Syrien resultieren, erfüllen. »Alles, was vertraglich vereinbart worden ist, werden wir liefern, denn wir wenden keine Sanktionen an«, teilte der Generalstabschef Nikolai Makarow am Dienstag zu möglichen Exporten von Luftabwehrraketensystemen nach Syrien mit. Rußland bleibt nach Angaben des internationalen Friedensforschungsinstituts SIPRI der wichtigste Waffenlieferant des Landes.

Wie aus Damaskus zu erfahren war, soll es sich bei dem Feuergefecht in der Nacht zum Montag in Masseh, einem westlichen Stadtteil von Damaskus (jW berichtete), um den Versuch der Entführung eines hochrangigen Offiziellen der Sicherheitskräfte gehandelt haben. Vier Aufständische und ein Sicherheitsbeamter seien getötet worden. Offenbar versuchten die Bewaffneten den Konflikt in die Hauptstadt zu tragen, so die Einschätzung der anonymen Quelle. Die Damaszener, die sich bisher nicht vereinnahmen ließen, sollten in die Auseinandersetzungen gezwungen werden.

* Aus: junge Welt, 21. März 2012


Russland lehnt Ultimatum ab

Neuer Vorstoß des Sicherheitsrates im Syrien-Konflikt **

Der Westen will mit einer Erklärung im UNO-Sicherheitsrat den Druck auf die syrische Führung erhöhen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow signalisierte am Dienstag (20. März) Unterstützung für die Erklärung sowie eine mögliche UN-Resolution zu Syrien, nannte aber Bedingungen. Der für die UN-Erklärung von Frankreich eingebrachte Textentwurf droht mit »zusätzlichen Maßnahmen«, sollte Damaskus nicht binnen sieben Tagen nach dessen Verabschiedung den Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan umsetzen. Um welche Maßnahmen es sich dabei handeln könnte, war zunächst unklar.

Syriens Präsident Baschar al-Assad und die Opposition werden demnach aufgefordert, »vollständig und sofort« Annans Sechs-Punkte-Plan zu verwirklichen. Dieser sieht unter anderem ein Ende der Gewalt, den Zugang für humanitäre Helfer, die Freilassung von Gefangenen und den Rückzug der Sicherheitskräfte aus Protesthochburgen vor.

»Wir sind bereit, die Mission des Syrien-Beauftragten von UNO und Arabischer Liga, Kofi Annan, und die der Regierung und der Opposition unterbreiteten Vorschläge zu unterstützen - nicht nur in Form einer Erklärung, sondern auch als Resolution«, sagte Russlands Außenminister Lawrow. Bedingung sei aber, dass kein Ultimatum gestellt werde, zudem müssten Annans Vorschläge offengelegt und im Sicherheitsrat diskutiert werden.

Eine Erklärung ist leichter zu verabschieden als eine Resolution, sie hat aber auch weniger Gewicht. Russland und China verhinderten im Sicherheitsrat mit ihrem Veto bereits zwei Mal, dass die Führung in Damaskus mit einer Resolution für die gewaltsame Unterdrückung der Protestbewegung im Land verurteilt wird.

Vor der Abstimmung im Sicherheitsrat bezeichnete UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Lage in Syrien als »unerträglich und inakzeptabel«. Die Situation sei »eines der verstörendsten und besorgniserregendsten Probleme der internationalen Gemeinschaft«, betonte Ban in Indonesien. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Eine Minute oder eine Stunde bedeuten mehr Tote.« Es gehe um eine »moralische und politische Verantwortung der internationalen Gemeinschaft«.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) verurteilte am Dienstag erstmals schwere Menschenrechtsverstöße durch die bewaffnete syrische Opposition, darunter Entführungen, Folter und Hinrichtungen von Regierungsanhängern.

»Die brutale Strategie der syrischen Regierung kann keine Übergriffe durch bewaffnete Oppositionsgruppen rechtfertigen«, hieß es in einer Erklärung der Organisation. Einige Angriffe seien offenbar auch religiös motiviert und richteten sich gegen die schiitische oder alawitische Minderheit, der auch Assad angehört. Es habe zudem Berichte über Hinrichtungen gegeben. Die Organisation in New York forderte die Oppositionsführung auf, solche Taten zu verbieten und deutlich zu machen, dass derartige Menschenrechtsverletzungen nicht hinnehmbar seien. Human Rights Watch betonte weiter, dass die Protestbewegung noch bis September 2011 sehr friedlich gewesen sei. Doch dann habe sie mit dem Argument der Selbstverteidigung begonnen, sich zu bewaffnen.

Aus türkischen Diplomatenkreisen verlautete, dass die für den 2. April in Istanbul geplante Konferenz der »Freunde Syriens« um einen Tag vorgezogen wird. Dies habe »technische« Gründe. Ein erstes Treffen der Gruppe von Staaten, die den Druck auf Damaskus erhöhen will, hatte Ende Februar in Tunis stattgefunden.

Einen Tag nach den heftigen Gefechten in der Hauptstadt Damaskus haben Regierungstruppen nach Angaben von Regierungsgegnern erneut die Protesthochburgen Syriens unter Beschuss genommen. Dabei seien am Dienstag mindestens neun Menschen ums Leben gekommen, die meisten in Al-Rastan und dem Al-Chalidija-Viertel in Homs, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Deren Angaben sind nicht überprüfbar. Auch in der Provinz Hama habe es Angriffe der Armee von Assad gegeben.

Damaskus, wo sich am Vortag in einem Nobelviertel Rebellen und Assad-Soldaten schwere Kämpfe geliefert hatten, war am Dienstag massiv abgesichert.

** Aus: neues deutschland, 21. März 2012

Keine Resolution, aber eine präsidentielle Erklärung beschlossen

Am 21. März gab der Präsident des UN-Sicherheitsrats im Namen des Rats eine Erklärung ab, in der die Mission von Kofi Annan unterstützt und die Regierung in Damaskus aufgefordert wird, den Plan Annans umzusetzen. Dieser Plan selbst (ein 6-Punkte-Plan) wurde nicht veröffentlicht. Im Folgenden geben wir den Bericht über die Erklärung wieder:

Security Council calls on Syrian authorities to carry out plan to end crisis

21 March 2012 – The Security Council today voiced grave concern at the deteriorating situation in Syria and called on its Government to immediately implement a plan proposed by the international envoy tasked with helping end the crisis in the Middle Eastern country.

In a presidential statement, the 15-member body expressed its full support for the efforts of the Joint Special Envoy of the United Nations and the League of Arab States for Syria, Kofi Annan, “to bring an end to all violence and human rights violations, secure humanitarian access and facilitate a Syrian-led political transition to a democratic, plural political system.”

To this end, it fully supported the initial six-point proposal submitted to the Syrian authorities during Mr. Annan’s visit to Damascus earlier this month.

During the visit, Mr. Annan urged Syria’s President Bashar al-Assad to take concrete steps to end the crisis, put forward proposals to stop the violence and the killing, give access to humanitarian agencies, release detainees, and start an inclusive political dialogue to address the legitimate aspirations and concerns of the people.

“The Security Council calls upon the Syrian Government and opposition to work in good faith with the envoy towards a peaceful settlement of the Syrian crisis and to implement fully and immediately his initial six-point proposal,” the statement added.

The Council also said it will consider “further steps as appropriate” based on any progress reported by Mr. Annan on his mission.

The UN estimates that more than 8,000 people, mostly civilians, have been killed and tens of thousands displaced since protests – part of the broader Arab Spring movement across North Africa and the Middle East – began in March last year.

ently two missions in the Syrian capital, Damascus, addressing the crisis: a team of experts that is discussing ways to implement the six-point proposal, and a humanitarian team that – along with the OIC (Organization of Islamic Cooperation) – is assessing the humanitarian needs in the country.

Separately, the Council issued a statement to the press today in which it strongly condemned the terrorist attacks that occurred in Damascus, on 17 and 19 March, and in Aleppo on 18 March, causing scores of deaths and injuries.

In the press statement, the Council members expressed “their deep sympathy and sincere condolences to the victims of these heinous acts and to their families” and reiterated their determination to combat all forms of terrorism, in line with the Council’s responsibilities under the UN Charter.

Source: UN News Centre; http://www.un.org




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