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Umkehr in Nahost in Sicht?

Rolf Verleger setzt sich für Frieden zwischen Israel und Palästina ein / Der Psychologieprofessor initiierte 2006, dem jüdischen Jahr 5767, die Kampagne "Schalom 5767"


ND: Wie ist der Stand der Kampagne "Schalom 5767", mit der Sie die Bundesregierung auffordern, die israelische Besatzungspolitik nicht länger zu tolerieren?

Verleger: Im September war das jüdische Neujahrsfest 5768, die Kampagne nähert sich dem Ende. Wir haben an die 14 000 Unterschriften. Ich hatte auf bis zu einer Million Unterschriften gehofft, was nötig gewesen wäre, um die Regierung zu einem Kurswechsel zu bringen. Im November sollen sie dem Auswärtigen Amt übergeben werden.

Eine Million Unterschriften? Da waren Sie sehr optimistisch.

Aufgrund der Resonanz, die ich damals auf meinen Brief an den Zentralrat (der Juden in Deutschland, Anm. kl) zum Libanon-Krieg hatte, bin ich der Überzeugung, dass die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung für einen gerechteren Frieden im Nahen Osten ist. Es käme nur darauf an, diese Stimmen zu organisieren.

Wie unterscheidet sich die bundesdeutsche von der Haltung anderer EU-Mitgliedstaaten?

Die Mehrheit der europäischen Staaten möchte eine gerechtere Politik gegenüber Palästina haben. Vor einem Jahr hat die ZEIT ein Interview mit Angela Merkel und dem spanischen Ministerpräsidenten Zapatero zu den Folgen des 11. September gemacht. Die erste Frage war, wie man den Terrorismus bekämpfen könne. Zapatero sagte, man müsse die wichtigste Quelle des Terrorismus bekämpfen, das ungelöste Palästinaproblem. Angela Merkel antwortete, die deutsche Politik bemühe sich um eine bessere Ausbildung der Polizei in Afghanistan.

Gab es Reaktionen aus Israel?

Ich wurde ordentlich beschimpft, aber es gab auch Zustimmung. Einer der »Rabbies for Human Rights« aus Israel hat unterschrieben. Auch Uri Avnery findet das prima. Die Mehrheit der Bevölkerung in Israel wünscht einen unabhängigen Staat Palästina. Nur ist allen völlig unklar, wie man dahin kommen kann.

Seit Veröffentlichung der Erklärung haben sich die Verhältnisse in den besetzten Gebieten geändert. Was würden Sie heute fordern?

Ein sofortiges Ende der Isolationshaft der Gazabevölkerung. Was da passiert, ist doch ein Irrsinn. Die Leute leben unter elenden Bedingungen. Da werden 1,5 Millionen Terroristen ›gezüchtet‹, im Namen der höheren Politik, das ist Irrsinn.

Wie kann es Frieden im Mittleren Osten geben?

Es muss eine prinzipielle Umkehr erfolgen, wie zum Beispiel in Südafrika: Verzicht auf Herrschaftsanspruch und die Einrichtung von Wahrheitskommissionen, in denen jeder seine Geschichte erzählen konnte und auch Schuld benannt wurde. Etwas Ähnliches wäre für den Israel-Palästina-Konflikt ebenso nötig.

Gibt es eine Institution, die so etwas umsetzen kann?

Wenn die EU weniger hinnehmen würde, was Israel in den besetzten Gebieten macht und klarer auf Völkerrecht und internationales Recht verweisen würde, in ihren Aktionen und nicht nur in ihren Worten, dann wäre das ein Schritt nach vorne. Das hat auch Südafrika geholfen.

Was halten Sie von Boykottforderungen gegenüber Israel?

Im Moment finde ich es richtig, Waren aus besetzten Gebieten zu boykottieren. Es ist ein Unrecht, dass diese Waren unter israelischem Namen ausgeführt werden. Wenn ich Waren aus Israel kaufe, dann sollen sie aus Israel kommen und nicht aus den besetzten Gebieten.

Fragen: Karin Leukefeld

* Aus: Neues Deutschland, 17. Oktober 2007

Siehe hierzu auch: Nichts Neues unter der NAHOST-Sonne
Die EU von einer eigenständigen politischen Initiative weit entfernt. Ein Kommentar zum europäischen Aktionsplan für den Nahen Osten. Von Peter Strutynski (17. Oktober 2007)



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