Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gefährliche Grenze

Überfall auf einen südossetischen Kontrollposten. Schwere Vorwürfe gegen die EU-Beobachter in Sicherheitszone zu Georgien

Von Knut Mellenthin *

Die Spannungen an der Grenze zwischen Südossetien und Georgien haben sich am Wochenende erneut verschärft. Am Sonnabend (18. Okt.) teilte das südossetische Innenministerium mit, daß am frühen Morgen ein neu eingerichteter Kontrollposten beschossen worden sei. Es gab offenbar keine Verletzten. Von nun an seien die südossetischen Grenztruppen angewiesen, bei Angriffen das Feuer zu erwidern, sagte Innenminister Michail Mindsajew.

Der Präsident der Republik, Eduard Kokoiti, richtete in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe an die Beobachtermission der EU, die für die Überwachung der Sicherheitszone zwischen Südossetien und Georgien verantwortlich ist, seit die russischen Truppen sich am 8. Oktober von dort zurückgezogen haben. Es sei »sehr seltsam«, daß die EU-Beobachter auf den Angriff von georgischer Seite nicht reagiert hätten. Ihre Parteilichkeit sei eindeutig und ihre Anwesenheit verschlimmere die Lage.

Innenminister Mindsajew wies darauf hin, daß sich den internationalen Vereinbarungen zufolge überhaupt keine Truppen in der Sicherheitszone aufhalten dürften. Das südossetische Innenministerium hatte sich schon am 9. Oktober beschwert, daß Georgien in der Sicherheitszone ein starkes Polizeikontingent aufbaue, das sich im unmittelbaren Grenzbereich provozierend verhalte.

Bei dem bisher schwersten Zwischenfall seit dem Krieg im August waren am 3. Oktober sieben russische Soldaten ums Leben gekommen, als vor ihrem Hauptquartier in der südossetischen Hauptstadt Tschinwali eine Autobombe explodierte. Ein Sprecher des georgischen Außenministeriums behauptete daraufhin zynisch, die Bombe sei von den Russen selbst plaziert worden, um ihren Abzugstermin aus der Sicherheitszone nicht einzuhalten.

Ebenfalls am 3. Oktober wurde ein Bombenanschlag auf das Auto von Anatoli Margijew verübt, der an der Spitze der Distriktverwaltung Leningorsk im Osten Südossetiens steht. Das Gebiet befand sich bis zum Krieg unter georgischer De-facto-Kontrolle. Der Politiker entkam unverletzt.

Am Donnerstag voriger Woche (16. Okt.) berichtete die russische Tageszeitung Iswestija über angebliche interne Warnungen der Polizei vor geplanten Terroranschlägen durch »Mitglieder radikaler Gruppen« aus Georgien und anderen Teilen des Kaukasus. Mögliche Ziele seien Moskau, St. Petersburg und Sotschi. In diesem Badeort an der Schwarzmeerküste, in der Nähe Abchasiens gelegen, sollen 2014 die Olympischen Winterspiele stattfinden. Georgien und einige US-amerikanische Neokonservative wollen das verhindern. Laut Iswestija sei sowohl mit Selbstmordbombern zu rechnen als auch mit Attentätern, die auf stark frequentierten Plätzen wild um sich schießen würden. Die Polizeiführung wollte die Meldung nicht kommentieren, bestätigte aber, daß in Moskau eine große Antiterroroperation stattfinde.

Auch an der Grenze zwischen Georgien und Abchasien ist die Lage gespannt. Am 6. Oktober wurde im mehrheitlich von Georgiern bewohnten Gali-Distrikt Abchasiens, nahe der Grenze, ein Mann durch Schüsse getötet. Am selben Tag explodierte eine Bombe neben russischen Truppen, die sich auf dem vereinbarten Rückzug aus der Sicherheitszone befanden.

* Aus: junge Welt, 20. Oktober 2008


Zurück zur Georgien-Seite

Zur Russland-Seite

Zur EU-Europa-Seite

Zurück zur Homepage