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Die lange Geschichte des georgisch-ossetischen Konflikts

Eine kurze Chronik vom 9. Jahrhundert bis heute

Die Osseten stammen von den Skythen und Sarmaten ab, die in der Vorzeit in Osteuropa, Mittelasien und Sibirien lebten. Im Mittelalter waren die Osseten als Alanen bekannt.

Im 9. Jahrhundert entstand der Alanische Staat mit dem Christentum als Staatsreligion. Im 12./13. Jh. zerfiel Alanien in mehrere Fürstentümer und stand unter dem mongolisch-tatarischen Joch. Im 14./15. Jh. hatte Ossetien als Konföderation von mehreren selbständigen Gemeinschaften. Im 18. Jh. nahm Ossetien diplomatische Beziehungen zu Russland auf und trat 1774 freiwillig dem Russischen Reich bei.

Im ersten Drittel des 19. Jh. vereinigte die russische Regierung Georgien und südliche ossetische Gebiete unter die einheitliche Verwaltung Transkaukasiens, während nordossetische Gebiete an der nördlichen Seite des Kaukasus dem Nordkaukasischen Militär unterstellt wurden. Diese Verwaltungsgliederung blieb auch in der Sowjetunion erhalten.

Zum Zeitpunkt des Zerfalls der Sowjetunion (1991) gehörte Nordossetien mit seiner Hauptstadt Ordschonikidse (heute Wladikawkas) als "Nordossetische Autonome Sozialistische Republik" zur Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR). Südossetien gehörte als Autonomie (Hauptstadt in Zchinwal) zur Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik.

1989 kündigte Südossetien seine Abkehr von Georgien an. Ende 1989 marschierten georgische Einheiten in Zchinwali ein. Daraufhin bildeten die Osseten eine eigene Nationalgarde, die sich Kämpfe mit georgischen Einheiten lieferten. So entstanden in der Region Partisanenverbände.

Am 20. September 1990 verabschiedete die Volksdeputierten der Südossetischen Autonomie eine Deklaration über die Gründung der "unabhängigen Republik Südossetien". Die Regierung in Tiflis erkannte diese Deklaration nicht an und startete 1990/1991 eine militärische Offensive gegen die abtrünnige Republik. Der Krieg dauerte zwei Jahre und führte zu zahlreichen Toten und mehreren tausend Flüchtlingen (hauptsächlich Osseten).

Bei einer Volksabstimmung im Jahre 1992 stimmte die Mehrheit der Bevölkerung in Südossetien für die Unabhängigkeit. Am 14. Juni 1992 wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Einen Monat später zogen russisch-georgisch-ossetische Friedenskräfte in die Region ein. Am 04. Juli 1992 bildeten Georgien, Südossetien, Russland und Nordossetien eine gemischte Kontrollkommission, die die Einhaltung der Waffenruhe sichern sollte.

Der politische Status Südossetiens bleibt bis heute unklar. An der Spitze dieser Region steht Präsident Eduard Kokojty, gewählt im Dezember 2001. Georgien sieht das de facto unabhängige Südossetien als seinen Teil und bezeichnet es amtlich als "Region Zchinwali".

Am 16. Mai unterzeichneten Georgien und Südossetien ein Memorandum über gegenseitige Sicherheits- und vertrauensfördernde Maßnahmen und verpflichteten sich, auf politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Druck zu verzichten.

Nach dem Machtantritt des jetzigen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili im November 2004 spitzte sich der Konflikt wieder zu.

Am 26. Januar 2005 bot Saakaschwili auf einer PACE-Tagung in Straßburg der abtrünnigen Republik weitgehende Autonomierechte im Bestand Georgiens an. Der südossetische Präsident Kokojty lehnte das Angebot strikt ab. Südossetien sei schon lange eine eigenständige Republik und ein Beitritt zu Georgien käme nicht in Frage, sagte Kokojty.

Am 11. März 2005 erklärte Saakaschwili auf einem Briefing zu seinen Friedensinitiativen, er wolle nicht länger auf eine Antwort aus Zchinwali warten. Ihm zufolge sind sowohl Südossetien als auch die andere abtrünnige Teilrepublik Abchasien ein untrennbarer Bestandteil Georgiens und werden nie unabhängig.

Am 16./17. März 2005 berieten die Vertreter der Gemischten Kontrollkommission aus Russland, Georgien, Nordossetien und Südossetien über eine Entmilitarisierung der Konfliktzone.

Am 20./21. Juni 2005 trat die gemischte Kontrollkommission zu einer Sondersitzung zusammen, um einen Masterplan über die Zusammenarbeit der Rechtsschutzbehörden im Konfliktgebiet zu erstellen. Statt dessen einigten sich die Seiten auf die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen, um die Vorfälle im georgisch-ossetischen Konfliktraum (Mord an vier ossetischen und einem georgischen Soldaten und Verschwinden von vier Georgiern) zu untersuchen.

Am 08. Dezember trat die gemischte Kontrollkommission wieder zu einer Sondersitzung zusammen. Anlass: Verschärfung der Lage im Raum des georgisch-ossetischen Konfliktes.

Am 15. Februar 2005 verabschiedet das georgische Parlament ein Dokument, das eine Beendigung des Friedenseinsatzes vorsieht und die Einmischungen der russischen Truppen in der Region beschimpft. Russland erklärte sich daraufhin bereit, seine Friedenstruppen abzuziehen, wenn auch die südossetische Seite einwilligen würde. Doch Südossetien wandte sich kategorisch gegen den Truppenabzug.

Am 31. Mai 2006 wechselte Russland planmäßig sein Kontingent im Bestand der gemischten Friedenskräfte aus. Der Truppenwechsel erfolgte durch den Rockski Tunnel, den Georgien nicht kontrolliert. Tiflis wertete das als eine Herausforderung und beschuldigte Russland, seine Militärpräsenz in der Region zu verstärken.

Am 16. Juli 2006 stoppte die georgische Polizei das Auto, in dem die Leiter der gemischten Kontrollkommission zu einer Kommissionssitzung unterwegs waren. Bei der Durchsuchung wurden ihnen ihre persönlichen Sachen stundenlang konfisziert. Wegen des Vorfalls musste die Kommissionssitzung um einen Tag verschoben werden.

Am 18. Juli 2006 verabschiedete das georgische Parlament eine Resolution, in der Russland zu einem unverzüglichen Abzug der Friedenstruppen aufgefordert wurde.

Am 27. September nahmen georgische Geheimdienste vier russische Offiziere fest und warfen ihnen Spionage vor. Russland wertete dies als Provokation, rief seinen Botschafter aus Georgien zu Konsultationen zurück und evakuierte die Botschaft in Tiflis. Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete das Vorgehen der georgischen Führung als "staatlichen Terrorismus" und als "Geiselnahme".

Am 03. Oktober überstellte Georgien die verhafteten Offiziere der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die sie dann russischen Vertretern übergab.

Am 04. Oktober erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) in Straßburg, Georgien suche offenbar nach einem Vorwand, um die Konflikte mit Südossetien und Abchasien mit Gewalt zu lösen. Russland lasse sich vom Saakaschwili-Regime nicht provozieren, sagte Lawrow und verwies auf die jüngste Aussage des georgischen Verteidigungsministers Irakli Okruaschwili. Dieser hatte kurz davor erklärt, er werde das Neujahr in Zchinwal feiern. Laut Lawrow könnte Okruaschwili seinen Wunsch nur dann verwirklichen, wenn er einen Krieg gegen Südossetien entfesseln würde.

Der südossetische Präsident Eduard Kokojty sieht in der ambivalenten Politik der Weltgemeinschaft das größte Hindernis für die Beilegung der Sezessionskonflikte in Georgien. Eine internationale Anerkennung Südossetien und Abchasiens würde ihm zufolge zur Beilegung der beiden Konflikte beitragen. Kokojty schätzte die Anstrengungen der russischen Friedenstruppen hoch ein und sagte, diese sollten in der Region bleiben, bis der Konflikt endgültig gelöst ist. Er warf Georgien vor, Konfrontation zu schüren und Russland vom Südkaukasus verdrängen zu wollen.

Am 12. November stehen in Südossetien Präsidentenwahlen und ein neues Unabhängigkeitsreferendum an. Bei einem Referendum 1992 hatten über 98 Prozent der Osseten für die Unabhängigkeit gestimmt.

* Quelle: RIA Novosti, 10. Oktober 2006;
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