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Schlagzeilen für Wortgeplänkel

Georgien hofft bei "eingefrorenen Konflikten" auf Rückendeckung Washingtons gegenüber Russland

Von Knut Mellenthin*

Es war eigentlich nur ein Satz, der aber in den georgischen Medien große Freude hervorrief. »Sowohl in Südossetien als auch in Abchasien könnte Rußland mehr tun, um bei der Konfliktlösung zu helfen.« Den Satz sprach Daniel Fried, Unterstaatssekretär im US-Außenministerium, am Mittwoch in einem Referat zur Weltlage anläßlich einer Kongreßanhörung.

Es war dies nicht das erste Anzeichen, das bei den georgischen Nationalisten die Hoffnung aufkommen ließ, künftig mehr Rückendeckung aus den USA zu bekommen. Schon Anfang des Monats hatte ein ansonsten kaum beachtetes Wortgeplänkel zwischen den Vertretern der USA und Rußlands im Ständigen Rat der OSZE in den georgischen Medien für Schlagzeilen gesorgt. Der amerikanische Geschäftsträger Kyle Scott machte sich in bisher nicht gekannter Weise die offiziellen georgischen Positionen zu eigen. Unter anderem schloß sich Scott der Forderung nach einer »internationalen Überwachung« des Roki-Tunnels an. Dieser bildet die einzige Verbindung zwischen Südossetien und Rußland. Der Tunnel ist seit langem ein hochsensibler Streitpunkt. Hitzköpfe in der georgischen Regierung wie Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili sprachen gelegentlich schon davon, das Objekt der Begierde im Handstreich durch georgische Fallschirmjäger besetzen zu lassen. Örtliche russische Militärs konterten, daß dann die Angreifer »vollständig vernichtet« werden würden.

Scott erhob auf der OSZE-Ratssitzung auch die nicht näher erläuterte Forderung, russisches Militärpersonal und Ausrüstung, »die nicht in die Konfliktzone gehören«, sollten von dort abgezogen werden. In der sogenannten Konfliktzone um die südossetische Hauptstadt Zchinwali sind auf Grund eines Abkommens zwischen Moskau und Tbilissi 500 russische Soldaten als Teil einer trilateralen Friedenstruppe stationiert. Der Amerikaner kritisierte darüber hinaus Rußlands Erklärung, für den Schutz seiner Staatsbürger in Südossetien und Abchasien einzustehen.

Sein russisches Gegenüber, Botschafter Alexej Borodawki, nahm in seiner Erwiderung kein Blatt vor den Mund. Scotts Äußerungen seien »bedauerlich« und »nicht konstruktiv«. »Einige Aktionen« der USA im Zusammenhang mit dem georgisch-südossetischen Konflikt seien »schwer verständlich«. »Vor allem möchten wir den USA empfehlen, sich bei der Ausbildung und Ausrüstung der georgischen Streitkräfte Zurückhaltung aufzuerlegen. Diese Empfehlung scheint uns besonders dringlich vor dem Hintergrund der militärischen Rhetorik des georgischen Verteidigungsministers und anderer georgischer Vertreter gegenüber Südossetien.«

In Moskau fürchtet man, daß sich die US-Regierung verstärkt in die sogenannten eingefrorenen Konflikte einmischen will. Außenminister Sergej Lawrow warnte am Donnerstag vor »systematischen Versuchen, die bestehenden Verhandlungsformate in Transnistrien und Südossetien zu untergraben und sie gleichzeitig als ineffektiv hinzustellen.«

Aus: junge Welt, 11. März 2006


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