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Chronik Afghanistan

September 2006

Freitag, 1. September, bis Sonntag, 3. September
  • Aufständische haben in Afghanistan erneut einen britischen Soldaten getötet. Ein weiterer Soldat wurde bei einem Angriff seiner Einheit in der Provinz Helmland schwer verletzt, teilte das britische Verteidigungsministerium am 1. Sept. mit. Auch ein Aufständischer soll getötet worden sein, meldet die britische Nachrichtenagentur PA. Seit Beginn des Militäreinsatzes im November 2001 starben insgesamt 22 britische Soldaten in Afghanistan.
  • Deutsche Militärpolizisten in Afghanistan haben im Norden des Landes sieben mutmaßliche Taliban-Kämpfer festgenommen. Die Aufständischen wurden aus ihrem Geländewagen geholt, der kurz darauf nahe einer Kaserne in Masar-i-Scharif explodierte, wie die NATO-Einheit in Kabul am 1. Sept. mitteilte. Spürhunde hätten die Militärpolizisten auf das Fahrzeug mit dem Sprengstoff aufmerksam gemacht. Verletzt worden sei bei dem Zwischenfall niemand, da der Umkreis des Wagens rechtzeitig abgesperrt worden sei.
  • Die Bundeswehr will ihre Einheiten im Norden Afghanistans laut einem Zeitungsbericht mit gepanzerten Kräften aufrüsten und "Tornado"-Kampfflugzeuge anfordern. Grund sei die verschlechterte Sicherheitslage in dem Land, berichtet die Zeitung "Die Welt" am 2. Sept. Demnach werden auch Mängel bei Ausstattung und Ausrüstung der Einsatzkräfte und ihrer Lager beklagt. Für den Fall einer drohenden Eskalation sollten "Fuchs"-Schützenpanzer bereitgestellt und in Masar-i-Scharif stationiert werden.
  • Mutmaßliche Taliban-Kämpfer haben im Süden Afghanistans drei Polizisten getötet. Zwei weitere Polizisten wurden bei dem Anschlag auf einen Kontrollpunkt in der Provinz Helmand verletzt, wie die Polizei am 2. Sept. mitteilte. Der Zwischenfall ereignete sich am 1. Sept. im Bezirk Grieschk, rund 500 Kilometer südwestlich von Kabul.
  • Der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta hat an den Bundestag appelliert, das Mandat für die derzeit im Norden des Landes stationierten Bundeswehrsoldaten zu verlängern. Die Aufgabe der deutschen Soldaten am Hindukusch sei Friedensarbeit. "Jetzt einfach abzuziehen und Afghanistan sich selbst zu überlassen, wäre absolut naiv und ein riesiger Fehler", sagte Spanta dem Nachrichtenmagazin "Focus". Niemand könne Interesse daran haben, dass Afghanistan wieder zu einem Zentrum internationaler Terroristennetzwerke werde. Wenn die internationale Gemeinschaft ihre Aufgabe in Afghanistan nicht zu Ende bringe, werde das Land wieder in die Hände der Taliban fallen, warnte er. (AFP, 2. Sept.)
  • Die Opiumproduktion in Afghanistan wird nach Angaben der Vereinten Nationen in diesem Jahr ein Rekordhoch erreichen. Die Ernte werde 2006 um die 6100 Tonnen betragen, sagte der Direktor der UN-Behörde für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNODC), Antonio Maria Costa, am 2. Sept. in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Im Vergleich zum Vorjahr wäre das ein Anstieg um fast 50 Prozent; gleichzeitig vergrößerten sich die Anbauflächen innerhalb eines Jahres um 59 Prozent. Allein in der südlichen Provinz Helmand, wo Rebellen und Drogenbanden ihre Angriffe auf die afghanische Armee und die multinationalen Streitkräfte verstärken, wuchs die Anbaufläche um 162 Prozent auf fast 70.000 Hektar. Das entspricht 42 Prozent der Gesamtfläche.
  • Beim Absturz eines Militärflugzeugs sind im Süden Afghanistans 14 britische Soldaten ums Leben gekommen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in London handelt es sich bei den Opfern um zwölf Angehörige der Luftwaffe, einen Marineinfanteristen und einen Heeressoldaten. Die Maschine sei in der Provinz Kandahar wegen eines technischen Problems verunglückt, sagte ein Sprecher der NATO-Afghanistantruppe ISAF am 2. Sept. Er betonte, dass das Flugzeug nicht abgeschossen worden sei. Es habe ein Notsignal abgesetzt und sei dann vom Radarschirm verschwunden, sagte ein weiterer ISAF-Sprecher.
  • Am 2. Sept. begann eine große Militäroffensive von ISAF im Süden von Afghanistan. Ziel der "Operation Medusa" ist nach Angaben eines ISAF-Sprechers, die Taliban-Milizionäre aus ihren Hochburgen in dem südlichen Distrikt Pandschwayi zu vertreiben. An der Offensive sind hunderte ISAF-Soldaten gemeinsam mit Angehörigen der afghanischen Armee beteiligt. Bislang wurden nach ISAF-Angaben mindestens 20 Taliban getötet. Der Einsatz sei seit Tagen vorbereitet worden: Zivilisten in der Region seien aufgefordert worden, die Gegend zu verlassen, sagte ISAF-Sprecher Scott Lundy. Militärmaschinen hätten Flugblätter abgeworfen, in denen die Rebellen zum Aufgeben gedrängt worden seien. Der Großeinsatz sei nötig geworden, weil die Taliban in Pandschwayi 35 Kilometer westlich von Kandahar in letzter Zeit ihre Verteidigungsstellungen gestärkt, Gebäude mit Sandsäcken abgesichert und Waffen in die Region gebracht worden seien, sagte Lundy. Die ISAF habe Belege dafür, dass in Pandschwayi der "harte Kern" der Taliban kämpfe und den "dringend benötigten Wiederaufbau" behindere. Trotz der gut 40.000 ausländischen Soldaten in Afghanistan haben die Taliban ihre Anschläge und Angriffe deutlich verstärkt. Etwa 1600 Menschen wurden seit Jahresbeginn getötet.
    Bei der Großoffensive der NATO im Süden Afghanistans sind am Wochenende (2./3. Sept.) rund 200 Taliban-Kämpfer getötet worden. Das verlautete aus NATO-Kreisen am 3. Sept.
  • Die Opposition in den USA hat die vom Weißen Haus gezogenen historischen Parallelen zwischen dem Krieg im Irak und dem Zweiten Weltkrieg scharf kritisiert. Derartige historische Vergleich gingen "zu weit", sagte der demokratische Senator Joseph Biden am 3. Sept. im Sender ABC. Die einzige Ähnlichkeit zwischen dem Krieg gegen den Terror im Irak und dem Zweiten Weltkrieg sei, "dass dieser Krieg bald so lange dauert wie der Zweite Weltkrieg". Das Weiße Haus benutze eine vereinfachende Sprache, die der Lage nicht gerecht werde, kritisierte der Senator.
Montag, 4. September, bis Sonntag, 10. September
  • Mutmaßliche Taliban-Kämpfer haben in der Nacht zum 4. Sept. ein regionales Verwaltungszentrum in der südafghanischen Provinz Helmand angegriffen. Bei den anschließenden Gefechten wurden mindestens 16 Aufständische und drei Polizisten getötet, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Der Überfall in der Stadt Garmser habe etwa eine Stunde nach Mitternacht begonnen. Die Rebellen hätten sich dann erst nach vier Stunden wieder zurückgezogen und zahlreiche Waffen zurückgelassen. Bei den Kämpfen kamen den Angaben zufolge schwere Maschinengewehre und Granatwerfer zum Einsatz.
  • Bei einem Autobombenanschlag im Osten der afghanischen Hauptstadt Kabul ist am 4. Sept. ein NATO-Soldat ums Leben gekommen. Auch vier afghanische Zivilpersonen wurden getötet, wie NATO-Vertreter mitteilten. Drei weitere NATO-Soldaten der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) wurden verletzt, einer von ihnen schwer. Die Nationalität der Betroffenen wurde vorerst nicht mitgeteilt. Den Angaben zufolge ereignete sich der Anschlag auf der Straße von Kabul nach Dschalalabad. Nach afghanischen Angaben handelte es sich um ein Selbstmordattentat, Ziel war offensichtlich der Konvoi der NATO-Truppen. Wie Major Toby Jackman mitteilte, erlag ein NATO-Soldat kurze Zeit nach dem Anschlag seinen schweren Verletzungen.
  • Zwei US-Kampfflugzeuge haben am 4. Sept. im Süden Afghanistans versehentlich eine kanadische Einheit angegriffen und dabei einen Soldaten getötet sowie fünf weitere zum Teil schwer verletzt. NATO-Kommandeur David Richards sprach von einer bedauerlichen Tragödie. Die kanadischen Soldaten nahmen in der südlichen Provinz Kandahar an einem Einsatz der Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) gegen Taliban-Kämpfer teil. "Es ist besonders bedauerlich für uns alle, wenn trotz der Sorgfalt und Vorsicht, die wir immer walten lassen, eine Tragödie wie diese passiert", sagte Generalleutnant Richards. Wie es hieß, hatten die Bodentruppen der NATO Luftunterstützung angefordert. Zwei ISAF-Flugzeuge seien dann gekommen und hätten mit ihren Bordkanonen angegriffen. Dabei hätten sie aber auch die eigenen Leute getroffen, erklärte die NATO. Die Flugzeuge wurden als zwei amerikanische A-10 Thunderbolt identifiziert.
    Bei dem kanadischen Soldaten, der versehentlich von der US-Armee getötet worden war, handelt es sich - wie später bekannt gegeben wurde - um einen bekannten Leichtathleten. Mark Graham war bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona in der kanadischen 400-Meter-Staffel mitgelaufen. Der Präsident des Kanadischen Olympischen Komitees, Michael Chambers, erklärte, für die Sportgemeinde sei Grahams Tod "ein großer Verlust".
    Der Zwischenfall ereignete sich im Rahmen der "Operation Medusa", bei der laut NATO seit Samstag mehr als 200 Taliban-Kämpfer getötet wurden. Taliban-Führer Mullah Dadullah dementierte dies. Es seien "nicht einmal zehn Taliban" getötet worden, sagte er der Nachrichtenagentur AP in einem Telefoninterview. Zugleich drohte Dadullah Journalisten: Wer "falsche Informationen der Koalitionsstreitkräfte oder der NATO" verbreite, werde künftig selbst zum Ziel.
  • Die Bundeswehr muss sich auf militärische Einsätze in besonders gefährlichen Landesteilen einstellen. Diese Auffassung vertrat der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, am 4. Sept. in Berlin. Grund sei die eskalierende Gewalt im Land. Die Bundesregierung lehnt bislang eine dauerhafte Verlegung deutscher Soldaten aus dem relativ ruhigen Norden in die Unruheregionen im Süden strikt ab.
  • Vor der in der kommenden Woche im Bundestag anstehenden Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr wird in der SPD eine Aufstockung des deutschen Kontingents nicht mehr ausgeschlossen. Bei der Zahl der deutschen Soldaten gebe es "Spielraum nach oben", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Ulrike Merten (SPD), der "Frankfurter Rundschau" (Ausgabe vom 5. Sept.). Bisher sind rund 2.700 Angehörige der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt. Das Bundestagsmandat erlaubt bis zu 3.000.
  • Bei einem gemeinsamen Einsatz von afghanischen und NATO-Soldaten in der südafghanischen Provinz Kandahar sind nach NATO-Angaben mindestens 50 weitere Taliban-Kämpfer getötet worden. Innerhalb von 24 Stunden seien 50 bis 60 Taliban getötet worden, sagte ein Sprecher der NATO-geführten Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) am 5. Sept. Der Einsatz erfolgte demnach im Zuge einer am 2. Sept. gestarteten Großoffensive. Ziel des Einsatzes ist es, die radikalislamische Taliban aus ihren Bastionen in Kandahar zu vertreiben. Seit dem Beginn der Offensive wurden nach NATO-Angaben mindestens 250 Taliban getötet.
  • SPD-Fraktionschef Peter Struck hat sich gegen eine Ausdehnung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr in den gefährlichen Süden des Landes ausgesprochen. Er lehne die Ausweitung des deutschen Einsatzgebiets auf den Süden ab, sagte Struck am 6. Sept. in der Generaldebatte über den Haushalt 2007 im Bundestag. Die Bundeswehr habe mit dem größten Kontingent innerhalb der ISAF-Schutztruppe Verantwortung für den gesamten Norden übernommen, für die übrigen Landesteile seien andere Nationen verantwortlich, sagte der frühere Verteidigungsminister. "Dabei soll es bleiben." Gleichzeitig plädierte er für eine Verlängerung des Mandats, das am 13. Oktober ausläuft, um ein weiteres Jahr: "Die Beendigung der Mission ist noch nicht abzusehen."
  • Pakistans Präsident Pervez Musharraf beginnt am 6. Sept. einen zweitägigen Besuch im Nachbarland Afghanistan. Im Mittelpunkt seiner Gespräche mit dem afghanischen Staatschef Hamid Karsai soll die Vertiefung der bilateralen Beziehungen stehen sowie der Kampf gegen die Taliban-Rebellen. Anfang des Jahres hatte sich die afghanische Regierung den Ärger Pakistans zugezogen, nachdem sie behauptet hatte, Islamabad gehe zu wenig gegen die in der Grenzregion ansässigen Taliban vor. Pakistan besteht darauf, mit 80.000 Soldaten ausreichend gegen Grenzüberschreitungen von Extremisten nach Afghanistan vorzugehen. Islamabad hatte die Ende 2001 gestürzte Taliban-Regierung unterstützt, wurde aber nach den Anschlägen des 11. September 2001 ein Verbündeter der USA im Anti-Terror-Kampf.
    Pakistan hat das Nachbarland Afghanistan angesichts der kritischen Lage im Grenzgebiet zu einer gemeinsamen Strategie gegen den Terror aufgerufen. Beide Länder müssten ihre Kräfte bündeln, um den gemeinsamen Feind zu schlagen, erklärte Präsident Pervez Musharraf am 6. Sept. bei einem Besuch in Kabul. Auf einer Pressekonferenz mit seinem afghanischen Kollegen Hamid Karsai äußerte er den Wunsch auf eine "brüderliche Verbindung" der beiden Staaten. Musharraf nannte als Ziele des gemeinsamen Vorgehens den Kampf gegen das Terrornetzwerk Al Kaida, die Taliban und die "Talibanisierung" der Gesellschaft. Beim letzten Punkt handele es sich um bedrohliche Einstellungen und Überzeugungen, zu deren Bekämpfung eine andere Strategie nötig sei. Zugleich wies Musharraf Spekulationen zurück, dass seine Regierung oder Kräfte innerhalb des pakistanischen Geheimdienstes den flüchtigen Al-Kaida-Chef Osama bin Laden decken könnten. Das Verteidigungsministerium in Islamabad betonte am Mittwoch: "Pakistan ist auf der Suche nach Osama bin Laden und seinen Vertrauten."
    Die Regierungen Afghanistans und Pakistans wollen das gegenseitige Misstrauen bekämpfen, um besser gemeinsam gegen die radikalislamischen Taliban vorgehen zu können. Dies vereinbarten der afghanische Staatschef Hamid Karsai und sein pakistanischer Kollege Pervez Musharraf am 6. Sept. bei einem Treffen in Kabul. "Wenn wir unsere gegenseitigen Schuldzuweisungen nicht einstellen, werden wir niemals Frieden bekommen und Brüder werden", sagte Musharraf zu Beginn seines zweitägigen Besuches im Nachbarland.
  • In Afghanistan sind am 6. Sept. insgesamt drei britische Soldaten ums Leben gekommen. Wie das britische Verteidigungsministerium am Abend in London mitteilte, wurde ein Soldat durch die Explosion einer Mine im Süden Afghanistans getötet. Fünf weitere Soldaten wurden bei dem Vorfall in der Provinz Helmand schwer verletzt. Ein sechster Soldat erlitt leichte Verletzungen. Bei einem Einsatz gegen Aufständische in der selben Provinz starb ein zweiter Soldat, ein weiterer wurde schwer verletzt. Ein dritter Soldat erlag seinen schweren Verletzungen, die er bereits am 1. Sept. erlitten hatte. Bei allen Soldaten handelte es sich um Angehörige der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF).
  • Der NATO-Oberbefehlshaber in Europa, General James Jones, hat eine Aufstockung der NATO-Truppen in Südafghanistan gefordert. "Wir reden über eine bescheidene Verstärkung", sagte Jones am 7. Sept. vor Journalisten am NATO-Hauptquartier im belgischen Mons. Er begründete seine Forderung mit der Gewalt im Süden Afghanistans. "Wir sollten zugeben, dass wir ein bisschen überrascht waren von der Intensität". Der Widerstand gegen die NATO-geführte Schutztruppe ISAF in einigen Regionen folge auch nicht den üblichen Mustern. Deshalb werde er die Mitglieder der Allianz beim Treffen des NATO-Militärausschusses am 9. und 10. Sept. in Warschau um mehr Soldaten bitten.
  • Bei einem der bisher schlimmsten Anschläge in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am 8. Sept. nach Angaben der Bundesregierung 15 Menschen getötet worden. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Morgen auf einer belebten Straße in der Nähe der US-Botschaft in dem Moment in die Luft, als ein US-Konvoi vorbeifuhr, sagte ein Polizist. Bei dem Selbstmordanschlag in Kabul wurden zwei Soldaten der US-Armee getötet und zwei weitere verletzt, wie das Militär mitteilte. Nach Angaben der afghanischen Polizei kamen zudem elf Zivilisten ums Leben, 29 weitere wurden demnach verletzt. Zu der Tat bekannten sich die radikalislamischen Taliban. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin sagte, es sei naheliegend, dass es sich um einen Anschlag auf die Internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) gehandelt habe, da das Hauptquartier nur 150 Meter entfernt liege. Allerdings liegt auch die US-Botschaft nur in etwa hundert Metern Entfernung. Es war einer der blutigsten Anschläge, die jemals in Kabul verübt wurden.
  • Bei einem Anschlag auf eine ISAF-Patrouille in der westlichen Stadt Farah wurden vier italienische Soldaten verletzt, einer von ihnen schwer, wie das italienische Verteidigungsministerium am 8. Sept. mitteilte.
  • Der Oberkommandierende der britischen Truppen in Afghanistan, Butler, forderte eine Verstärkung der ISAF, damit die NATO-Einsätze beschleunigt werden könnten. "Die Intensität und Gewalt der Kämpfe ist weitaus stärker als im täglichen Geschehen im Irak", sagte der Brigadegeneral dem britischen Nachrichtensender ITV News.
  • Die NATO will mindestens 2.000 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken, wie ein Sprecher des Militärbündnisses am 8. Sept. in Warschau mitteilte. Derzeit sind rund 20.000 Soldaten der NATO und ebenso viele weitere der USA in dem Land stationiert. Der NATO-Oberbefehlshaber für Europa, General James Jones, hatte die Bündnismitglieder am Vortag zur Entsendung weiterer Truppen in den Süden Afghanistans aufgerufen. Die kommenden Wochen könnten für den Kampf gegen die Taliban entscheidend sein, sagte er.
  • Die Bundeswehr will nach einem Pressebericht im Norden Afghanistans zum Schutz der Bundeswehrsoldaten eine "gepanzerte Reserve" stationieren. Dazu sollten auch Schützenpanzer vom Typ "Marder" gehören, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Ausgabe vom 9. Sept.). Die Reserve solle im Feldlager in Masar-i-Scharif zunächst "auf dem Hof stehen", schrieb die Zeitung unter Berufung auf verteidigungspolitische Kreise. Damit wolle sich die Bundeswehr für den möglichen Fall wappnen, dass auch die ISAF-Schutztruppe im Norden des Landes in Gefechte verwickelt wird, wie sie derzeit vor allem in den Provinzen im Süden und Osten stattfinden.
  • Bei ihrer Offensive im Süden Afghanistans haben NATO-Truppen und afghanische Soldaten in der Nacht zum 10. Sept. fast hundert Rebellen getötet. Die Truppen hätten sich in der Provinz Kandahar seit Samstagabend an vier verschiedenen Orten heftige Kämpfe mit mutmaßlichen Taliban-Rebellen geliefert, teilte die Internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) mit.
  • Ein britischer Offizier ist aus Protest gegen die "grotesk ungeschickte" NATO-Kampagne gegen die radikalislamischen Taliban in Afghanistan aus der Armee ausgetreten. Das Auftreten der Armee in der afghanischen Provinz Helmand sei "wie eine Schulbuchlektion, wie man eine Aufstandsbekämpfung vermasselt", zitierte die "Sunday Times" am 10. Sept. den Hauptmann Leo Docherty, der in Afghanistan Flügeladjutant des Oberst Charlie Knaggs war. "Wir haben vorher gesagt, wir würden uns anders verhalten als die Amerikaner, die Dörfer beschossen und zerbombt haben, und dann haben wir genau das gleiche gemacht", sagte Docherty. Das sei "grotesk ungeschickt" gewesen. "All diese Menschen, deren Häuser wir zerstört und deren Söhne wir getötet haben, werden sich jetzt gegen die Briten wenden."
    Ursprünglich habe die britische Armee vorgehabt, die Provinzhauptstadt Laschkar Gah zu sichern, Entwicklungsprojekte zu fördern und die Bildung von Regierungsstrukturen zu ermöglichen, sagte Docherty der "Sunday Times". Zugleich hätte der Norden von Helmand kontrolliert werden sollen, ohne dass die Soldaten sich dort in einem Konflikt aufreiben, der ohnehin nicht ausschließlich militärisch zu lösen sei. Doch dann sei die Führung "umgekippt", weil der Provinzgouverneur den Umsturz der Bezirksregierungen im Nordteil durch die Taliban befürchtet habe.
    Docherty war im vergangenen Monat aus der britischen Armee ausgeschieden. In den südafghanischen Provinzen Helmand und Kandahar sind rund 4.000 britische Soldaten im Rahmen der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan stationiert.
  • In Afghanistan ist nach Ansicht einer britischen Hilfsorganisation eine Million Menschen von einer Hungersnot bedroht, weil die lange Trockenheit einen Großteil der Ernte zerstört hat. Nach Ausbleiben von Niederschlägen hätten Bauern vor allem im Norden und Westen des Landes bis zu 100 Prozent ihrer Getreideernte verloren, erklärte die kirchliche Organisation Christian Aid am 10. Sept. in London. Dies habe der Besuch von 66 Dörfern in den betroffenen Regionen gezeigt. Die meisten Wasserreserven in den Provinzen Herat, Badghis und Ghor seien versiegt. In Herat seien mehr als 90 Prozent der auf natürliche Niederschläge angewiesene Getreideernte verloren. Auf den bewässerten Flächen habe sich der Ertrag um 40 Prozent verringert.
  • Die US-Streitkräfte in Afghanistan haben vor einer Terrorzelle gewarnt, die in Kabul Anschläge auf ausländische Truppen plant. "Durch unsere Geheimdienstquellen wissen wir, dass es hier in Kabul mindestens eine Zelle gibt, deren wichtigstes Ziel ist, Koalitions- oder internationale Truppen mit Selbstmordanschlägen zu treffen", sagte Militärsprecher Tom Collins am 10. Sept. Weitere Details werde er nicht nennen, fügte aber hinzu, dass diese Zelle nach wie vor aktiv sei und eine große Gefahr darstelle.
Montag, 11. September, bis Sonntag, 17. September
  • Unter dem Eindruck der schweren Kämpfe im Süden Afghanistans beraten die NATO-Staaten in Brüssel über eine Verstärkung der von der Allianz geführten Internationalen Schutztruppe ISAF. Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer wolle dafür in einer Sondersitzung des NATO-Rats den Botschaftern die Empfehlungen des Militärausschusses erläutern, sagte Sprecher James Appathurai am 11. Sept. in Brüssel. Derzeit gehe es weniger darum festzulegen, in welchem Umfang eine Aufstockung von Soldaten und Material notwendig sei und welche Alliierten diese leisten könnten. Vielmehr solle politisch beraten werden, wie der aktuellen Lage in Afghanistan begegnet werden könne.
  • Bei der seit Tagen andauernden Großoffensive der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) gegen radikalislamische Taliban sind möglicherweise auch dutzende Zivilisten ums Leben gekommen. Flüchtlinge aus den Bezirken Shari und Pandschwaji im Süden des Landes und Mitarbeiter der örtlichen Verwaltung hätten berichtet, dass etwa dreißig bis vierzig Zivilisten getötet worden seien, sagte ein Mitarbeiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Schamsuddin Tanwir, am 12. Sept. Die Kommission habe die Angaben bislang nicht prüfen können, wolle sich aber selbst ein Bild von der Lage machen, sobald die Kämpfe vorbei seien.
  • Die Leichname der 14 britischen Soldaten, die vor zehn Tagen beim Absturz ihres Flugzeugs im Süden Afghanistans ums Leben kamen, sind am 12. Sept. nach Großbritannien überführt worden. Die mit der britischen Flagge bedeckten Särge trafen auf dem schottischen Luftwaffenstützpunkt Kinloss ein, wo Politiker und Offiziere zusammen mit rund 160 Verwandten und Freunden der Opfer an einer Zeremonie teilnahmen. Der britische Verteidigungsminister Des Browne würdigte die Soldaten, die dafür gearbeitet hätten, Afghanistan sicherer zu machen. "Wir haben eine riesige Schuld und schulden ihnen viel Dank dafür", sagte Browne.
  • Der UN-Drogenbeauftragte Antonio Maria Costa hat stärkere Anstrengungen der NATO im Kampf gegen die Opium-Produktion in Afghanistan gefordert. Der "Teufelskreis" der wechselseitigen Unterstützung von "Terroristen und Drogenhändlern" müsse durchbrochen werden, sagte Costa am 12. Sept. bei der Vorstellung des Jahresberichts zur Opium-Produktion in Brüssel. "Ich fordere die NATO-Einheiten dazu auf, Heroin-Labors zu zerstören und Opium-Basare aufzulösen", sagte Costa. Die Drogen-Barone müssten vor Gericht gestellt werden. Der UN-Beauftragte beklagte einen "heftigen" Anstieg der Opium-Produktion in Afghanistan, allein im vergangenen Jahr habe sie um mehr als die Hälfte auf 6100 Tonnen zugenommen. Damit werden Einnahmen von schätzungsweise vier Milliarden Dollar erzielt.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat am 12. Sept. einstimmig das Mandat der NATO-geführten Schutztruppe für Afghanistan verlängert. Das derzeitige Mandat der ISAF läuft am 13. Oktober aus. Der Sicherheitsrat verlängerte es vorzeitig, damit Deutschland und andere Länder die Zustimmung ihrer Parlamente für die andauernde Stationierung ihrer Truppen einholen können, wie aus diplomatischen Kreisen verlautete. In der Resolution betonte der Sicherheitsrat, die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan liege bei den Afghanen. Er zeigte sich besorgt über die Sicherheitslage im Land, besonders über terroristische Aktivitäten der Taliban und der Al Kaida, illegaler bewaffneter Gruppen und Drogenschmugglern. Die Ratsmitglieder forderten alle Parteien in Afghanistan auf, gemeinsam die Entwicklung des Landes friedlich voranzubringen.
  • Wieder Tote bei Kämpfen im Süden und ein Raketenangriff wenige Stunden vor einem Besuch von Präsident Hamid Karsai in Dschalalabad: Afghanistan kam auch am 13. Sept. nicht zur Ruhe.
    Afghanische Polizisten töteten in einem erbitterten Gefecht in der Provinz Helmand nach eigenen Angaben 16 Taliban-Kämpfer und eroberten die Stadt Garmser zurück, die die Aufständischen am 6. September besetzt hatten. Bei dem Raketenangriff in Dschalalabad wurde laut Polizei niemand verletzt. Karsai wollte in Dschalalabad gemeinsam mit dem pakistanischen Ministerpräsidenten Shaukat Aziz eine neue Straße zur Grenzstadt Torcham eröffnen.
  • Die NATO legte am 13. Sept. erstmals eine Bilanz über Selbstmordanschläge vor. Seit Januar seien 173 Menschen bei solchen Angriffen getötet worden. Rund 87 Prozent der Opfer - 151 - seien afghanische Zivilpersonen gewesen, sagte NATO-Sprecher Luke Knittig in Kabul. Militante Gruppen in Afghanistan, insbesondere die Taliban, haben in den vergangenen Monaten vermehrt zu Taktiken gegriffen, wie sie im Irak von den Aufständischen angewandt werden.
  • Im Westen Afghanistans wurde nach Angaben der Polizei ein Mitarbeiter des UN-Habitat-Programms erschossen. Die Angreifer hätten das UN-Auto beschossen, als es auf dem Weg von einem abgelegenen Dorf in die Provinzhauptstadt Farah gewesen sei. Über das Motiv der Tat war zunächst nichts bekannt.
  • In der südafghanischen Stadt Kandahar sprengte sich ein Selbstmordattentäter in einer Moschee in die Luft. Nach Angaben der Polizei kamen sonst keine Menschen zu Schaden.
  • Die Elitesoldaten des "Kommandos Spezialkräfte" (KSK) der Bundeswehr befinden sich nach "Bild"-Informationen erneut im Kampfeinsatz in Afghanistan. Gemeinsam mit US-Special Forces nehmen KSK-Trupps im Osten des Landes, nahe der Grenze zu Pakistan, an den Offensiven gegen Taliban-Verbände teil, berichtet das Blatt in seiner Ausgabe vom 13. Sept. unter Berufung auf Regierungskreise. Das Verteidigungsministerium lehnte eine Stellungnahme für die Zeitung ab.
  • Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Kinshasa Mitte August fordern die 310 Bundeswehr-Soldaten im Kongo eine Erhöhung ihrer Bezüge. Wie das Verteidigungsministerium der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 13. Sept.) bestätigte, hat das Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam den Antrag gestellt, die Soldaten von Stufe vier der Auslandsverwendungszulage auf Stufe fünf zu hieven. Stufe vier - 66 Euro pro Tag zusätzlich zum Sold - wird bei bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen gezahlt, Stufe fünf - 79 Euro zusätzlich -, wenn wirklich Bürgerkrieg herrscht.
  • Die NATO hat für die Aufstockung der von ihr geführten Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) noch keine Zusagen der Alliierten bekommen. Bei einer Truppenstellerkonferenz im militärischen Hauptquartier SHAPE im südbelgischen Mons seien keine formellen Angebote für die Verstärkung eingegangen, sagte NATO-Sprecher James Appathurai am 13. Sept. in Brüssel. Es gebe aber "positive Hinweise" für entsprechende Zusagen und die Aufhebung von Einsatzbeschränkungen für bestimmte Verbände. Die Debatte solle nun am 15. Sept. im NATO-Rat in Brüssel und dann kommende Woche in New York am Rande der UN-Vollversammlung fortgesetzt werden. Der Militärausschuss der NATO hatte vergangene Woche eine Auffüllung der ISAF-Kapazitäten empfohlen.
  • Das Bundeskabinett hat am 13. Sept. die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr um ein Jahr beschlossen. "Das bisherige Mandat bleibt unverändert", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am 13. Sept. in Berlin. Auch das Gesamtkontingent, das sich auf bis zu 3000 Soldaten beläuft, werde nicht verändert. Das bisherige Mandat läuft am 13. Oktober aus. Auch für die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes ist die Zustimmung des Bundestags erforderlich. Dieser soll voraussichtlich am 29. September entscheiden.
  • Polen will tausend weitere Soldaten zur Verstärkung der NATO-geführten Truppe ISAF nach Afghanistan entsenden. Die Soldaten sollen ab Februar kommenden Jahres auf dem Stützpunkt Bagram im Nordosten Afghanistans stationiert sein, sagte Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski am 14. Sept. dem Fernsehsender TVN24. Bislang hat Polen im Rahmen der ISAF-Mission 120 Soldaten in Bagram stationiert.
  • Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Bernhard Gertz fordert eine Aufstockung des Bundeswehretats um eine Milliarde Euro, um den Schutz von Soldaten in Auslandseinsätzen zu verbessern. In der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Ausgabe vom 14. Sept.) verwies Gertz darauf, dass auch im Norden Afghanistans Anschläge und Selbstmordattentate «besorgniserregend« zunähmen. Er betonte: "Deshalb benötigen unsere Kameraden kurzfristig mehr stärker geschützte Fahrzeuge." Eine Veränderung der Prioritäten erscheine als kaum machbar. "Dann hilft nur eins", fügte Gertz hinzu: "Mehr Geld für den Verteidigungshaushalt. Es muss einen Nachschlag geben. Es muss mindesten eine Milliarde oben drauf, um Sofortmaßnahmen zum Schutz der Soldaten zu finanzieren."
  • Angesichts der unzureichenden Zusagen der Mitgliedsstaaten hat der Oberkommandierende der NATO, General James Jones, am 15. Sept. erneut eine Verstärkung der internationalen Truppen in Afghanistan (ISAF) gefordert. Der General habe bei dem Treffen der NATO-Botschafter in Brüssel ein Resümee der Situation in Afghanistan gezogen und seinen Appell an die Mitgliedstaaten wiederholt, weitere Truppen zur Verfügung zu stellen, hieß es aus NATO-Kreisen. Allerdings werde vor der Konferenz der NATO-Verteidigungsminister Ende September in Slowenien keine Entscheidung erwartet.
  • Trotz herber Verluste in Afghanistan hat Kanada die Aufstockung seiner Truppen in dem Land beschlossen. Wie das Verteidigungsministerium in Ottawa am 15. Sept. mitteilte, sollen 200 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan entsandt werden. Damit würde die kanadische Truppenstärke dort auf 2.500 Soldaten steigen. Das Ministerium kündigte zudem die Verlegung einer Staffel Leopard-Panzer an. Nach Angaben eines Verantwortlichen der kanadischen Armee soll es sich um 15 Panzer handeln. Laut Ministerium wurde die Entscheidung "angesichts der veränderten taktischen Situation in der Region" getroffen, womit der wachsende Widerstand der Taliban gemeint sein dürfte.
  • Die von den USA geführten Koalitionsstreitkräfte in Afghanistan haben in fünf Provinzen eine weitere Offensive gegen die radikalislamischen Taliban gestartet. Ziel der Operation "Mountain Fury" sei es nicht nur, die Taliban zu besiegen, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinden in diesen Provinzen zu fördern, hieß es am 16. Sept. in einer Erklärung. 7.000 Soldaten seien an der Offensive in der Mitte und im Osten in Paktika, Chost, Ghansi, Paktia und Logar beteiligt. Die Offensive "Mountain Fury" sei schon seit einiger Zeit allmählich vorbereitet worden, hieß es. Am Morgen des 16. Sept. habe das "Manöverstadium" begonnen. Die Sicherheit der Menschen in der Region solle dabei verbessert und die extremistischen Taliban sollten von der Bevölkerung getrennt werden.
    Auch im Süden des Landes setzten tausende Soldaten der USA und der NATO ihre Offensive gegen die Taliban fort. Dabei sollen in den vergangenen Wochen hunderte Taliban-Kämpfer getötet worden sein.
  • Am 16. Sept. griffen rund 60 mutmaßliche Taliban-Kämpfer einen Polizeiposten im Süden des Landes an. Bei dem Gefecht wurden nach afghanischen Angaben vier Taliban getötet.
  • Bei einem Bombenanschlag südlich der Hauptstadt Kabul wurden am 16. Sept. drei Menschen getötet.
  • In Kandahar im Süden Afghanistans sind am 17. Sept. durch einen Selbstmordanschlag fünf afghanische Zivilisten verletzt worden. Wie die Polizei in Kandahar weiter mitteilte, wurde ein Fahrzeug der Internationalen ISAF-Truppe beschädigt, ISAF-Soldaten waren jedoch nicht unter den Verletzten. Den Polizeiangaben zufolge handelte es sich bei dem Attentäter, der bei dem Anschlag getötet wurde, um einen Arbeiter aus Pakistan.
  • Die NATO hat ihre zweiwöchige Offensive gegen die radikalislamischen Taliban im Süden Afghanistans am 17. Sept. für beendet erklärt. Der Kampf gegen die Aufständischen sei ein "deutlicher Erfolg" gewesen, sagte Generalleutnant David Richard, der Kommandeur der 20.000 NATO-Soldaten in Afghanistan, am 17. Sept. in Kabul. Die Aufständischen hätten ihre Stellungen aufgeben müssen. Der Wiederaufbau und die Entwicklung der drei südlichen Provinzen könnten nun vorangebracht werden.
  • Die Anschläge in Afghanistan gingen aber weiter. Am Stadtrand von Kabul sprengte sich am 17. Sept. ein Selbstmordattentäter in der Nähe eines US-Konvois in die Luft. Drei US-Soldaten wurden verwundet, ein afghanischer Zivilist getötet.
    Zuvor war im Süden Afghanistans ein Attentäter mit seinem mit Sprengstoff beladenen Auto in eine kanadische Militärkolonne gerast und hatte einen Passanten mit in den Tod gerissen. Acht Personen wurden verletzt, darunter drei Soldaten.
Montag, 18. September, bis Sonntag, 24. September
  • Die Bundeswehr will nach Informationen der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" in den nächsten Tagen Schützenpanzer vom Typ "Marder" nach Afghanistan verlegen. Das habe Verteidigungsminister Franz Josef Jung verfügt, berichtet das Blatt am 18. Sept. Zuvor hatten sich deutsche Offiziere über eine mangelhafte Ausrüstung in Afghanistan beklagt. Ein Sprecher des Ministeriums wollte keine Stellungnahme zu dem Bericht abgeben.
  • dpa: Ein Selbstmordattentäter hat sich in der südafghanischen Provinz Kandahar inmitten einer Kinderschar in die Luft gesprengt. Dabei wurden zahlreiche Kinder und 14 ausländische Soldaten verletzt. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Soldaten hätten Süßigkeiten an Kinder verteilt, als der Attentäter auf einem Fahrrad auf die Menge zufuhr und den Sprengsatz an seinem Körper zündete. Er selbst kam ums Leben. In Kandahar sind vor allem Kanadier stationiert. (18. Sept.)
    AFP: Bei einem Anschlag in der südafghanischen Provinz Kandahar sind am 18. Sept. vier NATO-Soldaten und "mehrere Zivilisten" getötet worden. Das teilte die NATO-geführte Afghanistantruppe ISAF mit. "Ich kann bestätigen, dass vier ISAF-Soldaten getötet wurden", sagte ISAF-Sprecher Quentin Innis. Andere Soldaten der internationalen Afghanistantruppe seien verletzt worden, doch könne er deren Zahl nicht angeben. AP: Ein Selbstmordattentäter auf einem Fahrrad hat am 18. Sept. im Süden Afghanistans einen Anschlag auf kanadische Soldaten verübt, die Süßigkeiten an Kinder verteilten. Dabei wurden vier NATO-Soldaten getötet und weitere Menschen verletzt, darunter auch Zivilpersonen, wie NATO-Sprecher Major Luke Knittig erklärte. Die Nationalität der getöteten Soldaten teilte er nicht mit. Der Anschlag ereignete sich im Bezirk Pandschwaji in der Provinz Kandahar.
    AFP später am Tag: Bei mehreren Selbstmordanschlägen sind in Afghanistan mindestens 18 Menschen getötet worden, darunter vier kanadische NATO-Soldaten. Bei dem Anschlag auf die NATO-Soldaten nahe Kandahar im Süden des Landes wurden nach Angaben des Kommandeurs der kanadischen Truppen, General David Fraser, zudem mehrere kanadische Soldaten und zwei Kinder verletzt. Die afghanische Polizei gab die Zahl der verletzten Kinder, die gerade um Kugelschreiber und Hefte anstanden, dagegen mit 24 an. Bei einem Selbstmordanschlag in der westafghanischen Stadt Herat kamen elf Menschen ums Leben.
  • Der britische Verteidigungsminister Des Browne hat Fehleinschätzungen der NATO beim Einsatz in Afghanistan eingeräumt. Der massive Widerstand der radikalislamischen Taliban gegen die NATO-geführte Truppe sei überraschend gekommen und binde "mehr unserer Anstrengungen, als wir erwartet hatten", sagte Browne am 19. Sept. in einer Rede in London. Der Widerstand verlangsame den Prozess des Wiederaufbaus und der Neugestaltung. Browne ließ durchblicken, dass er sich eine stärkere Beteiligung anderer NATO-Staaten am derzeitigen Einsatz in dem besonders gefährlichen Süden Afghanistans wünscht. "Alle Partner sollten bereit sein, sich dem gleichen Risiko zu stellen", sagte der Minister.
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat vor einem neuerlichem Erstarken des Terrorismus in seinem Land gewarnt. In seiner Ansprache vor der UN-Vollversammlung in New York sagte Karsai am 20. Sept., angesichts der zunehmenden Gewalt vor allem im Süden Afghanistans hätten die Bemühungen um einen Aufbau demokratischer Strukturen im vergangenen Jahr Rückschläge erlitten. Karsai betonte, Militäreinsätze gegen die Taliban seien im Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan nicht ausreichend. Auch die Zufluchtsstätten von Terroristen jenseits der Grenzen müssten im Blick behalten werden. "Wir müssen zu den Quellen des Terrorismus über Afghanistan hinausschauen", sagte Karsai.
  • Mehrere NATO-Mitglieder sagten unterdessen die Entsendung weiterer Soldaten für die Truppen in Afghanistan zu. Der NATO-Oberbefehlshaber für Europa, General James Jones, erklärte am 20. Sept., Rumänien habe die Stationierung eines Bataillons im Oktober zugesagt. Großbritannien und Kanada wollten ihre Kontingente ebenfalls verstärken. Die polnische Regierung hat bereits die Entsendung eines Bataillons und mehrerer Sondereinsatzkräfte für Januar angekündigt. Damit sei die Anfang des Monats angestrebte Zahl von 2.500 weiteren Soldaten zur Bekämpfung der Taliban in etwa erreicht, sagte Jones. Zurzeit sind in Afghanistan rund 20.000 NATO-Soldaten und weitere 21.000 Mann der US-Streitkräfte stationiert.
    NATO-General Jones erklärte, bei den jüngsten Einsätzen in Südafghanistan seien zwischen 1.000 und 1.500 Taliban getötet worden. Weitere seien zum Rückzug gezwungen worden. Im Kampf gegen den Drogenanbau gebe es dagegen kaum Fortschritte. Nach offiziellen Angaben ist die Opiumproduktion in Afghanistan in diesem Jahr um 59 Prozent auf 6.100 Tonnen gestiegen, das sind 92 Prozent des weltweiten Angebots. Mit den Einnahmen werden demnach Terrorgruppen finanziell unterstützt.
  • Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wirbt für eine Verlängerung des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan. Bei einem Abbruch bestünde die Gefahr eines Rückfalls in die Situation vor fünf Jahren, als das Land "ein Ausbildungszentrum für den Terrorismus war", warnte Jung am 21. Sept. in der Bundestagsdebatte (1. Lesung) über den entsprechenden Regierungsantrag. Danach soll das am 13. Oktober auslaufende Mandat um ein weiteres Jahr verlängert werden. Ansonsten soll das Mandat unverändert bleiben. Auch das Gesamtkontingent beläuft sich weiterhin auf bis zu 3.000 Bundeswehr-Angehörige. Derzeit sind nach den Worten Jungs rund 2.800 Soldaten im Einsatz.
    Die Bundesregierung lehnt eine dauerhafte Verlegung deutscher Soldaten in die umkämpften Regionen im Süden und Osten Afghanistans strikt ab. Ein Einsatz dort komme nur zeitlich begrenzt und in besonderen Notfällen in Frage, erklärte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler am 21. Sept. im Bundestag. Die rund 2800 Bundeswehrangehörigen sind vor allem im relativ ruhigen Norden des Landes im Einsatz. Das Parlament beriet in erster Lesung über eine Verlängerung des deutschen Afghanistan-Mandats um ein weiteres Jahr.
  • Die mühsam zusammengeschmiedete Regierungskoalition in Polen ist im Streit um den Haushalt für 2007 und die geplante Aufstockung des Truppenkontingents in Afghanistan zerbrochen. Nur vier Monate nach der Berufung Andrzej Leppers von der populistischen Bauernpartei Samoobrona zu seinem Stellvertreter kündigte Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski am 22. Sept. dessen Entlassung an. Kaczynski warf dem Ex-Boxer und Schweinezüchter vor, er sei "zu seiner Praxis zurückgekehrt, Unruhe zu stiften". Lepper nannte seine angekündigte Entlassung eine "Gemeinheit". Die von Kaczynski angekündigte Entsendung von 1.000 Soldaten nach Afghanistan hatte Lepper abgelehnt. "Es ging darum, nochmals 40 oder vielleicht hundert Soldaten zu schicken, aber nicht tausend", hatte der Vizeregierungschef gesagt. Die Rede sei davon gewesen, umgerechnet knapp neun Millionen Euro auszugeben und nicht 75 Millionen Euro. Das Geld fehle auf anderen Gebieten.
  • Extremisten haben am 22. Sept. im Süden Afghanistans einen Bus mit Bauarbeitern überfallen und 19 von ihnen getötet. Drei Menschen erlitten Verletzungen, wie das Innenministerium mitteilte. Die Angreifer zündeten den Angaben zufolge zunächst eine Bombe am Straßenrand und schossen dann auf die in Panik geratenen Menschen. Der Anschlag wurde in einem abgelegenen Gebiet der Provinz Kandahar verübt.
  • Ein Zeitungsbericht hat Spekulationen über den möglichen Tod des Chef des Terrornetzwerks El Kaida, Osama Bin Laden, ausgelöst. Nach Informationen saudiarabischer Geheimdienste soll Bin Laden einer schweren Form von Typhus erlegen sein, berichtete die französische Zeitung "L'Est Républicain" unter Berufung auf Dokumente des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE. Der französische Präsident Jacques Chirac wies den Bericht am 23. Sept. als "in keiner Weise bestätigt" zurück. Auch die USA und Pakistan wollten den angeblichen Tod von Bin Laden nicht bestätigen. Bin Laden sei am 23. August in Pakistan an einer schweren Form von Typhus erkrankt, die zu einer Lähmung seiner Beine geführt habe, hieß es in dem Zeitungsbericht. "Seine geographische Isolation wegen der ständigen Flucht scheint medizinische Hilfe unmöglich gemacht zu haben, und am 4. September erhielten die saudiarabischen Geheimdienste die ersten Informationen über seinen Tod", zitierte die Zeitung aus dem DGSE-Dokument. "L'Est Républicain" berichtete weiter, die saudiarabischen Behörden warteten derzeit auf weitere Details, unter anderem auf den exakten Bestattungsort von Bin Laden, bevor sie dessen Tod bekannt geben wollten.
  • NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hat eine weitere Ausdehnung des Einsatzes in Afghanistan angekündigt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Afghanistan wieder zu einem Trainingslager für die gefährlichsten Terroristen der Welt wird", schrieb De Hoop Scheffer in einem Gastbeitrag in der "Bild am Sonntag" (24. Sept.). Die NATO müsse Afghanistan "dabei helfen, auf eigenen Beinen zu stehen, ohne dabei auf die Drogenproduktion angewiesen zu sein". Dies sei der Grund für die Präsenz der NATO in Afghanistan. "Und deshalb werden wir unsere Präsenz weiter ausbauen."
  • Soldaten einer Spezialeinheit der US-Armee in Afghanistan sollen nach Informationen der "Los Angeles Times" vom 24. Sept. im Jahr 2003 wehrlose Gefangene getötet und misshandelt haben. Ein unbewaffneter Bauer sei nach einem schweren Gefecht auf dem Stützpunkt der Spezialeinheit verhört und dann erschossen worden. Ein 18-jähriger Rekrut der afghanischen Armee sei ebenfalls gestorben, nachdem er auf dem Stützpunkt verhört wurde. Die Beschreibungen seiner Verletzungen hätten auf schwere Schläge und andere Misshandlungen hingedeutet. Auch mehrere andere Gefangene seien geschlagen oder gefoltert worden. Im Mittelpunkt der Untersuchung stünden zehn Mitglieder einer Einheit der Nationalgarde des US-Bundesstaates Alabama, heißt es in dem Bericht. Die genannten Vorfälle unterschieden sich deshalb von anderen Tötungsfällen in US-Gefangenschaft, weil sie sogar vor der Militärführung verheimlicht werden konnten.
  • Bei Luftangriffen im Süden Afghanistans sind in den vergangenen Tagen nach NATO-Angaben mehr als 60 mutmaßliche Aufständische getötet worden. Allein am 23. Sept. seien in der Provinz Helmand 40 Taliban-Kämpfer ums Leben gekommen, erklärte das afghanische Verteidigungsministerium am 24. Sept. Die Luftangriffe hätten einen ihrer Stützpunkte im Bezirk Grischk völlig zerstört. Ein NATO-Sprecher sagte, das Bündnis schätze die Zahl der getöteten Kämpfer ebenso hoch ein.
Montag, 25. September, bis Samstag, 30. September
  • Die höchste Vertreterin des afghanischen Frauenministeriums in der Provinz Kandahar ist am 25. Sept. bei einem Anschlag getötet worden. Safia Ahmed-Dschan wurde vor ihrem Haus von zwei Männern auf einem Motorrad erschossen, wie ihre Behörde mitteilte. Sie war für ihr Eintreten für Frauenrechte bekannt und hatte Kandahar auch in den schlimmsten Kriegsjahren nicht verlassen. Die UN-Mission in Afghanistan äußerte sich "entsetzt über diesen sinnlosen Mord."
  • Bei zwei Anschlägen in Afghanistan sind am 26. Sept. mindestens 21 Menschen getötet worden. In der südlichen Provinz Helmand riss ein Selbstmordattentäter 18 Menschen mit in den Tod, als er sich in einer Menschenmenge vor dem Gouverneursgebäude in die Luft sprengte. Nahe der Hauptstadt Kabul starben bei einem Bombenanschlag ein Kind und ein ISAF-Soldat. Bei dem Soldaten handelte es sich nach Angaben der Polizei um einen Italiener. Laut Verteidigungsministerium waren deutschen Soldaten nicht betroffen.
  • Das US-Repräsentantenhaus hat mit großer Mehrheit die Mittel für die Militäroperationen im Irak und in Afghanistan um weitere 70 Milliarden Dollar (55 Milliarden Euro) aufgestockt. Außerdem stimmten die Abgeordneten einem um fünf Prozent auf 448 Milliarden Dollar (353 Milliarden Euro) aufgeblähten Verteidigungshaushalt zu. 394 Abgeordnete votierten am 26. Sept. für den Haushalt, 22 dagegen. Mit einer Zustimmung des Senats wird in den nächsten Tagen gerechnet.
  • Eine deutsch-dänische Militärpatrouille ist im Nordosten Afghanistans unter Beschuss gekommen. Verletzt wurde jedoch niemand, wie das dänische Militär in Kopenhagen mitteilte. Die Patrouille sei auf dem Weg nach Faisabad gewesen, als die Schüsse fielen. 41 dänische Soldaten sind als Teil des von der Bundeswehr geführten regionalen Aufbauteams in Faisabad stationiert. Im Süden Afghanistans sind weitere 290 dänische Soldaten als Teil der internationalen Schutztruppe ISAF stationiert. (dpa, 27. Sept.)
  • Kurz vor der Abstimmung im Bundestag über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr hat Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) vor der "falschen Erwartung" gewarnt, "dass diese Aufgabe kurzfristig zu erledigen wäre". Die internationale Gemeinschaft habe Mitverantwortung für den Aufbau einer neuen Staatsstruktur übernommen, sagte die Ministerin dem "Tagesspiegel" vom 28. Sept. "Wer sich zu früh zurückzieht, der riskiert, dass alles wieder zusammenbricht und das Land wieder zu einem Rückzugsgebiet des internationalen Terrorismus wird."
  • Die Lage in Afghanistan ist offenbar so bedrohlich wie nie zuvor. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung (Ausgabe vom 28. Sept.) klärte der deutsche Botschafter in Kabul, Hans-Ulrich Seidt, den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages am 27. Sept. unter strengster Geheimhaltung über die wahre Gefährdungslage auf. Am 28. Sept. wollte das Parlament das Mandat der 2750 Bundeswehr-Soldaten um ein Jahr verlängern.
  • Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat zu einem weiteren und wenn möglich sogar verstärkten Engagement für Afghanistan aufgerufen. "Wir dürfen uns nicht zurückziehen", warb Steinmeier am 28. Sept. im Bundestag um eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr um weitere zwölf Monate. Steinmeier räumte erhebliche Probleme und auch Rückschläge in dem asiatischen Land ein. "Wahr ist, dass wir uns alle wünschten, dass wir nach fünf Jahren Aufbauarbeit weiter wären, als wir sind", sagte der Minister. Es gebe aber auch Erfolge. So erhielten aufgrund des Engagements der internationalen Gemeinschaft rund sieben Millionen Mädchen und Jungen wieder eine Schulbildung, die ihnen unter dem afghanischen Taliban-Regime vorenthalten worden sei. (Hier geht es zur ganzen Debatte im Bundestag: "So sieht keine Erfolgsstory eines fünfjährigen Militäreinsatzes aus" (Norman Paech).)
  • Die von der NATO geführte Afghanistan-Schutztruppe ISAF soll "so rasch wie praktisch möglich" auch auf den umkämpften Osten des Landes ausgeweitet werden. Ein entsprechender Beschluss soll am 29. Sept. in Kraft treten. Das beschloss der NATO-Rat am 28. Sept. in Brüssel. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist so schlecht wie seit dem Sturz des Taliban-Regimes nicht mehr.
  • Großbritanniens Verteidigungsminister Des Browne hat an die NATO appelliert, die Unterstützung für die Internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) zu verstärken. "Die Verbündeten müssen sich gemeinsam verpflichten, die Regierung und die Menschen in Afghanistan zu unterstützen", sagte er am 28. Sept. in London mit Blick auf das informelle Treffen der NATO-Verteidigungsminister im slowenischen Portoroz. Seitdem Großbritannien die Führung der NATO-Truppen im Süden Afghanistans im Mai übernommen hatte, wurden 33 britische Soldaten bei Kämpfen getötet.
  • Die Lage in Afghanistan wird nach Darstellung der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) zunehmend gefährlicher. Es gebe immer mehr Afghanen, die das Gefühl haben, in einem besetzten Land zu leben, sagte der GTZ-Regionalleiter Afghanistan, Hans-Hermann Dube, der "Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen" vom 28. Sept. Vor allem im Süden des Landes "haben die Menschen das Gefühl, dass sie für die Terroranschläge des 11. September 2001 abgestraft werden". Daher habe sich dort ein neuer Nährboden für Extremismus gebildet hat. Der Trend lasse sich nur durch eine massive und schnell sichtbare Aufbauhilfe umkehren, sagte Dube. "Wir müssen es schaffen, auch die Herzen der extrem konservativen Kreise im Lande zu gewinnen. Gelingt uns das nicht, könnte mittelfristig unsere Arbeit gefährdet werden." Die Bundeswehr und die deutschen Helfer gingen "sehr sensibel mit den kulturellen Besonderheiten des Landes um. Wo dies nicht der Fall ist, beobachten wir aber auch Unmut bei den Menschen."
  • UN-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour hat die zunehmende Gewalt in Afghanistan scharf verurteilt und die vielen Opfer in der Zivilbevölkerung beklagt. "Zivilisten sind indirekt Opfer von Angriffen Aufständischer wie auch von Regierungs- und internationalen Truppen geworden", sagte Arbour am 28. Sept. bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. Hinzu kämen offenbar gezielte Tötungen, wie am 25. Sept. die Ermordung einer Frauenrechtlerin. Safia Ana Jan hatte während der Taliban-Herrschaft heimlich Unterricht für Mädchen organisiert. Arbour erklärte weiter, die Berichte über Verstöße gegen Meinungs- und Religionsfreiheit in Afghanistan nähmen zu.
  • Der Bundestag hat am 28. Sept. mit breiter Mehrheit für die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan um ein Jahr gestimmt. Für den Antrag der Bundesregierung auf eine Mandatsverlängerung um weitere zwölf Monate stimmten 492 von 572 Abgeordneten, dagegen waren 71 Abgeordnete bei neun Enthaltungen. (Siehe: Bundestagsdebatte und namentliche Abstimmung.)
    Die NATO-Verteidigungsminister beschlossen, die Mission der Internationalen Schutztruppe ISAF "in den nächsten Wochen" auf den Osten Afghanistans auszuweiten.
  • Bei einem Anschlag im Süden Afghanistans ist am 29. Sept. wieder ein Soldat der NATO-Truppen getötet worden. Die Nationalität des Soldaten wurde zunächst nicht mitgeteilt. Wie die NATO erklärte, starb der Soldat bei einer Explosion in der südlichen Provinz Kandahar. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt.
  • Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat mit Blick auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr eingeräumt, dass sich die Sicherheitslage in dem zentralasiatischen Land deutlich verschärft hat. "Die Sicherheitslage hat sich verschlechtert. Ich habe bereits vor Monaten angeordnet, dass unsere Soldaten nur noch mit geschützten Fahrzeugen operieren, und wir haben die Aufklärungsmaßnahmen verstärkt", sagte Jung der "Bild"-Zeitung (Ausgabe vom 29. Sept.). Trotz der Gefahren halte Jung das Engagement der NATO für unbedingt notwendig. "Ohne unseren Einsatz und den unserer Partner wird Afghanistan wieder zu einer Ausbildungsstätte des internationalen Terrorismus", sagte der Minister.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am 30. Sept. mindestens zehn Menschen getötet und mehr als 50 weitere verletzt worden. Der Attentäter sprengte am Morgen vor dem Innenministerium in die Luft, als gerade zahlreiche Mitarbeiter zur Arbeit kamen. Der Mann hatte den Sprengsatz gezündet, nachdem er von Sicherheitsbeamten angehalten wurde. Zur Opferzahl gibt es widersprüchliche Angaben: Ein Mitarbeiter des Ministeriums sprach von bis zu 13 Toten. Zu der Tat bekannte sich bisher noch niemand.
  • Die Bundeswehr hilft den ISAF-Partern im umkämpften Süden Afghanistans mit Transportflügen aus. Einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" bestätigte das Verteidigungsministerium in Berlin am 30. Sept. Danach wurden deutsche Hubschrauber und Transall-Transportmaschinen für die Unterstützungsmissionen eingesetzt. Es habe sich hauptsächlich um Flüge zur Evakuierung von Kranken und Verletzten gehandelt, sagte ein Ministeriumssprecher. Der "Spiegel" berichtete, dass allein die Transall-Maschinen in diesem Jahr rund 60 Flüge absolviert hätten, darunter auch Flüge in den Süden. Es seien auch Nachschub und Truppen transportiert worden.


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