Krieg ist kein Mittel der Politik
Erklärung zum Antikriegstag 2008
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
-
Antikriegstag mit 160 Veranstaltungen an 130 Orten
- Vom Kaukasus in eine Neuauflage des Kalten Kriegs?
- Das Völkerrecht steht auf dem Spiel
- Afghanistan: Krieg und Besatzung müssen beendet werden
- Atomwaffen abschaffen - in Büchel anfangen
- Abrüstung ist das Gebot der Stunde
Kassel, 28. August - Zum diesjährigen Antikriegstag (1. September)
erklärt der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag:
Am und um den 1. September herum finden wie in jedem Jahr vielfältige
Veranstaltungen (Vorträge, Diskussionen, Mahnwachen, Infostände bis hin
zu Demonstrationen) statt. Nach unserer Zählung sind es bundesweit über
160 Veranstaltungen in ca. 130 Orten. Den Auftakt am Antikriegstag
selber machen - wieder einmal - der örtliche DGB und das Friedensforum
in Kassel. Um 5.45 Uhr (morgens) wird am Mahnmal für die Opfer des
Nationalsozialismus des Beginns des 2. Weltkriegs gedacht, der an diesem
Tag vor genau 69 Jahren mit dem Überfall auf Polen und der zynischen
Lüge Hitlers "Ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen" entfesselt wurde.
Inhaltlich stehen der Afghanistankrieg, die Atomwaffen und - aus
aktuellem Anlass - die Krise im Kaukasus im Mittelpunkt aller Aktionen.
In fast allen Fällen - auch dies gehört zur Tradition - werden die
Veranstaltungen von Gewerkschaften und lokalen Friedens-Initiativen und
-Bündnissen getragen.
Die kriegerische Auseinandersetzung im Kaukasus ist eine dramatische
Erinnerung daran, dass die Welt Gefahr läuft, die Lehren der Geschichte
zu vergessen.
69 Jahre nach dem Beginn des 2. Weltkriegs, des verheerendsten Krieges
in der Geschichte der Menschheit, stehen die Zeichen wieder eher auf
Konfrontation denn auf Kooperation. Der gegenwärtige Konflikt in
Georgien mag keine alleinige Angelegenheit Georgiens und Russlands sein.
Eine Angelegenheit der NATO ist er aber schon gar nicht. Die
unverhohlenen Drohungen der NATO gegenüber Russland legen den Verdacht
nahe, dass sich das westliche Militärbündnis weit über seine im
Washingtoner Vertrag festgelegten Grenzen hinaus ausdehnen und den alten
und neuen Gegner Russland einkreisen will. Georgien in die NATO
aufzunehmen - was schon der Bukarester NATO-Gipfel fest versprochen
hatte - ist strategisch nichts anderes, als wenn Russland Truppen und
Raketen in Kuba stationieren würde. 18 Jahre nach dem Ende des Kalten
Kriegs steht die Welt an der Schwelle zu einer Neuauflage des Kalten Kriegs.
Die Anerkennung der abtrünnigen georgischen autonomen Provinzen
Südossetien und Abchasien durch die russische Regierung ist nicht mehr
und nicht weniger völkerrechtswidrig, als es die Anerkennung der
serbischen autonomen Provinz Kosovo durch den Westen war. Die
Friedensbewegung hatte vor einem solchen Schritt, der die UN-Resolution
1244 (1999) missachtet, gewarnt und auf das in der UN-Charta
festgeschriebene Prinzip der "territorialen Unversehrtheit" der Staaten
(Art. 2,4) hingewiesen. Diese Warnungen hat die Bundesregierung in den
Wind geschlagen. Mit welchem Recht pochen nun heute Bundeskanzlerin
Merkel und ihr Außenminister Steinmeier auf eben diesen
Völkerrechts-Grundsatz im Fall Georgiens? Wenn das Völkerrecht für alle
gelten soll, dann muss sich jeder daran halten. Mit der Aushöhlung des
Gleichheitsgrundsatzes der UN-Charta wird das geltende Völkerrecht
insgesamt beschädigt.
Solcher Praktiken der doppelten Standards bedient sich der Westen, allen
voran die USA, auch im Irak oder in Afghanistan. Beide Kriege werden
nicht um der Verwirklichung von Demokratie und Menschenrechten Willen
geführt, sondern um sich die Kontrolle über wichtige Energieressourcen
und Transportwege (z.B. für Öl- und Gas-Pipelines) zu sichern. Wir
nennen dies eine räuberische Aneignung fremden Eigentums und fremden
Territoriums. Deutschland beteiligt sich mit 3.500 Soldaten, darunter
einer Kampftruppe (Quick Reaktion Force) und einer sog. Eliteeinheit KSK
(Kommando Spezialkräfte), am Afghanistan-Feldzug. Die "Befreiung" der
Menschen von der Taliban-Diktatur, die "Durchsetzung von
Menschenrechten" und die "Einführung demokratischer Institutionen" sind
hehre Ziele - sie sind (wenn es der Bundesregierung wirklich darum
ginge!) mit Krieg und Militär aber nie und nimmer zu erreichen. Sieben
Jahre Krieg und Besatzung in Afghanistan (der 2. Weltkrieg dauerte "nur"
sechs Jahre) haben dem Land weder Frieden, noch Stabilität, noch
Menschenrechte oder Demokratie gebracht, sondern die Bevölkerung nur
noch weiter ins Elend und in die Arme von Warlords, Taliban und
Drogenbaronen getrieben.
In seinem diesjährigen
Aufruf zum Antikriegstag stellt der DGB zu Recht
fest: "Zusätzliche Stationierungen von Soldaten schaffen keinen
dauerhaften Frieden, wie die Beispiele Afghanistan und Irak zeigen."
Darüber hinaus ist der Bundesausschuss Friedensratschlag der Meinung,
dass auch die bereits stationierten Besatzungssoldaten keinen Frieden in
Afghanistan schaffen. Daher lautet eine der zentralen Forderungen bei
den zahlreichen Veranstaltungen am und um den 1. September: "Truppen
raus aus Afghanistan!" Nur so kann dem Frieden überhaupt der Hauch einer
Chance gegeben werden. Die Friedensbewegung wirbt für eine entsprechende
bundesweite Demonstration am 20. September in Berlin.
Mit einer Aktionswoche und mehreren Aktionscamps macht die
Friedensbewegung schon seit dem Sonntag (24. August) in Büchel auf den
Skandal aufmerksam, dass in Deutschland immer noch eine Anzahl von
US-Atomwaffen lagert. Die Forderung nach Abschaffung aller Atomwaffen
erhebt mittlerweile nicht nur die Bundestagsfraktion der LINKEN, sondern
auch die der GRÜNEN, der SPD und der FDP. Es wird also Zeit, dass die
Bundesregierung handelt und von den USA den Abzug der Atomwaffen aus
Büchel sowie den endgültigen Verzicht auf die sog. atomare Teilhabe
erklärt. Die Aktionen der Friedensbewegung erreichen einen Höhepunkt am
Samstag, den 30. August, mit einer Umrundung des Stationierungsortes,
einer Besenaktionen sowie einer Großkundgebung mit Horst-Eberhard
Richter, Nina Hagen und vielen anderen Gästen.
Der
Aufruf des DGB-Bundesvorstands zum Antikriegstag ist überschrieben
mit der Feststellung: "Krieg ist kein Mittel der Politik". Und der DGB
rechnet vor, dass "derzeit "für militärische Interventionen" mehr Geld
ausgegeben wird "als für den Aufbau ziviler Infrastrukturen." Dies gilt
für Afghanistan, dies gilt aber auch weltweit. Jeder Euro, der für Militär,
Waffen und Krieg ausgegeben wird, fehlt an anderer Stelle. Abrüstung
schafft nicht nur mehr Sicherheit in der Welt, sondern setzt auch Mittel
frei, die für überlebenswichtige zivile Investitionen verwendet werden
können. Abrüsten und nicht aufrüsten, Truppenabzug statt noch mehr
Soldaten, Verhandeln statt Schießen, Entwicklungshilfe statt
Schützenhilfe: Das ist das Gebot der Stunde - nicht nur am Antikriegstag!
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
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