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Nordeuropa zwischen Konflikt und Kooperation mit Russland

Die Ostseepipeline, das Erdgas in der Barentssee und die Angst vor Russland

Von Detlef Bimboes *

Zusammenfassung

Die Auseinandersetzungen zwischen der EU, den USA und Russland sind in den letzten Jahren von erheblichen Spannungen gezeichnet und werden auf weite Strecken mit immer härteren Bandagen geführt. Ein zentraler Streitpunkt ist inzwischen die sichere Versorgung mit Energie geworden. In diesem Zusammenhang schlägt der geplante Bau der Ostseepipeline immer noch hohe Wellen im Ostseeraum. Inzwischen hat die Entscheidung des russischen Präsidenten aufhorchen lassen, die riesigen russischen Gasvorkommen in der Barentssee vorzugsweise der EU und nicht den USA zukommen zu lassen. Deutschland wurde zugesagt, den Energiekonzern Eon an der Ausbeutung zu beteiligen. Ein Teil des geförderten Erdgases soll über die Ostseepipeline nach Europa kommen. Während Norwegen, weltweit drittgrößter Erdgas- und Erdölproduzent, in der Barentssee die Kooperation mit Russland zur Ausbeutung der Erdgasvorräte sucht und deshalb das geplante US-Raketenabwehrsystem ablehnt, hat sich Schweden eindeutig gegen die geplante Ostseepipeline ausgesprochen. Schweden kommt eine Schlüsselrolle zu, das Projekt in Schwierigkeiten zu bringen. Es sieht – darin unterstützt insbesondere von Estland und Polen, aber auch seit kurzem von Finnland - ökologische Risiken und fühlt sich mit diesem Projekt in seiner Sicherheit durch Russland bedroht. Streckenweise war die Abwehr von antirussischer Hysterie getragen und rief dunkle Seiten seiner Neutralitätspolitik nach dem II. Weltkrieg wach. Es ist nicht auszuschließen, dass Schweden auf diese Weise den Boden in seiner Bevölkerung für eine Mitgliedschaft in der NATO bereiten und gleichzeitig seine wirtschaftliche Stellung im Baltikum und Polen ausbauen will. In Polen wird sich das Hauptaugenmerk darauf richten, die starke Stellung des staatlichen schwedischen Energiekonzern Vattenfall noch weiter auszubauen.
Demgegenüber sieht sich Finnland bislang von Russland, mit dem es die längste Außengrenze in Skandinavien teilt, in seiner Sicherheit nicht bedroht. Die Entwicklung Russlands zu einer wieder gefestigten Energiegroßmacht ändert bislang nichts an den Grundlagen finnischer Sicherheitspolitik.


1. Energie in den Frieden statt in die Spaltung Europas investieren

Nach dem Ende der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Pakts haben sowohl die Europäische Union als auch die USA kein Interesse an einer gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung unter Einschluss Russlands gehabt. Die Ostseepipeline ist ein Ergebnis dieser Politik (Bimboes, 2006, S.1). Die Europäische Union und die NATO dehnen sich immer mehr bis an Russlands Grenzen aus, die USA sind maßgeblich an der Politik des Einkreisens und Eindämmens beteiligt. Das von den USA geplante Raketenabwehrsystem ist hierfür ein wichtiger Baustein. Es richtet sich nicht nur militärisch gegen Russland und birgt damit die Gefahr eines neuen Wettrüstens, sondern dient zugleich als Sperr-Riegel, um jede Form einer sachlich begründeten Zusammenarbeit mit Russland zu untergraben (Wimmer, 2007, S. 7). Bewusst sind Tschechien und Polen als Stationierungsorte gewählt worden. Auf diese beiden Länder können sich die USA seit langem politisch verlassen. Damit wird neuerlich ein Spaltpilz in die Europäische Union hinein getragen und es stellt sich immer klarer die Aufgabe nach einem eigenständigen, handlungs- und friedensfähigen Europa. England unterstützt dabei ohne wenn und aber die Politik der USA, wenn man Äußerungen deutscher Diplomaten Glauben schenken darf (Wimmer, 2007, S. 7).

Mittlerweile hat Russland damit begonnen aufzurüsten. Doch bei aller Kritik daran sollte nicht vergessen werden, dass sein Rüstungsetat in 2005 lediglich 4 Prozent des amerikanischen Rüstungsetats und nur 14 Prozent dessen beträgt, was Deutschland, Frankreich, Italien und England zusammen für die Rüstung ausgeben. Das Denken in den Macht- und Gewaltkategorien des 19. Jahrhunderts hat längst wieder Platz gegriffen. Die sich verschärfenden, globalen Auseinandersetzungen sind zugleich Konflikte um Zugang und Besitz der in absehbarer Zeit knapper werdenden Rohstoffe Erdöl und Erdgas. Energiesicherheit und Energieaußenpolitik sind zu beherrschenden Themen der europäischen und internationalen Diskussion geworden.

Nordeuropa steht in diesen Konflikten nicht abseits. Es ist durch die Pläne zum Bau der Ostseepipeline und die neuerliche Bedeutung der Barentssee als heraufziehendes El Dorado der Ölwirtschaft stärker in den Blickpunkt des Interesses gerückt.

Die politischen Auseinandersetzungen um die Ostseepipeline nahmen in Schweden Züge einer regelrechten antirussischen Hysterie an. Neue Gefahren aus dem Osten wurden an die Wand gemalt. Militärische Bedrohungen durch Russland sind ausgemachte Sache. So recht scheint das nicht mit schwedischer Neutralitätspolitik zusammen zu passen und es ist auch zu fragen, was hinter den massiv vorgetragenen Bedenken stecken könnte. Demgegenüber kommen aus Norwegen unterschiedliche Signale und in Finnland verfolgt man die Debatte bei den beiden Nachbarn lediglich sehr aufmerksam. Finnland ist seit 1995 in der EU, kein Mitglied der NATO, aber seit 1994 aktiv am NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ beteiligt und ist auch mit Soldaten im Kosovo und Afghanistan im Einsatz. Die offizielle Politik sieht bislang die Grundlagen seiner Sicherheitspolitik durch Russland nicht berührt (Gamillscheg, 2007, S. 7). Finnland verfügt über große Erfahrungen mit Russland, denn bereits im Kalten Krieg unterhielt es enge – gerade auch wirtschaftliche – Beziehungen mit der damaligen Sowjet-Union. Inzwischen ist Russland wieder einer der wichtigsten Handelspartner. Bei der Ein- und Ausfuhr im ersten Halbjahr 2006 lag Deutschland an erster Stelle, dicht gefolgt von Russland und danach von Schweden. Der Handelsaustausch mit Russland verzeichnet starke Zuwächse, bedingt durch den starken Anstieg der Rohstoff- und Energieimporte. Es ist absehbar, dass Russland bald wieder zum wichtigsten Handelspartner Finnlands wird.

Im Folgenden soll den unterschiedlichen politischen Wegen am Beispiel der Länder Schweden und Norwegen näher nachgegangen werden.

2. Die Ostseepipeline im Elchtest schwedischer Energie- und Sicherheitsinteressen

Schweden kommt eine Schlüsselrolle zu, den Bau der Ostseepipeline (inzwischen Nord Stream Pipeline) durch die Energiekonzerne Gasprom, Eon, Wintershall und Gas-Unie in Schwierigkeiten zu bringen. Die geplante Pipelinetrasse führt rund 500 km durch dessen Wirtschaftszone in der Ostsee und geht dabei dicht an der Insel Gotland vorbei.

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wo die Gründe liegen könnten, weshalb seitens der politischen Klasse Schwedens und seines Militärs so vehement gegen die Ostseepipeline Stellung bezogen wurde. Die Auseinandersetzungen begannen nicht zufällig ab dem Frühsommer 2006 im anlaufenden Wahlkampf zu den Reichtagswahlen. Arbeitsteilig wurden seitens der sozialdemokratischen Regierung anfangs ökologische (s. Kap. 3) und energiepolitische sowie dann von wichtigen Militärs sicherheitspolitische Bedenken geltend gemacht. Nach dem politischen Machtwechsel Anfang Oktober 2006 blieb die neue bürgerliche Regierung auf diesem Kurs. Mit Blick auf die schwedische Energiepolitik - die im Wesentlichen durch den zu 100 Prozent im Besitz des schwedischen Staates befindlichen Energiekonzern Vattenfall bestimmt wird und der bei der Stromerzeugung auf Atom- und Wasserkraft setzt – wurde erklärt, dass der Ausbau der Nutzung von Erdgas keine Zukunft habe und deshalb auch kein Abzweig der Ostseepipeline nach Schweden in Frage käme. Insgesamt wolle man sich nicht von ausländischen Energiequellen abhängig machen. Vattenfall soll als viertgrößter Stromerzeuger und größter Wärmeerzeuger in der EU in Schweden möglichst unangefochten bleiben. Wie immer auch das Verfahren zur Genehmigung der Ostseepipeline ausgeht, unter Berufung auf Sicherheitsfragen wird man den Bau der Pipeline in seiner Wirtschaftszone nicht verhindern können. Das würde gegen die von Schweden unterzeichnete UN-Seerechtskonvention verstoßen.

Welche Bedenken wurden seitens der politischen Klasse im Einzelnen vorgetragen?

Ulrica Messing, Sozialdemokratin und Vorsitzende des parlamentarischen Verteidigungsausschusses, sieht in der Ostseepipeline „eine militärische Bedrohung Schwedens“ und dass sie „Rußland ermöglicht, wieder ein zentraler Akteur in der Ostseeregion zu werden“ (FTD, 2006). Zweifellos würde das zum Ringen zwischen Nato und Russland im Ostseeraum führen. Sicherheitspolitische Bedenken richten sich insbesondere auf eine Betriebs- und Serviceplattform, die vor der Insel Gotland errichtet werden soll. „Wenige Kilometer vor unserer Küste könne diese, so Messing weiter, zur „Spionagebasis“ werden. Nicht genug damit. „Besorgte“ Stimmen nannten die Plattform sogar ein ideales Ziel für Terroristen.

Schwedische Militärs fürchten, dass man mit der Pipeline eine Überwachungskette durch die ganze Ostsee ziehen könne. Seitens des schwedischen Militärforschungsinstituts FOI wurde mitgeteilt, dass es technisch möglich sei, die gesamte Pipeline mit Unterwassermikrofonen zu versehen und so die Ostsee komplett zu kontrollieren. Der neue bürgerliche Verteidigungsminister Mikael Odenberg erklärte denn auch rundheraus, dass Moskau die Pipeline für Militär- und Industriespionage missbrauchen werde. Die Mutmaßungen erfuhren Auftrieb, als Präsident Putin prompt sich das reichlich durchsichtige Argument Schwedens auch noch zu Eigen machte, wonach die Pipeline zum Angriffsziel für Terroristen werden könnte, und ankündigte , dass die baltische Flotte sowohl zum Schutz als auch zur Lösung ökologischer, wirtschaftlicher und technischer Aufgaben eingesetzt werden soll.

2.1. Warum die Ostseepipeline schwedische Interessen stören könnte

Es ist nicht auszuschließen, dass die sowohl aus den Reihen der Sozialdemokratie als auch den bürgerlichen Parteien vorgetragenen Bedenken gegen die Ostseepipeline zwei Ziele verfolgen, die hinter dem Pulverdampf der Auseinandersetzungen verborgen bleiben:

NATO-Mitgliedschaft als Ziel und volle Integration in die Militärpolitik der EU

Die schwedische Bevölkerung soll auf Pläne der bürgerlichen Regierung eingestimmt werden, Schweden noch enger in die verteidigungspolitische Zusammenarbeit mit der EU einzubinden und für einen Beitritt zur Nato „weich geklopft“ werden. Bereits während des zurückliegenden Wahlkampfs hatte sich der damalige Oppositionsführer und jetzige Ministerpräsident Reinfeldt für einen Beitritt zur Nato ausgesprochen.

Schweden ist bereits seit Jahrzehnten mit einer ständigen Delegation beim NATO-Hauptquartier in Brüssel vertreten und beteiligt sich seit 1994 aktiv am NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“. Die Osterweiterung der NATO wird mit Blick auf Russland als stabilitätsfördernd betrachtet. Überdies ist Schweden eng eingebunden in die Europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und am Aufbau weltweit rasch einsetzbarer Kampftruppen („battle groups“) beteiligt. Es hat sich bis 2008 verpflichtet, gemeinsam mit Norwegen, Finnland und Estland eine solche Kampftruppe aufzustellen (Tobergte, 2006, S. 10).

Die Widersprüche, die die Neutralitätspolitik Schwedens nach dem II. Weltkrieg begleitet haben (s. Kap. 2.3), können mit einem Beitritt zur NATO in bedeutendem Umfang „endlich“ aufgelöst werden und schaffen damit Voraussetzungen, die eine vorbehaltlose Integration in die europäischen und transatlantischen militärischen Strukturen erleichtern. Die politisch bestimmenden Kräfte in Schweden haben sich inzwischen ganz die Positionen des militärisch-industriellen Komplexes zu Eigen gemacht. Dazu muss man wissen, dass die schwedische Rüstungsindustrie nach wie vor eine beherrschende Rolle in der Industriepolitik einnimmt und sich mehrheitlich im Besitz amerikanischer, deutscher und englischer Konzerne befindet (Tobergte, 2006, S. 1). Inzwischen hat der ehemalige sozialdemokratische Verteidigungsminister Thage Petterson – und hier unterstützt von der schwedischen Linkspartei – gefordert, dass sich Schweden wieder auf Olof Palmes Positionen zu Krieg und Frieden besinnt. Ein erster überfälliger Anstoß für eine breite Diskussion, die aber bislang noch ohne größeren Widerhall in der Öffentlichkeit geblieben ist.

Ausbau schwedischer Wirtschafts- und Energieinteressen in Polen und im Baltikum

Im Baltikum ist die schwedische Wirtschaft stark mit Direktinvestitionen vertreten. Führende Stellungen halten schwedische Banken und Unternehmen aus den Bereichen IT und Telekommunikation. Große Teile der Medien und wichtige Fernsehstationen in Riga, Vilnius und Tallinn gehören schwedischen Unternehmen. Der staatliche schwedische Energiekonzern Vattenfall ist ebenfalls nicht unbedeutend vertreten.

In Polen haben zwar schwedische Banken und Konzerne kein solches Gewicht wie in den vorgenannten Bereichen, dafür ist aber Vattenfall dort insbesondere im Fernwärmemarkt stark vertreten. Neben dem nordischen und deutschen Markt gehört Polen nach Angaben des Konzerns zu seinen Kernmärkten. Schwedische Verlautbarungen, sich von Russland bedroht zu sehen, fallen natürlich ganz besonders im derzeit rechtskonservativ regierten Polen auf fruchtbaren Boden. Das kann nur von Vorteil gegenüber Konkurrenten sein, da Experten damit rechnen, dass Polens Energiesektor in den nächsten 10 Jahren mehr als 15 Milliarden Euro für Modernisierung und Ausbau ausgeben muss. Investoren warten schon darauf, dass der Privatisierungs- und Liberalisierungsprozess im Energiebereich endlich richtig in Gang kommt. Noch ist die Mehrheit der Kraftwerke wie auch die der Bergwerke in staatlicher Hand (Pöchhacker, 2004, S. 8). Ein Indiz dafür, dass Vattenfall hier mögliche Einkäufe und Beteiligungen mit langem Atem gut vorbereitet und die polnische Regierung freundlich für sich einstimmen will, könnte der geplante Bau eines großen Kohlekraftwerks in Berlin-Lichtenberg sein. Die dafür benötigten zwei Millionen Tonnen Steinkohle pro Jahr sollen aus Polen bezogen werden, das seit langem die Umstrukturierung seines Kohlebergbaus – und damit die Vorgaben von EU und Weltbank - auf dem Rücken der Bergleute austrägt, um die Kohlezechen vor der Privatisierung rentabler zu machen (Bartosz, Hofbauer, 2000, S. 173 ff; Zalega, 2006, S. 6). In einem solchen Umbauprozess wird natürlich mit Wohlwollen betrachtet, wer längerfristige Abnahmeverträge abschließt. Für Steinkohle sprächen – so Vorstände von Vattenfall - die günstigen Preise. Erdgas sei doppelt so teuer und werde noch teurer. Zugleich wird argumentiert, ob „man nicht gerade habe erleben müssen, dass ausländische Gaslieferungen unterbrochen wurden?“ (Rogalla, 2007, S. 20). Spätestens hier drängt sich wieder der Gedanke auf, dass die Abwehr der Ostseepipeline auch nicht wenig mit dem Konkurrenzkampf der Energiekonzerne Eon und Vattenfall zu tun haben könnte. Aufgrund massiver Proteste in Berlin gegen ein mögliches Steinkohlekraftwerk werden die Planungen von Vattenfall bis auf weiteres in den Hinterzimmern von Politik und Verwaltung beraten.

2.2. Umweltschutz als Waffe gegen die Ostseepipeline?

Da die geplante Pipelinetrasse rund 500 km durch dessen Wirtschaftszone in der Ostsee und dabei dicht an der Insel Gotland vorbeiführt, können von Schweden zahlreiche ökologische Einwände gegen den konkreten Streckenverlauf geltend gemacht werden. Das betrifft sowohl ökologisch empfindliche Meeresgebiete als auch Gebiete, in denen große Mengen an chemischer Kriegsmunition nach dem II. Weltkrieg versenkt wurden. Inzwischen haben diese Einwände– die auch von Finnland vor längerem geäußert und nunmehr offiziell im Februar diesen Jahres bekräftigt wurden - dazu geführt, dass die Streckenführung der Ostseepipeline noch einmal überdacht und von neuen Untersuchungen begleitet sein wird. Damit könnte sich der Baubeginn um ein Jahr verzögern. Estland will inzwischen seine Hoheitsgewässer ausdehnen, um bei einer von Finnland gewünschten und geänderten Streckenführung der Pipeline das Projekt möglichst ganz zu kippen.

Vor dem Hintergrund, dass die Ostsee Jahrzehntelang erbarmungslos mit gefährlichem Müll und Schadstoffen aller Art malträtiert wurde und wird, erstaunt doch einigermaßen, dass nun auf einmal eine Pipeline größte Gefahren für die Umwelt der Ostsee mit sich bringen soll. Daher lohnt es sich, einen Blick in das im Jahre 2004 veröffentlichte Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen zum „Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee“ zu werfen. Darin wird ganz nüchtern festgestellt, dass „trotz beachtlicher Entlastungen die schädlichen Einwirkungen auf Nord- und Ostsee bis heute besorgniserregend hoch“ sind (SRU, 2004, S. 29). Hieran hat auch die seit 1992 tagende Helsinki-Kommission (HELCOM) aller Anrainerstaaten der Ostsee praktisch kaum etwas ändern können, da ihre Empfehlungen nur politische Absichtserklärungen geblieben sind (SRU, 2004, S. 38). Im Klartext heißt das, einiges ist zwar seitens der Anrainer getan worden, doch das meiste ist liegen geblieben. Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Umso bemerkenswerter sind nun die plötzlich und geballt, insbesondere von Schweden, den baltischen Staaten und Polen, vorgetragenen Sorgen um den Schutz der Ostsee durch den geplanten Bau der Ostseepipeline. Umweltschutz als Hebel im Interesse der Politik, die Pipeline zu verhindern? Ganz danach sieht es bislang trotz einer Reihe berechtigter Einwände aus! Die Auseinandersetzungen im Rahmen des grenzüberschreitenden Genehmigungsverfahrens in den kommenden Monaten werden zeigen, ob es wirklich sachliche und schwerwiegende Gründe gibt, den Bau ganz zu verhindern. Wie immer das Genehmigungsverfahren ausgeht, die schwedische Politik wird Vorteile davon haben, denn jede Kritik an Russland fällt in Polen und den baltischen Staaten auf fruchtbaren Boden.

2.3. Dunkle Flecken schwedischer Neutralitätspolitik im Kalten Krieg

Der seit langem anhaltende Kurswechsel in Schwedens Politik lässt sich besser verstehen, wenn man sich wenigstens einige wichtige Fakten zu dunklen Flecken und Widersprüchen vergegenwärtigt, die die Neutralitätspolitik nach dem II. Weltkrieg begleitet haben. Ihre Ursachen sind in der ehemaligen Blockkonfrontation, dem herrschenden Zeitgeist des Antikommunismus und natürlich in den landeseigenen Kräfteverhältnissen und Interessen zwischen Politik und Wirtschaft zu suchen. Eingeklemmt zwischen den Blöcken rüstete das bis Mitte der siebziger Jahre fast ununterbrochen sozialdemokratisch regierte Schweden stark auf, um potentielle Angreifer abzuschrecken. Parallel dazu stiegen die Waffenexporte in den siebziger Jahren rasant an, zunehmend begleitet von illegalen Waffenschiebereien. Gleichzeitig setzte sich Schweden auf dem internationalen Parkett nachdrücklich für Frieden und Abrüstung ein, um die ständige Weltkriegsgefahr einzudämmen, was es nicht hinderte, de facto sich den Strukturen des westlichen Nato-Verteidigungsbündnisses anzunähern.

Die Kooperation machte schon früh auch vor verdeckten Operationen des schwedischen Geheimdienstes mit dem britischen Geheimdienst MI 6 und dem CIA nicht halt, die den bewaffneten baltischen Widerstand gegen die Sowjetunion unterstützten und sich dabei ehemaligen Personals samt eines Schnellboots aus der Kriegsmarine Hitler-Deutschlands bedienten (Hess, 2004).

In den frühen sechziger Jahren lagen mit heimlicher Zustimmung der schwedischen Regierung vor der Westküste Schwedens Atom-U-Boote der USA, deren Atomraketen bis Moskau reichten.

In den achtziger Jahren lagen die Beziehungen zwischen Schweden und der Sowjet-Union lange auf Eis. Anlass dafür war, dass auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges im Oktober 1981 ein Atom-U-Boot der sowjetischen Marine auf Spionagefahrt vor der schwedischen Marinebasis Karlskrona strandete. Es kam zu einer regelrechten U-Boot-Hysterie, noch dazu angeheizt dadurch, dass nach diesem Zwischenfall eine ganze Serie weiterer, unbekannt gebliebener U-Boote gesichtet wurde. Der Anteil der schwedischen Bevölkerung, der sich von der Sowjet-Union bedroht fühlte, schnellte in kürzester Zeit von 5 – 10 Prozent in 1980 auf 45 Prozent im Jahre 1983 hoch. Inzwischen ist sich der schwedische Friedensforscher Ola Tunander sicher, dass die angeblichen sowjetischen U-Boote, die von Schweden gejagt wurden, in Wirklichkeit eine der vielleicht erfolgreichsten psychologischen Kriegsführungsaktionen der USA und Englands im ganzen Kalten Krieg war, die überdies von einigen sehr hohen schwedischen Offizieren unterstützt wurde. Gemeinsames Ziel war, die sozialdemokratische Regierung Olof Palme und dessen weltweit beachtetes und breit unterstütztes Aktionsprogramm für Abrüstung und Sicherheit zu diskreditieren, das auch für eine atomwaffenfreie Zone im mittleren, nördlichen und südlichen Europa eintrat. Das Ziel wurde erreicht. Die Initiative Palmes verlor an Strahlkraft und versandete (Tunander, 2004; Pohlmann, 2006). Die USA konnten an den Arbeiten der sog. „Palme-Kommission“ schon allein deshalb kein Interesse haben, weil sich bereits Auflösungserscheinungen im sozialistischen Staatensystem – hier sei insbes. auf das unter Kriegsrecht stehende Polen verwiesen – abzeichneten und jede Stabilisierung des osteuropäischen Staatensystems dem abträglich gewesen wäre.

Bereits vor Beginn der sog. „U-Boot-Affäre“ – ab etwa 1980 – wurde in Schweden US-amerikanische Spionagetechnik gegen die Sowjet-Union eingesetzt, die mindestens bis 1985 zum Tragen kam. Zusätzlich operierte das schwedische Spionageschiff „Orion“ häufig vor der sowjetischen Küste, noch dazu mit amerikanischem Personal an Bord.

Ein weiteres dunkles Kapitel bildete auch die systematische Bespitzelung von Kommunisten und Sympathisanten an ihren Arbeitsplätzen im Kalten Krieg durch einen speziellen Geheimdienst (Informationsbüro „IB“), in dem die sozialdemokratische Arbeiterpartei, das Militär und die Gewerkschaften zusammenarbeiteten. Das Spitzelsystem umfasste 22000 „Vertrauensleute“. Die Existenz des IB blieb bis 1973 geheim und wurde erst durch Jan Guillou, weithin bekannt als Autor zahlreicher Spionage-Thriller, aufgedeckt und dafür wegen Spionage ins Gefängnis musste. Das IB wurde aber erst 1978 nach einigem Hin und Her endgültig aufgelöst.

3. In Norwegen haben nur Militärs Angst vor Russland und die Regierung ist für Zusammenarbeit

Im Gegensatz zu Schweden werden in Norwegen - das kein Mitglied der EU, dafür aber seit 1949 Mitglied der Nato ist - seitens der sozialdemokratischen Mehrheitsregierung nur verhalten Befürchtungen mit Blick auf Russland laut. Die sozialdemokratische Verteidigungsministerin Anne Grete Strøm-Erichsen stellte lediglich fest, dass „wir uns darauf vorbereiten müssen, dass die Entwicklung auch eine andere Richtung nehmen kann, als wir wünschen und erwarten“. Ihr Staatssekretär Espen Barth Eide sekundiert und legt dar, „dass Russland von einer Chaosmacht zur Energiegroßmacht“ geworden sei und dass man sich darauf einstellen müsse“. Im Gegensatz dazu wird die zweite Reihe schon deutlicher. Die militärische Forschungsanstalt in Oslo äußert umstandslos, dass „Russland wieder eine militärische Bedrohung darstellt“. Der Chef des Militärgeheimdienstes drückt dasselbe nur in anderen Worten aus: „man glaube nicht, dass Russland plane, mit seinen militärischen Muskeln zu spielen, doch das Potential sein nicht zu übersehen und darauf müsse Norwegens Sicherheitspolitik ausgerichtet werden“ (Gamillscheg, 2007, S. 7). Allerdings hat die norwegische Verteidigungsministerin jetzt klargestellt, dass Norwegen die Pläne der USA für ein Raketenabwehrsystem ablehnt, weil das die Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs berge (ND-online, 2007). In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass bereits vor einigen Jahren die USA einen ersten Anlauf unternommen hatten, ein solches Abwehrsystem auf europäischem Boden zu stationieren. Dabei ging auch die im äußersten Nordnorwegen liegende Radarstation von Vardö – nur wenige Kilometer vom russischen Flottenstützpunkt Murmansk entfernt – in die Planungen ein. Hier betreiben die USA schon lange ein System zur „Satelliten-Kommunikation“. Russland hatte damals Norwegen offiziell mit „dramatisch verschlechterten Beziehungen“ gedroht, falls es den Standort dafür zur Verfügung stellen sollte.

Die verhaltenen Reaktionen der norwegischen Regierung gegenüber möglichen Bedrohungen durch Russland und die Ablehnung des US-Raketenabwehrsystems werden verständlich, wenn man einen Blick auf die Landkarte im hohen Norden wirft und sich dann an die eingangs gemachte Bemerkung erinnert, dass die Ölkonzerne in der Barentssee ein neues El Dorado heraufziehen sehen. Norwegen, dessen Reichtum größtenteils auf Öl und Gas basiert, ist nur zu bewusst, dass eine umfassende Ausbeutung der Energievorräte und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Barentsseeregion ohne die Zusammenarbeit mit Russland nicht möglich sein (s. u.) wird.

4. Die Barentssee - wieder im Brennpunkt der Interessen

Im Kalten Krieg war die Barentssee ein gefährlicher Brennpunkt, an dem sich NATO und Warschauer Pakt unmittelbar und hoch gerüstet gegenüber standen. Wenige Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt liegt Murmansk, Stützpunkt der ehemaligen sowjetischen und heutigen russischen Nordmeerflotte. Heute ist die Barentssee – ein ökologisch hochempfindliches, an Fischgründen reiches und nicht nur für die norwegische Fischereiwirtschaft äußerst wichtiges Meeresgebiet - wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt durch dort entdeckte gewaltige und weitere vermutete große Erdgasvorkommen.

4.1. Russlands Poker um das Stockmann-Gas

Die von Russland entdeckten Erdgasvorkommen in der Barentssee – die sog. Stockmannfelder – liegen ca. 550 km vor der Kola-Halbinsel. Sie sollen zwischen drei bis vier Billionen Kubikmeter Erdgas enthalten. Es sind die womöglich größten, weltweit neu entdeckten Erdgasreserven und könnten die ganze Welt für ein Jahr und Deutschland für 30 Jahre versorgen.

Beim Stockmann-Projekt galten die USA lange als Vorzugskunde. Das änderte sich im Laufe des letzten Jahres. Auf dem russisch-französisch-deutschen Gipfeltreffen im September 2006 bei Paris teilte Präsident Putin mit, dass die Belieferung auf den europäischen Markt umgestellt würde. Dieser Schritt wird auf US-Sanktionen gegen den russischen Waffenhändler Rosoboronexport, die ablehnende und inzwischen wieder geänderte Haltung der USA zu einem Beitritt Russlands zur WTO und auf die allgemeine Abkühlung der russisch-amerikanischen Beziehungen zurückgeführt. Im Vorfeld seines Deutschland-Besuchs am 10.10.2006 anlässlich des Deutsch-russischen Dialogs in Dresden hatte Putin der Bundeskanzlerin Merkel zugesagt, dem Energiekonzern Eon einen Anteil an dem Gasfeld zu sichern. Frau Merkel habe ihn, so merkte Putin vor geraumer Zeit an, darum gebeten, das Erdgas aus der Barentssee nach Europa zu leiten (Brüggmann, 2006, S. 5). Putin bekräftigte dann auf dem Treffen in Dresden sein Angebot, dass Deutschland der europäische Verteiler für das Erdgas aus dem Stockmannfeld sein könne, sollte das Erdgas aus der Barentssee über die Ostseepipeline nach Greifswald geleitet werden (Ehlers, 2007, S. 3). Die Motive Putins sind unschwer zu erkennen. Deutschland würde ein europäisches Verteilzentrum für russisches Erdgas werden. Zugleich würde ein solcher Pakt zwischen beiden Staaten wechselseitig von Gewinn sein und Voraussetzungen für stabile langfristige Beziehungen mit gegenseitigen Verpflichtungen schaffen.

Die seit geraumer Zeit andauernde, an Hysterie grenzende Debatte um Versorgungssicherheit – und die historisch tief sitzende antirussische Feindbilder aufleben läßt - hat dazu geführt, dass die Bundesregierung einerseits nach Wegen sucht, bei Öl und Gas unabhängiger von Russland zu werden, gleichzeitig aber gern Putins Angebot aufgreift, Eon am Stockmannfeld zu beteiligen. Der Publizist und Russlandexperte Kai Ehlers hält die Debatten inzwischen für die „wohl verlogenste Kampagne, der sich europäische, besonders deutsche Medien seit langem hingegeben haben“ (Ehlers, 2007, S. 3). Heinz Rinke vom „Handelsblatt“ stellt zu der Debatte in einem Kommentar fest, dass „die Sorge vor einer russischen Regierung, die aus politischen Gründen Europa den Gashahn zudrehen könnte, ohnehin maßlos übertrieben wird. Die Abhängigkeit von Produzent und Abnehmer ist auf dem Energiesektor stets eine gegenseitige“ (Rinke, 2006, S. 8). Die seit geraumer Zeit anschwellende Dämonisierung Russlands, die längst den Boden gerechtfertigter Kritik verlassen hat, verheißt nichts Gutes für die Zukunft.

4.2. Norwegens Energie- und Sicherheitsinteressen in der Barentssee

Norwegen ist weltweit nach Saudi-Arabien und Russland der drittgrößte Erdölexporteur und nach Russland und Kanada der drittgrößte Erdgasexporteur. Norwegen liefert allein etwa 15 Prozent des in der EU und etwa 25 Prozent des in Deutschland jährlich benötigten Erdgases. Die zum Eon-Konzern gehörende Ruhrgas AG ist größter Einzelkunde für norwegisches Erdgas. Das Unternehmen ist, um seine starke Stellung besser verteidigen zu können, seit 2002 auch in die Förderung norwegischen Erdgases eingestiegen. Die Wintershall AG arbeitet seit Sommer 2004 vertraglich mit dem halbstaatlichen norwegischen Ölkonzern Norsk Hydro zusammen, der inzwischen mit dem zweiten halbstaatlichen Energiekonzern Statoil zu einem neuen noch namenlosen Branchenriesen für die Energiegewinnung auf hoher See (Offshore) vereinigt wurde.

Der wachsende Energiebedarf und das absehbare Schrumpfen der englischen Öl- und Gasvorräte wird die Konkurrenz um norwegisches Öl und Gas verschärfen. Vor dem Hintergrund der Anstrengungen von EU und Bundesregierung, die Versorgungssicherheit auf möglichst viele Beine zu stellen, hat Norwegen inzwischen zugesagt, seine „jährlichen Erdgas-Ausfuhren“ in die EU „bis 2011von heute 85 auf 120 Milliarden Kubikmeter zu steigern“ (Brüggmann, 2006, S. 5; Store, 2006, S. 3).

Aufgrund bisheriger Untersuchungen vermutet Norwegen auch in seinen Hoheitsgewässern in der Barentssee große Energievorräte. Bisherige Funde haben Hoffnungen geweckt. Vor Hammerfest ist neben dem Ölfeld „Goliat“ das Erdgasfeld „Snøhvit“ entdeckt worden, das mehr als 190 Milliarden Kubikmeter Erdgas enthält und nach seiner Verflüssigung vor allem auf dem südeuropäischen, daneben aber auch auf dem US-Markt abgesetzt werden soll. Der norwegische Ölkonzern Statoil, zu 80 Prozent in staatlichem Besitz, hat die Fa. Linde beauftragt, eine Verflüssigungsanlage zu bauen. Sie soll im Herbst dieses Jahres in Betrieb gehen. Dann wird erstmals Flüssiggas aus der Barentssee in die USA geliefert.

Das Thema „High North“ ist deshalb zu einem der wichtigsten Schwerpunkte der norwegischen Regierung geworden. Unter diesem Thema werden Sicherheitspolitik, Umwelt- und Fischereipolitik sowie eine Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit Russland und anderen Partnern in Norden Europas gebündelt. Bereits seit einigen Jahren findet jährlich eine gemeinsame russisch-norwegische Öl- und Gaskonferenz in Nordnorwegen statt. Auf der diesjährigen Konferenz „Partnerschaft im Norden“ am 30.01.2007 in Kirkenes machte der norwegische Minister für Erdöl und Energie, Odd Roger Enoksen, deutlich, dass die Zusammenarbeit in der Barentssee auf eine gemeinsame norwegisch-russische Regionalentwicklung gerichtet ist, die über das Erdgas hinaus eine nachhaltige Bewirtschaftung aller Naturressourcen zum Ziel hat. Bereits im Jahre 2005 hatte Präsident Putin gegenüber dem norwegischen Premierminister erklärt, dass Norwegen und Russland strategische Partner in dieser Region seien, um die Energievorräte zu erkunden und auszubeuten (Enoksen, 2007). Wenngleich Russland auch im Oktober letzten Jahres erklärt hat, dass es das Stockmannfeld nunmehr allein ausbeuten wolle, so ist doch immer noch nicht völlig ausgeschlossen, dass es Norwegen eine Beteiligung daran anbietet. Hierfür setzt sich der ehemalige Industrieminister und leitende Direktor von Statoil, der Sozialdemokrat Arve Johnsen – unterstützt von der Regierung - mit Nachdruck ein. Für die norwegischen Energiekonzerne wäre eine Beteiligung an der Ausbeutung der Stockmannfelder von großer Bedeutung, könnten damit doch zusätzliche Gasreserven erschlossen werden. Die Zusammenarbeit ist aber auch noch aus einem anderen Grund wichtig. Im seeseitigen Grenzgebiet zwischen Norwegen und Russland gibt es große Bereiche in der Barentssee, in denen Förderrechte von beiden Ländern beansprucht werden können. Im Falle lohnenswerter Funde sind hier Konflikte vorprogrammiert.

4.3. Unabsehbare Gefahren für Mensch und Natur im Kriegsfalle

Nicht weit ab von Murmansk liegen im Gebiet der Kola-Halbinsel und bei Severodvinsk am Weißen Meer für Mensch und Umwelt hoch gefährliche und desaströse Hinterlassenschaften der Nordmeerflotte. Sie wurde seit dem Ende des Kalten Krieges zu einem großen Teil still gelegt. Das geschah aus Alters- und Kostengründen sowie aufgrund von Abrüstungsverpflichtungen, insbesondere aufgrund des Start II-Abkommens. Zu den Überbleibseln zählen schlecht geführte große Lager mit festem und flüssigem hochradioaktiven Atommüll, große Mengen an seit Jahrzehnten in der Barentssee und der Karasee versenkten Atommülls und vor allem fast 300 Nuklearreaktoren aus verschrotteten oder schrottreifen Atom U-Booten (Kronfeld-Goharani, Neuneck, 2002, S. 212). Deutschland beteiligt sich seit 2003 im Rahmen der „Globalen G8-Partnerschaft“mit 300 Millionen Euro an der Entsorgung von rund 120 Atom U-Booten. Voraussichtlich werden die Arbeiten bis 2009 andauern.

Im Falle kriegerischer Konflikte drohen hier unabsehbare Schäden für Mensch und Natur, da Bomben und Raketen stets technische Infrastrukturen, Pipelines und militärische Anlagen zum Ziel haben. Damit würden auch die stark radioaktiven Hinterlassenschaften getroffen und entsprechende Gefahrenpotentiale freigesetzt werden.

Literatur:
  • Bartosz, Julian; Hofbauer, Hannes: Schlesien –europäisches Kernland im Schatten von Wien, Berlin und Warschau, S. 173 ff, Promedia Verlag, Wien 2000;
  • Bimboes, Detlef, (/themen/oel/bimboes.html), Kassel 2006;
  • Brüggmann, Mathias: Experten sehen keinen Versorgungsengpass, in: Handelsblatt Nr. 194, S. 5 vom 09.10.2006;
  • Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU): Sondergutachten „Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee“, S. 29, Berlin 2004;
  • Ehlers, Kai: Im Alleingang über die Stockmann-Felder, in: Freitag Nr. 1, S. 3 vom 05.01.2007;
  • Enoksen, Odd Roger (Öl- und Energieminister von Norwegen): Perspectives for oil and gas offshore developments in the Barents; Rede auf der Konferenz “Partnership in the North”, Kirkenes 30.01.2007;
  • Gamillscheg, Hannes: Besorgter Blick nach Osten, in: Frankfurter Rundschau Nr. 42, S. 7 vom 19.02.2007;
  • Hess, Sigurd: the Clandestine Operations of Hans Helmut Klose and the British Baltic Fishery Protection Service (BBFPS) 1949 – 1956; in: www.nn-webdesign.de/sigurd-hess/article04.html;
  • Kronfeld-Goharani, Ulrike; Neuneck, Götz: die schleichende Verseuchung der Arktischen Region, in: Jahrbuch Ökologie, S. 212 ff, 2002);
  • Pöchhacker, Paul: Polen – Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen in den neuen EU-Mitgliedsstaaten, S. 7 ff, ÖGPP, Wien, Juni 2004;
  • Pohlmann, Dirk: der geheime U-Boot-Krieg der Supermächte, in: www.phoenix.de/der_geheime_u-boot-krieg_der_supermaechte/2006/12/15/0/1
  • Rinke, Andreas: Es brennt nichts an; in: Handelsblatt Nr. 219, S. 8 vom 13.11.2009;
  • Rogalla, Thomas: Wir sind keine Dreckschleuder – Vattenfall verteidigt seine Pläne für ein neues Großkraftwerk in Lichtenberg, in: Berliner Zeitung Nr. 60, S. 20 vom 12. März 2007;
  • "Schweden fürchtet Ostseepipeline", in: Financial Time Deutschland vom 15.11.2006;
  • Store, Gahr (Außenminister von Norwegen): Wir werden Europa mehr Gas liefern; Interview in: Handelsblatt Nr. 219, S. 3 vom 13.11.2006;
  • Tobergte, Christian: Sicherheitspolitik und Streitkräftetransformation in kleineren europäischen Staaten – die Fallbeispiele Niederlande, Dänemark und Schweden, in: Diskussionspapier Forschungsgruppe Sicherheitspolitik Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin 2006;
  • Tunander, Ola: The Secret War Against Sweden:US and British Submarine Deception in the 1980s, Frank Cass-Verlag, London 2004;
  • "US-Raketenabwehr soll 2013 stehen", in: ND-online vom 24.02.2007;
  • Wimmer, Willy: Sperr-Riegel gegen Russland, in: Freitag Nr. 12, S. 7 vom 23.03 2007;
  • Zalega, Dariusz: Polens Zeche – die schwierige Transformation der Region Schlesien, in: Le Monde diplomatique Nr. 9, S. 6/7 vom September 2006
Bearbeitungsschluss: 15. April 2007

* Dr. Detlef Bimboes, geb. 1946, lebt und arbeitet in Wiesbaden


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