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Shtokman-Vorkommen: Gasprom setzt auf europäische Erschließungspartner

Von Oleg Mitjajew, Moskau *

Der Konzern Gasprom hat sich für europäische Unternehmen als Partner bei der Erschließung des Shtokman-Gaskondensat-Vorkommens in der Barentssee entschlossen.

Dies wurde klar, nachdem die norwegische Gesellschaft StatoilHydro, die über riesige Erfahrungen auf dem Gebiet der Gewinnung fossiler Brennstoffe in der Arktis verfügt, Ende Oktober neben dem französischen Konzern Total als ein weiterer ausländischer Partner beim Shtokman-Projekt genannt wurde. Das Nachsehen hatte dabei der US-amerikanische Öl- und Gasgigant ConocoPhillips, der bis zum letzten Moment auf eine Beteiligung an diesem Projekt hoffte.

Das Shtokman-Vorkommen liegt im russischen Arktis-Gewässer 500 Kilometer von der Küste entfernt und verfügt über Vorräte in Höhe von 3,7 Billionen Kubikmeter Gas. Damit gehört es zu den zehn größten Lagerstätten der Welt, ist aber auch schwer zugänglich.

Gasprom wird einen 51-prozentigen Anteil am Projekt halten, während 25 Prozent an Total und 24 Prozent an StatoilHydro gehen sollen. Weitere Beteiligte wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Die Lizenz für die Shtokman-Erschließung wird dabei zu 100 Prozent bei Gasprom bleiben.

Der Projektbetreiber Shtokman Development Company soll bis Ende dieses Jahres gegründet werden und bis Mitte 2009 alle Erkundungsarbeiten sowie die technische Projektierung abschließen. Danach soll ein Beschluss über die Investitionen in die Umsetzung des Projekts getroffen werden, das heute auf 15 bis 20 Milliarden Dollar geschätzt wird.

Laut den bisherigen Plänen soll 2013 die Pipeline in Betrieb genommen werden: Jährlich sollen rund elf Milliarden Kubikmeter Erdgas vom Shtokman-Vorkommen via Russland zur Ostsee-Pipeline gepumpt werden, die nach Deutschland führt. 2014 soll eine Anlage für die Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG) in Betrieb gehen.

Schon seit dem Anfang der 90er Jahre hatten ausländische Großunternehmen die Hoffnung gehegt, Gas auf dem Shtokman-Vorkommen fördern zu können. Zu diesem Zweck wurden sogar diverse Konsortien gebildet. Sie alle konnten aber keine Förderrechte für die Lagerstätte bekommen. Das letzte Kapitel dieser langen Geschichte begann 2004, als Gasprom die Bildung eines weiteren Konsortiums für die Erschließung des Vorkommens in Angriff nahm. 2005 gab nur einige Hauptanwärter auf eine Beteiligung am Projekt, auf der Total, die norwegischen Norsk Hydro und Statoil - bis zum 1. Oktober waren das zwei getrennte Unternehmen - sowie die US-Konzerne Chevron und ConocoPhillips standen. Als ein Schwerpunkt des Projekts galten damals LNG-Lieferungen an den US-Markt.

Diese Pläne endeten aber im Nichts. Im September 2006 erklärte der Monopolist Gasprom, er wolle weiterhin zu 100 Prozent der Shtokman-Besitzer bleiben, während den ausländischen Partnern nur die Rolle von Auftragnehmern angeboten wurde. Darüber hinaus nahm das Nord-Stream-Projekt (Ostsee-Pipeline) zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger reale Konturen an. Es wurde beschlossen, das Shtokman-Gas größtenteils in Richtung Ostseepipeline zu lenken. Recht schnell stellte es sich allerdings heraus, dass es nicht viele Partner gibt, die zu solchen Bedingungen kooperieren möchten. Als Folge entstand das jetzige Kompromiss-Schema. Nach Ansicht einiger Experten könnte dieses Modell später auch für Beteiligungen der größten ausländischen Gesellschaften an anderen Erschließungsprojekten für russische Bodenschätze angewandt werden.

Die Entscheidung zu Gunsten von Total lässt sich damit erklären, dass Frankreich einerseits zu den größten Gasimporteuren in der EU gehört, andererseits eines der wichtigsten Länder im vereinten Europa ist. Die bisherigen Versuche von Total, in Russland zu investieren, endeten mit einem Misserfolg. Mit der Einladung der Franzosen hofft Gasprom auf eine Milderung der neuesten EU-Regelungen, mit denen die Investitionen des russischen Monopolisten in die Energie-Infrastruktur der EU eingeschränkt werden sollen.

Die Norweger, die nicht zur EU gehören und weltweit die drittgrößten Öl- und Gasexporteure sind, hatten von Anfang an als besonders aussichtsreiche Gasprom-Partner gegolten. Sie sind nicht nur bei der Gasförderung auf den Arktis-Lagerstätten Snohvit und Ormen-Lange erfolgreich, sondern verfügen auch über die einzige LNG-Fabrik in Europa.

Der einzige wirkliche Verlierer bei der jüngsten Entwicklung scheint wohl nur ConocoPhillips. Diesem Unternehmen gelang es nicht, seinen Trumpf - die Öffnung des amerikanischen LNG-Marktes - auszuspielen. Bei der jetzigen Konjunktur dürfte es aber kein Problem sein, die LNG-Mengen, die aus den Shtokman-Rohstoffen produziert werden, auch ohne den US-Partner zu verteilen. Hinzu kommt, dass StatoilHydro bereits über einen LNG-Absatzmarkt in Amerika verfügt.

(Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 2. November 2007;
http://de.rian.ru/analysis/20071102/86454502.html



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