Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Regierung treibt Wettrüsten in Asien an

SPD-Wirtschaftsminister Gabriel wird »leider« auch künftig Exportgenehmigungen erteilen

Von René Heilig *

Singapur, Südkorea und Saudi-Arabien gehören zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Möglich macht die Milliardendeals nun Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel hat in den ersten Monaten seiner Amtszeit umfassende Rüstungsexporte an umstrittene Länder und in Spannungsgebiete bewilligt. Von Januar bis Ende April 2014 erteilte sein Ministerium Einzelgenehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 1,177 Milliarden Euro. So äußerte sich die Regierung auf eine Anfrage des Linkspartei-Abgeordneten Jan van Aken.

Die meisten Exporte gingen nach Singapur (rund 195 Millionen Euro), an die USA (166 Millionen) sowie an die Republik Korea (145 Millionen). Auch Saudi-Arabien (31 Millionen), Brunei (97 Millionen) und Algerien (29 Millionen) gehören zu zehn häufigsten Ausfuhrländern.

Das Ministerium betont nachdrücklich, dass damit gut 300 Millionen Euro weniger an Ausfuhren genehmigt worden sind als im selben Zeitraum 2013. Allerdings ist abermals eine Steigerung der Exportgenehmigungen für sogenannte Drittländer – das sind Staaten, die weder zur EU noch zur NATO gehören und diesen Ländern nicht gleichgestellt sind, wie beispielsweise Israel – zu verzeichnen. Sie wuchsen um rund 130 Millionen Euro auf fast 650 Millionen Euro. Bereits 2013 hatte man eine 62-prozentige Steigerung von Rüstungsexporten in diese Staaten errechnet.

Zu den Spitzenreitern unter den Empfängerstaaten gehören wie 2013 Singapur, Südkorea, Saudi-Arabien sowie das nordafrikanische Algerien. Bei dem Export nach Singapur handelt es sich um gebrauchte »Leopard 2«-Kampfpanzer aus Bundeswehr-Beständen. Die Stückzahl der gelieferten Tanks unterliegt gemäß einer zwischenstaatlichen Vereinbarung der Geheimhaltung.

Gabriel macht geltend, dass der weitaus größte Teil der Genehmigungen an Drittländer »auf Entscheidungen der jeweiligen Bundesregierungen aus den vergangenen Jahren« zurückgehe. Gemeint sind damit positiv beschiedene Voranfragen der Hersteller sowie Entscheidungen des geheimen Bundessicherheitsrates. Der Wirtschaftsminister versucht so zu suggerieren, dass seine Unterschrift nur eine unabänderliche Formalie sei. Deshalb werde es auch in den nächsten Jahren noch zu Exporten kommen, sagt Gabriel.

Der Minister baut vor. Unter anderem weil Thyssen Krupp Marine Systems Ende vergangenen Jahres mit dem Stadtstaat Singapur ein 1,6 Milliarden Euro Geschäft über den Bau von zwei U-Booten abgeschlossen hat. Ab 2020 werden sie ausgeliefert und es gibt Optionen über zwei weitere speziell nach Kundenwünschen konstruierte Boote. Die hochmodernen Waffensysteme können bis zu 80 Tage unterwegs sein und davon vier Wochen ununterbrochen tauchen. Mit diesen Pseudo-Atom-U-Booten verändern sicht massiv die strategischen Gewichte. In der Region hat eine neue Runde im Rüstungswettlauf begonnen.

* Aus: neues deutschland, Montag, 19. Mai 2014


Von der Leyen will Bundeswehr eher ins Ausland senden

Mit frühzeitiger Beteiligung an Militäreinsätzen will CDU-Politikerin deutschen Einfluss stärken **

Die Bundeswehr soll sich nach dem Willen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen künftig früher als bisher an internationalen Militäreinsätzen beteiligen. »Wir werden in Zukunft stärker darauf setzen, über eine frühzeitige Beteiligung den Charakter der Missionen mit zu prägen«, sagte die CDU-Politikerin der »Nordwest-Zeitung«. »In der Vergangenheit hat sich Deutschland meist spät an internationalen Missionen beteiligt. Dadurch hatten wir oft nicht die Möglichkeit, über die Ausrichtung der Einsätze mitzuentscheiden.« Diese Ankündigung von der Leyens dürfte die Kritiker der Bundesregierung in ihrer Ansicht bestärken, derzufolge die Große Koalition ihre Außenpolitik zunehmend militarisiert.

Den Soldaten der Bundeswehr stellte die Verteidigungsministerin derweil im Rahmen ihrer Plänen für eine »familienfreundliche« Bundeswehr auch finanzielle Verbesserungen in Aussicht. »Da geht es nicht nur um gute Kinderbetreuung, flexiblere Dienstzeiten und die Begrenzung von Versetzungen. Ich möchte, dass es Verbesserungen bei Rente, Trennungsgeld und Umzugskosten gibt«, sagte die CDU-Politikerin dem Blatt. Nähere Angaben machte die Ministerin nicht, sie kündigte aber an, ihre Pläne in Grundzügen am 4. Juni vorzustellen.

** Aus: neues deutschland, Montag, 19. Mai 2014


Mitgegangen, mitgefangen

René Heilig über den fehlenden Mut zu einem Nein bei Militärmissionen ***

Bislang beteiligte sich Deutschland meist spät an internationalen Missionen. Dadurch habe man oft nicht die Möglichkeit gehabt, über die Ausrichtung der Einsätze mitzuentscheiden, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Mag sein – trotz der mannigfachen Präsenz in zahllosen Gremien und Stäben. Aber wie weit geht dann die Mitsprache? Darf man auch Nein sagen? Obgleich diese Ablehnung nicht von jener grundsätzlichen Natur wäre, die Linken und andere Friedensfreuden vorschwebt – dieses Nein wird es nicht geben. Zu vielfältig sind die politischen und militärischen Verknüpfungen in NATO- oder EU-Bündnissen. Und das liegt nicht nur an der viel beschworenen, doch nicht existenten gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.

Mitgegangen, mitgefangen. Auch künftig wird man, wo auch immer Einsätze bevorstehen, schnelle Lösungen vorgaukeln. Siehe UN-Mission in Mali. Doch bleiben Erfolge aus. Also ruft man nach mehr Truppen. Der NATO-Partner Niederlande schickt Spezialeinheiten samt Kampfhubschrauber. Wie lange wird man Deutschland noch nur Nachschub fliegen lassen? Irgendwann hilft auch kein kluges Taktieren mehr. Siehe Ukraine. So sehr man auch in Berlin um eine von Vernunft getragene Lösung bemüht ist – man traut sich nicht, den US-Schlachtruf an die Front zu überhören.

*** Aus: neues deutschland, Montag, 19. Mai 2014 (Kommentar)


Zurück zur Rüstungs- und Rüstungsexport-Seite

Zur Rüstungs- und Rüstungsexport-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Bundeswehr-Seite

Zur Bundeswehr-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage