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Fesseln für den Waffenhandel

UNO-Konferenz will internationales Abkommen vereinbaren

Von Olaf Standke *

Die Begrenzung des weltweiten Waffenhandels ist Ziel einer UN-Konferenz, die am Montag in New York begann. In vier Wochen soll ein internationaler Vertrag unterzeichnet werden.

Ein »kraftvolles« Abkommen zur Kontrolle des globalen Waffenhandels (Arms Trade Treaty) hat jetzt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) von der UN-Konferenz in New York verlangt. Die Hilfsorganisation hofft auf ein Verbot von Lieferungen, »wenn zu erwarten ist, dass der Empfänger der Waffen vorhat, Kriegsverbrechen damit zu begehen«. Die exportierenden Staaten müssten prüfen, ob ein erhebliches Risiko für Völkerrechtsverletzungen besteht. Ähnlich die Forderungen von Amnesty International: Der globale Waffenhandel sollte mit einem rechtlich verbindlichen Vertrag an die Einhaltung der Menschenrechte geknüpft werden, so Wolfgang Grenz, Generalsekretär der deutschen Sektion, am Montag.

Beide Organisationen wissen aus ihrer Arbeit in Krisen- und Konfliktgebieten nur zu gut, welche verheerenden Folgen die Lieferung und der Einsatz konventioneller Waffen haben, von Pistolen und Gewehren bis zu Geschützen, Panzern, Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen. Allein 900 Millionen Handfeuerwaffen sind nach Expertenschätzungen inzwischen in der Welt, statistisch gesehen trägt jeder achte Erdenbürger eine, Kinder eingerechnet. Milliarden Projektile werden verschossen. Den Vereinten Nationen zufolge sterben jedes Jahr 200 000 bis 400 000 Menschen durch Waffen, allen voran in den Konfliktgebieten Afrikas. Sogenannte Kleinwaffen sind heute die wahren Massenvernichtungsmittel.

Der globale Waffenhandel hat einen Jahresumsatz von 300 Milliarden Dollar erreicht. Laut Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI ist er in den letzten fünf Jahren um fast ein Viertel gewachsen, ungeachtet der Finanz- und Wirtschaftskrise. Wobei allein auf die USA über 30 Prozent entfallen und Deutschland inzwischen zum drittgrößten Rüstungsexporteur nach Russland aufgestiegen ist. Vor diesem Hintergrund habe sich die UN-Konferenz »relativ bescheidene Ziele gesetzt«, wie der Kieler Experte für Sicherheitspolitik Prof. Joachim Krause mit Blick auf die angestrebten gemeinsame Richtlinien für zulässige Waffenexporte formuliert. Und selbst die sind umstritten. So weist das DRK darauf hin, dass der neue Vertrag auch den Handel von Munition abdecken müsse - die USA wollen das mit Hinweis auf die Schusswaffenrechte ihrer Bürger aber verhindern.

Andere Staaten wie China sperren sich gegen die Erfassung von Waffenkomponenten, die in Empfängerländern zusammengefügt werden. Vor allem die großen Exporteure, aber auch wichtige Käufer wie Indien sind nicht an einem strengen Abkommen mit umfassenden, transparenten Regulierungen interessiert. Trotzdem sieht AI-Generalsekretär Grenz durchaus Chancen für ein wirksames Abkommen, weil es von einer Mehrheit der 193 UN-Mitglieder angestrebt werde.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. Juli 2012


Goldene Regel

Von Olaf Standke **

Natürlich wäre es die beste aller Lösungen, jeglicher Rüstungsexport würde grundsätzlich verboten, wie es die Kampagne »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel« fordert. Doch davon ist die real existierende Welt mit ihren dominierenden Profit- und geostrategischen Interessen von Rüstungskonzernen und Staaten noch weit entfernt. Ein erster Schritt könnte jetzt aber in New York gemacht werden. Dort verhandeln die 193 UN-Mitgliedstaaten über einen Waffenhandelsvertrag, der weltweit zumindest Verkäufe verhindern soll, die zu massiven Verletzungen von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts führen. Von einer »Goldenen Regel« sprechen die Nichtregierungsorganisationen, die sich seit zwei Jahrzehnten bemühen, strenge Rüstungsexportkontrollen juristisch verbindlich festzuschreiben.

Wie schon in Sachen Landminen und Streumunition ist es ein Erfolg der Zivilgesellschaft, dass dieses Thema endlich auf dem diplomatischen Parkett angekommen ist. Allerdings müssen dort in den nächsten vier Konferenzwochen noch einige Hindernisse ausgeräumt werden. Mächtige Rüstungsexporteure wie die USA oder Russland, aber auch große Waffenkäufer wie Indien oder Saudi-Arabien wollen weiter umfassende Regulierungen verhindern. Und dass die besten Richtlinien wenig nützen, wenn es keine internationale Kontrolle und Ahndung gibt, zeigt das Beispiel Deutschlands, das mit seinen angeblich so strengen Selbstbeschränkungen zum weltweit drittgrößten Waffenlieferanten aufstieg.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. Juli 2012 (Kommentar)


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