Merkels Leoparden
Die Bundesregierung setzt in ihrer Außenpolitik verstärkt auf Rüstungsexporte
Von Olaf Standke *
Geheim bleibt geheim, wenn es um Rüstungsexporte geht, ließ die Bundesregierung am Montag mitteilen. Man sehe »keinen Grund, an dieser Staatspraxis, die seit Jahrzehnten geübt wird, etwas zu ändern«, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Oft erfährt man erst mit monatelanger Verzögerung im regierungsoffiziellen Rüstungsexportbericht, wohin deutsche Waffen geliefert wurden. Begründet werden Entscheidungen auch dann nicht. Dabei besteht nach den jüngsten Enthüllungen über geplante Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und Israel erheblicher Informationsbedarf. »Der Bundessicherheitsrat hat in seiner letzten Sitzung einmal mehr zur weiteren Destabilisierung des Nahen Ostens beigetragen, indem er den Export von Waffen für den Häuserkampf an die israelische Armee genehmigte und Möglichkeiten zum Export von Radpanzern des Typs Boxer an Saudi-Arabien prüft«, kritisiert etwa Inge Höger, abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag.
Saudi-Arabien hatte schon zuvor großes Interesse an deutschen Kampfpanzern vom Typ »Leopard 2« gezeigt - wozu sich Seibert auch gestern nicht äußern wollte. Er würdigte die autoritär regierte Monarchie mit ihrer desaströsen Menschenrechtspolitik allerdings als »Stabilitätsfaktor in der Region« - wovon etwa die Oppositionsbewegung im benachbarten Bahrain ein Lied singen kann. Als der »Arabische Frühling« auch das kleine Königreich am Persischen Golf erreichte, schickte Riad Truppen, um die Proteste niederzuschlagen. Deutsche Waffenschmieden lieferten in den beiden letzten Jahren an Saudi-Arabien Kriegsgüter im Wert von über 290 Millionen Euro.
Im Sommer ließ Krauss-Maffei ein Exemplar des »Leopard 2« in der saudischen Wüste testen, unter Aufsicht eines Bundeswehroffiziers. Ein Jahr zuvor hatte die Bundesregierung eine Voranfrage aus Riad zum Kauf von 270 Kampfpanzern positiv beschieden. Auch Katar ist stark interessiert, von 200 Panzern ist dort die Rede - ein Waffendeal mit einem Volumen von fast zwei Milliarden Euro. Deutschen Rüstungskonzernen muss also auch in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht bange sein. Laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI haben sie zwischen 2007 und 2011 ihre Exporte überdurchschnittlich gesteigert, um ein Viertel gegenüber den fünf Jahren zuvor. Deutschland belegt hinter den USA, die einen Anteil von 30 Prozent an den weltweiten Waffenverkäufen haben, und Russland (24) mit neun Prozent Platz drei. Dabei war Griechenland mit 13 Prozent des Gesamtvolumens der größte Abnehmer deutscher Rüstungsgüter. Israel und die Türkei bestellten U-Boote bei der Kieler Werft HDW. Die Konzerne Rheinmetall und MAN wollen den Transportpanzer Fuchs künftig in Algerien produzieren. In Saudi-Arabien baut die EADS-Tochter Cassidian eine Grenzsicherungsanlage...
Zwar ist die Ausfuhr von Kriegswaffen laut jüngstem Rüstungsexportbericht Berlins im Vorjahr zurückgegangen, vom Rekordwert 2,1 Milliarden Euro 2010 auf 1,28 Milliarden Euro. Doch hat Schwarz-Gelb zugleich deutlich mehr Rüstungsexporte genehmigt: 5,4 Milliarden Euro, sind ein Plus von fast 14 Prozent. Rund 42 Prozent dieser künftigen Lieferungen sind für »Drittstaaten« bestimmt, darunter viele autoritär geführte Länder wie Saudi-Arabien, Algerien, das u.a. Transportpanzer im Wert von 217 Millionen Euro erhalten soll, oder die Vereinigten Arabischen Emirate, auf die Genehmigungen im Wert von 357 Millionen Euro entfallen, etwa für Torpedos, Sprengvorrichtungen, Minenjagdboote. Die indonesische Regierung erwartet demnächst die erste Lieferung von insgesamt 100 Leopard-Kampfpanzern und 50 Marder-Schützenpanzern.
In diesem Jahr wurden bereits sechs Hermes-Bürgschaften freigegeben, mit denen Berlin Waffengeschäfte staatlich absichert. Darunter sind politisch so brisante Garantien wie jene für Ägypten über 700 Millionen Euro und für Israel über 405 Millionen zum Kauf von U-Booten der HDW in Kiel. So wird vorangetrieben, was Kanzlerin Angela Merkel unlängst zur außenpolitischen Doktrin erklärt hat: die Durchsetzung geostrategischer Interessen Deutschlands mit Hilfe verstärkter Rüstungsexporte.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 04. Dezember 2012
Für Riad werden alle Augen zugedrückt
Bei seinem besten Waffenkunden in Nahost vergisst Deutschland alle demokratischen Standards
Von Karin Leukefeld **
Seit Beginn des »Arabischen Frühlings
« ist es um Saudi-Arabien auffällig
still geworden. Nur wenn es um
neue Waffenlieferungen aus Deutschland
an das Königreich am Golf geht,
um »Leopard« oder »Boxer«, machen
die Saudis Schlagzeilen.
Bei so enger Waffenbrüderschaft
sieht man in Deutschland offenbar
darüber hinweg, wie repressiv es
bei den »Hütern der heiligen Stätten
von Mekka und Medina«, dem
saudischen Königshaus zugeht.
Nicht nur christliche Gotteshäuser
sind in dem von dogmatischen
Wahhabiten kontrollierten Saudi-
Arabien verboten, selbst das Abhalten
eines Gottesdienstes in der
eigenen Wohnung kann zum Verhängnis
werden. Demonstrationen
oder »soziale Unruhen« sind illegal
und können mit dem Tode bestraft
werden. Dafür sorgte erst im
März der saudische Religionsrat
mit einer entsprechenden Fatwa,
einem religiösen Richterspruch.
Die Liste mittelalterlich anmutender
Restriktionen ist aber noch
wesentlich länger. So gibt es Frauenrechte
nur im Rahmen der »religiösen
Tradition«. Um Arbeit zu
finden oder zu reisen, bedürfen
Frauen der Genehmigung des
»männlichen Beistands«, Autofahren
ist ihnen nicht erlaubt.
Selbst das Wahlrecht wurde Frauen
erst kürzlich und auch nur zum
Teil zugestanden: für die Wahl in
zwei Jahren.
Die schiitische Minderheit im erdölreichen
Osten des Landes wird
unterdrückt. Meinungs-, Presseund
Organisationsfreiheit sucht
man vergebens. Es gibt kein Parlament,
Parteien und Gewerkschaften
sind verboten. Trotzdem
sind alle großen deutschen Entwicklungsorganisationen
in Saudi-Arabien vertreten. Die polizeiliche
und militärische Zusammenarbeit
ist durch Partnerschaftsabkommen
gesichert. Wirtschaftlich ist
Deutschland mit Saudi-Arabien
zusätzlich über den von Riad dominierten
Golfkooperationsrat
verbunden.
In anderen arabischen Ländern
gibt Riad dagegen vor, Demokratie
und Meinungsvielfakt zu
unterstützen – in Syrien und unter
Einsatz von viel Geld und Waffen.
Riad rief 2011 als erster Staat nach
einer NATO-Intervention in Libyen.
Für einen ähnlichen Einsatz in
Syrien will man die Kosten übernehmen.
Von den Saudis bezahlte
Dschihadisten tragen mit ihren
Kampferfahrungen in Afghanistan,
Irak und Libyen schon seit
Monaten zur Militarisierung des
Konflikts in Syrien bei. Gemeinsam
mit Katar ist Saudi-Arabien
der wichtigste Financier des bewaffneten
Aufstands gegen die syrische
Führung.
Der britische Sender BBC filmte
im Oktober in einem Stützpunkt
der Aufständischen in einer Moschee
in Aleppo eine Kiste von einer
Waffenfabrik in der Ukraine,
die an das saudische Verteidigungsministerium
adressiert war.
Saudische Geheimdienstoffiziere
führen – mit türkischen, katarischen
und jordanischen Kollegen –
militärische Operationen der Aufständischen
in Syrien. Ihre »Operationsräume
« liegen in Jordanien,
Libanon und in der Türkei, wie
die libanesische Tageszeitung »Al
Akhbar« kürzlich berichtete. Nach
Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters
des libanesischen Abgeordneten
Okab Sakr liefert letzterer
für Saudi-Arabien Waffen und
Geld an die Aufständischen. Mit
saudischen Geheimdienstoffizieren
soll Sakr die militärische Lage
der Aufständischen und sogar bewaffnete
Angriffe in Syrien angeordnet
haben, berichtete auch die
» New York Times«.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 04. Dezember 2012
God bless Arabia
Deutsche Waffen für die Saudis
Von Arnold Schölzel ***
Am 3. März 1938, vor knapp 75 Jahren, begann in der Wüste der arabischen Halbinsel eine wunderbare Freundschaft. An jenem Tag stieß die Standard Oil of California, derzeit Chevron, auf die erste kommerziell wichtige Ölquelle in dem 1932 gegründeten wahhabitischen Gottesstaat. Der Segen, auf dem die islamistische Monarchie beruht, läßt sich – theologisch eine Einmaligkeit – quantitativ erfassen: Die auf etwa zehntausend Mitglieder geschätzte herrschende Prinzengarde von Riad, verfügt über ein Viertel der weltweit bekannten Ölvorräte und über sechs Billionen Kubikmeter Erdgasreserven. Wer sich himmlischen Wohlwollens so sichtbar erfreut, hat nur Freunde. Oder anders: Der Satz des Lord Palmerston, in der Außenpolitik gebe es weder ewige Freunde noch Feinde, nur ewige Interessen, ist für Saudi-Arabien seit 75 Jahren außer Kraft. Riad lebt seither mit Washington in brüderlicher Symbiose. Mehr Stabilität geht nicht.
Die Bundeskanzlerin hat daher völlig Recht, wenn sie für deutsche Rüstungsexporte eine Lex Saudi-Arabien erfunden hat. Es liege »in unserem Interesse«, dozierte sie im November vor Bundeswehroffizieren, »wenn wir Partner dazu befähigen, sich für die Bewahrung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in ihren Regionen wirksam einzusetzen«. Für alle anderen »Partner«, einschließlich Israel, gilt das in keinem vergleichbaren Maß wie für das Land, das gerade einen Aufstand für Demokratie im Nachbarkönigreich Bahrain niederschlagen half. Wenn sich versiffte Fundamentalisten, also Heuchler besonders extremer Art, die sich im saudischen Fall vorzugsweise in den Bordellen und gehobenen Schnapsspelunken zwischen London und Beirut aufhalten, so um gemeinsame Werte kümmern, dann sind sie jede Panzerlieferung wert. Hinzu kommt: Die Saudis untermauern Wertegemeinschaft stets persönlich. Zwischen dem »House of Saud« und dem »House of Bush«, das mit George senior und George W. Junior zwei US-Präsidenten stellte, entstanden so herzliche Bande, wie sie zwischen Dschihadisten möglich sind – die Berufung auf Mohammed oder Jesus ist da ohnehin egal. 1,4 Milliarden US-Dollar sollen aus saudischen Kassen innerhalb von 20 Jahren in Unternehmen geflossen sein, an denen die Bushs Aktien hatten. Im Gegenzug geschah das Wunder vom 11. September 2001: Fast niemand durfte in den USA nach den Attacken dieses Tages ein Flugzeug besteigen, lediglich 140 zumeist königliche Saudis, die in acht Maschinen abreisten. Kein Zufall, daß die Mehrheit der Attentäter jenes Tages aus dem Öl- und Islamistenstaat stammte – der Freundschaft tat das keinen Abbruch. Den fälligen Krieg führte Bush junior gegen Afghanistan und gegen den Irak. Die deutsche Pfarrerstochter liegt mit ihrer Stabilitätsrüstungsdoktrin beim superstabilen Saudi-Arabien also völlig richtig. Solange das Öl reicht. Oder vorher die Monarchie und Gottes Segen verschwinden.
*** Aus: junge Welt, Dienstag, 04. Dezember 2012 (Kommentar)
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