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Rüstungsgeschäfte beim deutsch-französischen Gipfel

Bei Rüstungsprojekten ist man sich schnell einig

Das 75. deutsch-französische Gipfeltreffen, das am 9. Juni in Mainz stattfand, endete in allgemeinem Wohlgefallen. Bundeskanzler Schröder teilte der Presse mit: "Wir sind uns in den wesentlichen Fragen der EU-Reform ausnahmslos einig", schwieg aber über die vereinbarten Details. "Hand in Hand" wollen Chirac und Schröder die nächsten Schritte der EU bewältigen.

Frankreich kam der Berliner Regierung offenbar beim Wunsch entgegen, bei der künftigen Stimmgewichtung in der EU auch eine Berechnung mit Hilfe der Bevölkerungsstärke vorzusehen. Dies würde den Einflus Deutschlands erhöhen - zu Lasten der kleineren Länder. Die werden wohl bald auch das Nachsehen haben, wenn es um die Verteilung von EU-Kommissionsposten geht. Deren Zahl soll nämlich verkleinert werden, so dass nicht mehr jedem Land ein Posten zugestanden werden wird. Doch die Einzelheiten werden von den Außenministern weiter besprochen. Ein fertiger Plan soll bis zum nächsten Gipfel im Dezember vorliegen. Die europapolitischen Ergebnisse waren also sehr bescheiden. Warum die Frankfurter Rundschau in einem Kommentar diese magere Ausbeute als neues "deutsch-französisches Hoch" verkaufen möchte (FR, 10.06.00), bleibt ihr Geheimnis.

Die eigentliche Bedeutung erhielt der deutsch-fanzösische Gipfel indessen durch seine rüstungspolitischen Entscheidungen. Obwohl Chirac und Schröder ihrer Sorge darüber Ausdruck verliehen, dass das geplante US-Raketenabwehrsystem NMD ein neues Wettrüsten provozieren könne, hatten sie keine Bedenken, selbst ein paar aufrüstungspolitische Entscheidungen zu treffen. Die Bundesregierung entschied, bis zu 75 Transportflugzeuge Airbus A400M zu kaufen. Gesamtkosten: etwa 20 Mrd. DM. Und schon verlautet aus dem Verteidigungsministerium, dass die Kosten nicht allein aus dem Ressort von Scharping getragen werden können. Die ersten Airbusse sollen ab 2008 an die Bundeswehr geliefert werden. Frankreich hatte sich bereits zuvor zu diesem Schritt entschlossen; es will bis zu 50 Flugzeuge anschaffen. Das Airbus-Transportflugzeug erhielt von der Bundesregierung den Zuschlag, obwohl Berlin lange Zeit ein russisch-ukrainisches Modell favorisiert hatte. Frankreich, Spanien und Großbritannien hatten sich schon zuvor für den Airbus entschieden. In einer Gipfelerklärung heißt es, dass Deutschland und Frankreich eine Zusammenarbeit der Airbus-Industrie mit Russland und der Ukraine "wünschen".

Frankreich und die BRD erklärten auch die Absicht, ein gemeinsames Satellitensystem im Weltall zu stationieren. Deutschland sucht dafür die Beteiligung Frankreichs am Radar-Satellitenprogramm Sar Lupe. Frankreich unterhält bereits den Aufklärungssatelliten Helios I. Dabei handelt es sich aber bisher lediglich um eine "Absichtserklärung". Der so genannte Satelliten-Aufklärungsverbund soll laut Gipfelerklärung "unabhängig" sein. Unklar ist, ob er damit außerhalb der Nato-Aufklärungsstrukturen arbeiten soll. Nach Informationen aus deutschen Regierungskreisen will das Verteidigungsministerium das Radar-Aufklärungssystem Sar Lupe ins Weltall schießen und die Aufklärungsergebnisse in der Nato teilen. Damit stünde Deutschland, so vermutet die Süddeutsche Zeitung (10.06.00) "im Gegengeschäft auch mehr US-Aufklärungsmaterial zur Verfügung".

Zwei Dinge kommen einem bei Betrachtung des Mainzer Gipfels in den Sinn: Einmal die alte Losung aus den 70er und 80er Jahren, die heute - leicht abgewandelt - so lauten könnte: "Für Europa tun sie nix - in der Rüstung sind sie fix." Zum anderen ist an den rot-grünen Koalitionsvertrag zu erinnern, in dem es seinerzeit hieß, dass die Bundesregierung vor einer endgültigen Entscheidung über eine Reform der Bundeswehr "keine Sach- und Haushaltsentscheidungen getroffen" würden, "die die zu untersuchenden Bereiche wesentlich verändern oder neue Fakten schaffen." Nun, die Anschaffung des neuen Transportflugzeugs Airbus A400M und der Einstieg in eine eigene Satellitenaufklärung SAR Lupe sind solche "neuen Fakten". Wird es deshalb einen Aufschrei beim grünen Koalitionspartner geben? Dumme Frage: natürlich nicht!

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