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Rheinmetall besticht gut gerüstet

Der Düsseldorfer Konzern steht in Delhi unter Korruptionsverdacht

Von Hermannus Pfeiffer *

Korruption ist im Rüstungsgeschäft üblich. Nun hat es auch den Düsseldorfer Konzern Rheinmetall erwischt. Die Luftverteidigungssparte des börsennotierten Unternehmens steht laut Medienberichten in Indien unter Korruptionsverdacht. Danach will das Verteidigungsministerium in Delhi Rheinmetall auf die schwarze Liste setzen. Der Konzern wäre damit von sämtlichen Ausschreibungen in dem Milliardenmarkt ausgeschlossen.

Unter Verdacht steht Rheinmetall Air Defence mit Sitz in Zürich. Bis zum Kauf durch die Düsseldorfer war die Hochtechnologie-Rüstungsschmiede der Schweiz unter dem Namen Oerlikon weltweit einschlägig bekannt. Indiens Bundespolizei will auch noch fünf weitere Unternehmen aus Singapur, Israel, Russland und Indien auf die schwarze Liste setzen. Den Firmen werden illegale Zuwendungen an den 2009 zurückgetretenen und anschließend festgenommenen Chef des Industriekonzerns des Verteidigungsministeriums, Sudipta Ghosh, vorgeworfen. Indiens Militär unterhält eigene Fabriken für die Produktion von Transportfahrzeugen, Munition und Kanonen.

Rheinmetall bestreitet die Vorwürfe. Ein Sprecher erklärte: »Rheinmetall Air Defence hat sich in Indien nichts zu schulden kommen lassen.« Alle Rechtsnormen und Vorschriften seien eingehalten worden. Es werde aber geprüft, ob einzelne Mitarbeiter die internen Richtlinien überschritten hätten. Ansonsten wolle der Rüstungskonzern die »vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den indischen Streitkräften wie bisher erfolgreich fortsetzen«.

Der Weltmarkt für Militaria wächst. Zwar straffen die großen europäischen Länder ihre Verteidigungshaushalte und selbst die USA frieren ihr Budget ein, doch private Sicherheitsfirmen boomen und aufstrebende Schwellenländer wie Brasilien, Nigeria oder die Vereinigten Emirate rüsten aus ähnlichen Gründen auf wie Indien. Die Regierung in Delhi sieht in China einen starken Konkurrenten um die regionale Vormachtstellung. Zudem steht man mit dem direkten Nachbarn Pakistan wegen des Kaschmirkonfliktes und des Einflusses in Afghanistan weiter auf Kriegsfuß. Obendrein bedrohen Terroristen das Land. Indiens Rüstungsausgaben werden im laufenden Jahr um ein Drittel höher ausfallen als 2009.

Weltweit ist die deutsche Rüstungsindustrie, nach einer Flaute in den 1990ern, hinter den USA und Russland schon wieder die Nummer drei. Mit seinem Gesamtumsatz von zuletzt 1,9 Milliarden Euro zählt Rheinmetall zu den zehn größten europäischen Rüstungsanbietern. Ein Teil davon entfällt auf die Autozulieferung. Weitere Rüstungsaufträge über 4,954 Milliarden Euro stehen in den Büchern. Bestseller sind gepanzerte Militärfahrzeuge, die man zusammen mit Volkswagen baut. Auf dem indischen Subkontinent arbeitet Rheinmetall mit dem heimischen Automobil- und Mischkonzern Tata (Land Rover) zusammen.

»Korruption ist im Rüstungsgeschäft gang und gäbe«, warnt Otfried Nassauer, »es ist nur eine Frage, ob es auffällt.« Nassauer leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Indien stehe wie Pakistan und Saudi-Arabien auf dem Korruptionsranking ganz oben. Die sind die großen Spieler auf dem Militärmarkt der Zukunft. Wenn mal ein Fall auffliegt, hat häufig ein missliebiger Konkurrent gepetzt.

Rüstungsgeschäfte gelten als besonderes anfällig für Bakschisch und Bestechung, weil sich Preise kaum nachvollziehen lassen. Wie bei großen Industrieprojekten, etwa dem Kraftwerksbau, sind zu viele Akteure beteiligt, als dass Auftraggeber das Preis-Kosten-Verhältnis übersehen könnten. Insofern, so Nassauer, sei der Preis von Panzern, Raketen und U-Booten immer auch »Spekulationspreis« mit Luft für private Gefälligkeiten.

* Aus: Neues Deutschland, 28. August 2010


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