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Deutsche Panzer für Katar

Der Golfstaat will laut Medienbericht 200 Leopard 2 kaufen. Merkel setzt offenbar Politikwechsel bei Rüstungsexporten durch

Von Arnold Schölzel *

Das absolutistisch regierte Emirat Katar will einem Spiegel-Bericht zufolge bis zu 200 deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 erwerben. Das Volumen des Geschäfts könnte an die zwei Milliarden Euro heranreichen, berichtete das Magazin am Sonntag vorab auf seiner Internetseite. Schon vor Wochen sei eine Delegation der Rüstungsfirma Krauss-Maffei/Wegmann (KMW) nach Katar gereist, um über das Vorhaben zu sprechen. Im Bundessicherheitsrat sei der Wunsch bisher nicht diskutiert worden. Das Kanzleramt könne sich aber das Geschäft ebenso vorstellen wie das Bundeswirtschaftsministerium.

KMW kooperiert beim Leopard 2 mit dem Rheinmetall-Konzern. Dessen Aktienkurs war im Juni in die Höhe geschossen nach einer Meldung, derzufolge Saudi-Arabien 600 bis 800 Leopard-2-Panzer kaufen will. Bereits im Juli 2011 hatte der Spiegel berichtet, daß eine Voranfrage der Saudis für 270 Panzer von Berlin positiv beschieden worden sei. Die Information wurde von der Bundesregierung weder bestätigt noch dementiert. Vor drei Wochen wurde aber bekannt, daß die Bundeswehr KMW bereits bei der militärischen Erprobung der Panzer in Saudi-Arabien unterstützt. Fast gleichzeitig meldete die Zeitung Jakarta Post anläßlich eines Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Indonesien, das Land habe Interesse an 100 Panzern dieses Typs. Indonesiens Staatschef Susilo Bambang Yudhoyono bestätigte die Anfrage an die Bundesregierung indirekt. Merkel äußerte, über Details sei nicht gesprochen worden. Dabei hatte die Bundesregierung bereits Ende Mai auf eine Anfrage der Linksfraktion einräumen müssen, daß die indonesische Regierung Anfang 2012 »mündlich über ihr Interesse an deutscher Technologie (Kampfpanzer ›Leopard 2‹) (…) informiert« habe.

Mitte Juli wiederum berichtete der Spiegel, daß deutsche Rüstungsfirmen versuchen, Exportbeschränkungen zu umgehen, um Milliardengeschäfte mit Indien abzuschließen. Die Bundesregierung schaue weg.

Die Berichts- und Indizienkette deutet darauf hin, daß Merkel einen Politikwechsel bei Rüstungsexporten vollziehen will. Die formal noch existierenden Schwierigkeiten soll es offenbar bald nicht mehr geben. So versuchte die Kanzlerin von der Öffentlichkeit unbemerkt, auf dem NATO-Gipfel in Chicago im Mai, eine Liste von Drittstaaten aufstellen zu lassen, mit denen Rüstungsgeschäfte aus strategischen Gründen erlaubt sein sollten. Das scheiterte vorläufig. Mitte Juli berichtete der Spiegel aber über zwei Referentenentwürfe des Wirtschaftsministeriums für eine Reform des Außenwirtschaftsrechts. Die beiden Vorschriften regeln demnach den größten Teil des deutschen Exports von Wehrtechnik. Ziel sei es, »das Außenwirtschaftsrecht zu entschlacken« und »deutsche Sondervorschriften aufzuheben, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen«. Die neuen Bestimmungen sollen vorrangig Exporte in »Drittländer« außerhalb der EU strikt regeln. Das Ministerium dementierte halbherzig.

In seiner aktuellen Ausgabe resümiert das Magazin nun: »Die Kanzlerin will Länder stärken, die in ihrer Region aus deutscher Sicht für Stabilität sorgen können.« Damit wolle sie die Gefahr für die Bundeswehr, an internationalen Einsätzen teilnehmen zu müssen, mininieren: »Panzer statt Soldaten, so lautet der Kern der Merkel-Doktrin.« Genauer: Mehr Kriege sind nötig. An ihnen will die Bundesrepublik mitverdienen, nicht nur teilnehmen.

* Aus: junge Welt, Montag, 30. Juli 2012


Panzerdemokraten

Berlin plant Rüstungsdeal mit Katar

Von Werner Pirker **


Die Bundesregierung ist fest entschlossen, die Exportinteressen der deutschen Rüstungsindustrie mit einer offenen Parteinahme für die reaktionärsten Kräfte in der arabischen Welt zu verknüpfen. Wie Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe zu berichten weiß, hat Katar Interesse an der Lieferung von bis zu 200 deutschen Panzern vom Typ »Leopard 2« bekundet, was von Kanzleramt und Wirtschaftsministerium durchaus wohlwollend aufgenommen worden sein soll. Nach Saudi-Arabien, das 270 deutsche Panzer bestellt hat, wäre Katar die zweite arabische Diktatur, die sich unter Anwendung von Rüstungsgütern »Made in Germany« verstärkt an den Ordnungskriegen in der Region beteiligen will. Die massive militärische Aufrüstung der beiden Golfmonarchien verläuft schließlich ganz im Sinn der westlichen Strategie zur Befriedung des arabischen Aufruhrs.

Die Demokratiebewegung in Bahrain wurde von saudischen Panzern niedergewalzt. Das offene bewaffnete Eingreifen Katars in Libyen sowie die verdeckte militärische Intervention der Golf-Staaten, allen voran Saudi-Arabiens, in Syrien hingegen wurde bzw. wird als Demokratieförderungsprogramm ausgewiesen. Ausgerechnet die Außenminister Katars und Saudi-Arabiens haben der UN-Vollversammlung zur Beschlußfassung einen Resolutionsentwurf vorgelegt, in dem der Aufbau einer demokratischen Gesellschaft gefordert wird. Die Vertreter von zwei der letzten sechs absolutistischen Monarchien taten dies, ohne rot zu werden – Hohngelächter aus der zivilisierten Welt der Rechtstaatlichkeit und der Gewaltenteilung hatten sie schließlich nicht zu befürchten.

Das brach mit voller Lautstärke aus, als das syrische Regime eine neue Verfassung zur Volksabstimmung stellte, in der sich das Machtmonopol der Baath-Partei durch ein Mehrparteiensystem ersetzt sah. Doch die Wertegemeinschaft, revolutionären Umstürzen doch eigentlich grundsätzlich abgeneigt, bestand auf einem »radikalen Bruch« mit dem Assad-Regime, weil sie sich aus einem von ihr betreuten Regimewechsel in Damaskus einen Zugewinn an Hegemonie erhofft.

Einen Regimewechsel hielten die deutsche Kanzlerin und ihr Fußballkapitän auch anläßlich der Fußball-EM in der Ukraine für angemessen. Doch nicht einmal auf dem Spielfeld wußte sich deutsche Hegemonie zu entfalten. Man darf gespannt sein, was Frau Merkel vor und während der Eishockey-WM 2014 in Minsk zu sagen haben wird. Die Vergabe der Fußball-WM 2018 an Katar ist in der Bundesregierung noch auf keine politischen Vorbehalte gestoßen. Weil ein absolutistisch regierender Monarch dann ein »lupenreiner Demokrat« ist, wenn er die Demokratie vom eigenen Land fernhält und Demokratie in Ländern einfordert, die dem imperialistischen Machtdiktat entgegenstehen.

Die Bundeskanzlerin will deshalb eine NATO-Liste für Staaten à la Katar erstellen lassen, in die Rüstungsexporte aus strategischen Gründen erlaubt sein sollen.

** Aus: junge Welt, Montag, 30. Juli 2012 (Kommentar)


Berlin fördert Krieg

Von Arnold Schölzel ***

Die Bundesregierung hat am Montag offiziell eingeräumt, daß das Golf-Emirat Katar deutsche Kampfpanzer kaufen möchte. Es gebe eine diesbezügliche »Interessensbekundung«, erklärte Vizeregierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Er könne allerdings nicht bestätigen, daß es darüber schon Gespräche gegeben habe. Der Spiegel hatte am Sonntag berichtet, Katar wolle bis zu 200 Leopard-2-Panzer erwerben.

Der Panzerdeal ist Teil eines umfassenden deutschen Aufrüstungsvorhabens in der Golfregion im Rahmen der NATO, wie die Financial Times Deutschland (FTD) am Montag berichtete. Unter Berufung auf Informationen aus Regierungskreisen und der NATO schrieb die Wirtschaftszeitung: »Nutznießer einer neuen, gemeinsamen Exportpolitik des Bündnisses sollen (…) unter anderem die sechs Staaten des Golfkooperationsrats sein – etwa Saudi-Arabien und Katar. Diese Länder sollen nach dem Willen Berlins in den Kreis von Nicht-NATO-Staaten aufgenommen werden, mit denen Waffengeschäfte aus strategischen Gründen erlaubt sind.« Der Vorstoß aus dem Bundeskanzleramt sei Teil eines »brisanten außenpolitischen Richtungswechsels, den die Regierung seit Monaten hinter den Kulissen vorantreibt.« Wörtlich: »Ziel ist es, Staaten wie den wichtigen NATO-Partner Katar besser auf gemeinsame Einsätze wie 2011 in Libyen vorzubereiten.« Die Gegenspieler des Iran in der Region sollten zudem durch Waffenlieferungen »ertüchtigt« werden. Die FTD schreibt: »Auch um Interventionen in Afrika geht es.« Streiter bestätigte, daß in der NATO über eine Liste bevorzugter Empfängerländer für Waffen diskutierte werde.

Die Opposition im Bundestag und die Friedensbewegung reagierten am Montag mit scharfer Kritik. Der stellvertretende Parteivorsitzende der Linkspartei und außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Jan van Aken, kommentierte: »Das freie Fluten deutscher Waffen in die Golfregion muß endlich aufhören. Die Aufnahme von Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten in eine Riege bevorzugter Waffenempfänger käme einer Seligsprechung von Diktatoren und Folterern gleich – dies wäre die endgültige moralische Bankrotterklärung Angela Merkels.« Waffenexporte als Mittel der Außenpolitik einzusetzen, entlarve jedes Bekenntnis zu einer »wertebasierten Außenpolitik« als »vollkommen inhaltsleer«. Längerfristig seien die Exporte hochgefährlich.

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler (von 2005 bis 2009 Staatsminister im Auswärtigen Amt) erklärte, ebenso wie bei Saudi-Arabien sei bei Katar kein »besonderes deutsches Sicherheitsinteresse« an dem Panzergeschäft erkennbar. Die Grünen-Politikern Katja Keul meinte, die Situation in Katar rechtfertige keine Exportgenehmigung für Panzer.

Der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, wies in Kassel darauf hin, daß es in Katar kein Parlament gebe noch Parteien oder Gewerkschaften. Im Land herrsche die Scharia, die Menschenrechtssituation werde von Amnesty International als besonders problematisch eingestuft. Die Kungelei zwischen Deutschland und Katar sei auch nicht neu: »Im Mai 2009 genehmigte der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 36 Leopard-2-Kampfpanzern sowie von 24 Panzerhaubitzen.« Die Waffenexporte stabilisierten nur die Spannungen im Nahen und mittleren Osten.

*** Aus: junge Welt, Montag, 30. Juli 2012 (Kommentar)

Weitere Pressestimmen ****

Das Golfemirat Katar hat nach Medieninformationen Interesse an bis zu 200 deutschen Leopard-2-Kampfpanzern. Das kommentiert die LANDESZEITUNG aus Lüneburg:
"Panzer-Diplomatie kann die Bundesregierung nicht. Verwerflich ist der Deal dabei nicht, weil Deutschlands Zurückhaltung beim Waffenexport in Krisenregionen aufweicht. Verwerflich ist der Deal erst in zweiter Linie wegen der Menschenrechtsverletzungen in dem ultrakonservativen, wahhabitischen Emirat. Verwerflich ist er vor allem, weil er geopolitisch unsinnig ist. Verkauft Deutschland Panzer an Saudi-Arabien und Katar, wird es Partei im sunnitisch-schiitichen Ringen um Vorherrschaft. Es fördert dann gerade die Länder, die Fundamentalismus exportieren wollen",
moniert die LANDESZEITUNG.

Dagegen argumentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG:
"Von Rüstungsexporten hängen nicht nur rund 100.000 qualifizierte Jobs ab, sondern auch die Durchsetzung militärischer und geostrategischer Interessen. Nur eine wettbewerbsfähige Rüstungsindustrie kann die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr garantieren. Waffenexporte an Diktaturen wie Nordkorea und Iran, die eine Gefahr für den Weltfrieden darstellen, müssen verboten bleiben. Saudi-Arabien und Katar sind weder Demokratien noch moderne Rechtsstaaten, aber faktisch Verbündete des Westens. Sie im Konflikt mit Teheran zu unterstützen, ist nicht anrüchig",
urteilt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.

Allerdings fragt sich der WESER-KURIER angesichts der schieren Menge von 200 Kampffahrzeugen:
"Was macht ein Kleinstaat, nicht einmal annähernd so groß wie Schleswig-Holstein, mit so vielen Panzern? Will der absolut regierende Scheich seine Untertanen in Schach halten, sollte die arabische Revolution auf sein Wüstenreich übergreifen? Oder ist der wahre Grund der Syrien-Konflikt? Einiges spricht für Letzteres: Vom Emirat ist bekannt, dass es die Rebellen in Syrien mit Waffen versorgt. Sollte die Vermutung zutreffen, geht es bei dem möglichen Panzergeschäft um den indirekten Eintritt Deutschlands in die syrischen Kämpfe",
warnt der WESER-KURIER, der in Bremen erscheint.

**** Quelle: Presseschau des Deutschlandfunks vom 30. Juli 2012; http://www.dradio.de/presseschau/




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