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"Haben die Verteidigungsminister Indonesiens und Deutschlands Absprachen über den Verkauf von Panzern geführt?"

Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag - Auf die Antwort darf man gespannt sein

Berichte über einen möglichen Verkauf von Leopard II-Kampfpanzern an Indonesien sind Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Bundestags-Drucksache 17/10378). Die Abgeordneten wollen unter anderem erfahren, ob eine Exportanfrage aus Indonesien vorliegt. Außerdem soll die Regierung Auskunft darüber erteilen, ob sie die sicherheits- und verteidigungspolitische Kooperation mit Indonesien vertiefen will. Die Fragen sind präzise und gut gestellt, sodass man auf eine Antwort der Bundesregierung (in absehbarer Zeit?) gespannt sein darf. [Nachtrag September 2012: Die Antwort der Bundesregierung liegt inzwischen vor, zumindest intern: Antwort ...]

Wir dokumentieren im Folgenden den Text der "Kleinen Anfrage" - gerade weil er von der grünen Fraktion kommt. Sie hatte nämlich in ihrer Zeit der Regierungskoalition mit der SPD so manchen problematischen Rüstungsdeal kritiklos passieren lassen. Oppositionszeiten sind eben doch auch Erholphasen in der parlamentarischen Anpassung. Ob wir hoffen dürfen, dass sie auch nachhaltige Lernphasen sind? (Pst)


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10378; 17. Wahlperiode 23. 07. 2012

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Katja Keul, Viola von Cramon-Taubadel, Beate Walter-Rosenheimer, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger, Thomas Gambke, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Sven-Christian Kindler, Ute Koczy, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verkauf von Leopard II-Kampfpanzern an Indonesien


Die Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, dem Bundesminister des Auswärtigen Dr. Guido Westerwelle und dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Dr. Philipp Rösler verfolgt eine offensive Rüstungsexportstrategie. Der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in Staaten außerhalb der NATO und EU ist nicht mehr die Ausnahme. Im Zuge der Rüstungsexportoffensive werden die Rüstungsexportrichtlinien neu interpretiert. Rüstungsindustrielle und geostrategische Interessen haben Vorrang vor menschenrechtlichen und krisenpräventiven Aspekten. Eklatantestes bekanntgewordenes Beispiel ist die beabsichtigte Aufrüstung Saudi-Arabiens mit deutschen Kampfpanzern.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat auf ihrer Indonesien-Reise die Jakarta-Deklaration unterzeichnet. Diese sieht eine verstärkte Sicherheits- und Verteidigungskooperation vor. Zudem wurde bekannt, dass die Verteidigungsminister Deutschlands und Indonesiens am 27. Februar 2012 eine Vereinbarung über die rüstungs- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit beider Staaten abgeschlossen haben, deren konkreter Inhalt der Öffentlichkeit bisher aber noch nicht bekannt ist. Unter dem früheren Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und dem früheren Bundesminister des Auswärtigen Hans-Dietrich Genscher wurde Indonesien trotz einer verheerenden Menschenrechtsbilanz zum bevorzugten Empfängerland deutscher Rüstungslieferungen. Im Zuge der Überarbeitung der Rüstungsexportrichtlinien, hat die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000/2001 Indonesien von der Liste der Staaten gestrichen, die genehmigungsrechtlich den Staaten der NATO oder EU gleichgestellt waren. Es gibt Anzeichen, dass Indonesien künftig wieder zum bevorzugten Empfänger deutscher Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter werden soll.

Die Frage des Verkaufs von Leopard II-Kampfpanzern an Indonesien ist in den letzten Monaten immer wieder Gegenstand öffentlicher Berichterstattung gewesen. Auch die Niederlande hatten hierzu eine Anfrage der indonesischen Regierung erhalten und diese wegen Bedenken gegenüber der Menschenrechtslage in Indonesien abgelehnt. Deutschland ist, neben den USA, den Niederlande und Großbritannien, ein großer Rüstungslieferant Indonesiens. So stammt laut dem Länderportrait Indonesien des Bonner International Center for Conversion (BICC) fast die Hälfte aller Schiffe der Marine aus deutscher Produktion (Ost und West). Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker besteht bei der Verwendung von Marineschiffen, die Indonesien aus Beständen der Bundeswehr gekauft hatte, der begründete Verdacht, dass diese vertragswidrig von der indonesischen Regierung eingesetzt wurden. Dabei gebieten die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern die Verweigerung einer Exportgenehmigung, wenn der Verdacht besteht, dass Waffen zur internen Repression oder zu Menschenrechtsverletzungen genutzt werden könnten. Die Menschenrechtssituation im Empfängerstaat soll bei der Entscheidungsfindung eine zentrale Rolle spielen.

Der Wunsch der indonesischen Regierung, deutsche Panzer zu erwerben, war bereits mehrmals Gegenstand parlamentarischer Anfragen. Im Dezember 2011 wurde die Schriftliche Frage 41 der Abgeordneten Katja Keul auf Bundestagsdrucksache 17/8206 dahingehend beantwortet, dass es bisher keinerlei Anfragen an die Bundesregierung seitens der indonesischen Regierung gegeben habe. Neuere Berichterstattung (u. a. taz am 6. Juli 2012) und öffentliche Äußerungen der indonesischen Regierung anlässlich der jüngsten Indonesien-Reise der Bundeskanzlerin legen hingegen den Schluss nahe, dass ein Vertrag über den Kauf deutscher Leopard II-Kampfpanzer an Indonesien kurz vor dem Abschluss steht oder bereits verabredet ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
  1. Inwieweit und in welcher Form beabsichtigt die Bundesregierung die sicherheits- und verteidigungspolitische Kooperation mit Indonesien zu vertiefen, und was ist der Grund für diese Vertiefung?
  2. Stimmt die Bundesregierung der Aussage des indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono auf der Pressekonferenz am 10. Juli 2012 in Jakarta zu, dass es im fünften Schwerpunkt der Jakarta-Erklärung nicht nur um die verteidigungspolitische Zusammenarbeit, sondern explizit auch um Kooperation in Bereich der Verteidigungsindustrie geht?
  3. Welche konkreten Vereinbarungen in Bezug auf die Rüstungs- und Sicherheitskooperation haben die Verteidigungsminister Deutschlands und Indonesiens in ihrer Vereinbarung vom 27. Februar 2012 getroffen, und wie interpretiert die Bundesregierung den Wunsch der indonesischen Seite, dass Deutschland ihnen bei der Modernisierung des Militärs behilflich sein sollte?
  4. Inwieweit wurde in der Amtszeit von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel von Seiten der indonesischen Regierung und/oder der indonesischen Sicherheitskräfte formell oder informell das Interesse an deutschen Rüstungsgütern an die Bundesregierung bzw. nachrangige Stellen herangetragen?
  5. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung das indonesische Militär und die indonesischen Sicherheitskräfte durch deutsche Rüstungslieferungen aufzurüsten?
  6. Beabsichtigt die Bundesregierung Kriegswaffen an Indonesien zu liefern, und wenn ja, welche?
  7. Welche Anfragen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Indonesien hat es in dieser Legislaturperiode gegeben, und welche wurden bis zum heutigen Zeitpunkt positiv bzw. negativ entschieden (bitte nach Jahr, Rüstungsgut, Volumen aufschlüsseln)?
  8. Welche Kriegswaffen wurden in den vergangenen zehn Jahren an Indonesien geliefert bzw. werden voraussichtlich in den kommenden zwei Jahren an Indonesien geliefert werden (Art und Volumen bitte jährlich aufschlüsseln)?
  9. Liegt der Bundesregierung jetzt eine Exportanfrage für die Lieferung von Leopard II-Kampfpanzern an Indonesien vor, oder bestehen formelle oder informelle Voranfragen?
  10. Wann sind der Bundesregierung etwaige formelle oder informelle Anfragen zugegangen?
  11. Wie hat die Bundesregierung auf etwaige formelle oder informelle Anfragen reagiert?
  12. Bezieht sich das Geschäft auf neue Panzer des Unternehmens Krauss-Maffei- Wegmann oder auf Altbestände der Bundeswehr?
  13. Wird sich der Bundessicherheitsrat mit einer etwaigen Voranfrage befassen oder ggf. über die Exportgenehmigung entscheiden?
  14. Kann das Bundesministerium der Verteidigung den Export von Panzern aus Beständen der Bundeswehr aus eigener Zuständigkeit ohne Befassung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle oder des Bundessicherheitsrates selbst vornehmen?
  15. Hat das Bundesministerium der Verteidigung eine entsprechende Anfrage erreicht, und wie wurde hierüber entschieden?
  16. In welchem zeitlichen Rahmen soll die Lieferung stattfinden?
  17. Ist es richtig, dass die ersten 15 Panzer bereits im Oktober dieses Jahres geliefert werden sollen und dass gleichzeitig die Bundesregierung bisher nur eine mündliche Interessenbekundung der indonesischen Regierung erreicht hat?
  18. Ist der Bundesregierung bekannt, dass es laut Organisationen, wie Amnesty International und des Bonner International Center for Conversion (BICC), in den indonesischen ProvinzenWest-Papua, Aceh, Molukken, Ambon, Sulawesi und West-Timor immer wieder zu schweren Menschenrechtsverstößen kommt?
  19. Basierend auf welcher Grundlage und welchen Informationen kommt die Bundesregierung bei der Beurteilung der Menschenrechtslage in Indonesien zu einem anderen Schluss als etwa Amnesty International?
  20. Wie bewertet die Bundesregierung die Reformen im indonesischen Militär, angesichts von Berichten über anhaltendende Korruption und Menschenrechtsverletzungen, u. a. von den Untersuchungsbehörden der UN, welche die Gräueltaten in Ost-Timor 1999 untersuchten?
  21. Hat die Bundesregierung die Niederlande bezüglich der Ablehnung des Rüstungsgeschäftes mit Indonesien konsultiert, und wie sind die Gespräche verlaufen?
  22. Sieht die Bundesregierung den möglichen Rüstungsexport im Einklang mit dem Gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union (EU) für Rüstungsexporte von 2008?
  23. Hat die Bundesregierung zur Kenntnis genommen, dass das niederländische Parlament bei der Entscheidung über Rüstungsgeschäfte ein Mitspracherecht hat?
  24. Was unterscheidet nach Ansicht der Bundesregierung den Deutschen Bundestag vom niederländischen Parlament, das ein Mitspracherecht bei der Genehmigung von Rüstungsexporten hat, und warum soll eine solche Parlamentsbeteiligung in Deutschland nicht möglich sein?
  25. Was waren die Gesprächsthemen zwischen der Bundesregierung und den Mitgliedern des indonesischen Parlamentsausschusses für Sicherheit und Außenpolitik während der Besuche des Ausschusses in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland (bitte ausführliche Auflistung anhand der Tagesordnung)?
  26. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung des indonesischen Oppositionsabgeordneten Helmi Fauzy (taz vom 11. Juli 2012) zu, wonach die schweren Kampfpanzer überhaupt nicht für das indonesische Gelände und die indonesische Topographie geeignet ist?
  27. Kann die Bundesregierung versichern, dass während der jüngsten Indonesien-Reise der Bundeskanzlerin keinerlei Austausch zu einem etwaigen Rüstungsgeschäft unter Begleitern der Delegation stattgefunden hat?
  28. Haben die Verteidigungsminister Indonesiens und Deutschlands Absprachen über den Verkauf von Panzern aus Beständen der Bundeswehr geführt, ohne dass die Bundeskanzlerin einbezogen bzw. informiert war?
Berlin, den 23. Juli 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion


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