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Deutsche Waffen gehören nicht nach Nahost

Bundestag lehnt Petition gegen Rüstungsexporte in die Kriegsregion dennoch ab

Von Olaf Standke *

Die »Kooperation für den Frieden« lässt nicht locker -- nach dem Bundestagsbeschluss, seine Petition gegen deutsche Waffenexporte in den Nahen Osten abzulehnen, hat sich der Zusammenschluss von über 50 Friedensorganisationen jetzt in einem Offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten gewandt: Sind Sie bereit, den Appell von Amnesty International vom 23. Februar dieses Jahres für den Stopp von Waffenlieferungen an die Konfliktparteien durch eine Resolution im Bundestag zu unterstützen?

Auch die Mühlen des Bundestages können sehr langsam mahlen. Hinter dem Aktenzeichen Pet 3-16-09 742-015382 verbirgt sich der Antrag der hiesigen Friedensbewegung zum Stopp aller deutschen Rüstungsexporte in die Nahostregion vom Herbst 2006, eingebracht unmittelbar nach dem israelischen Krieg gegen Libanon. Das Parlament sollte die Bundesregierung, den Bundessicherheitsrat und die zuständigen Ministerien davon abbringen, Ausfuhrgenehmigungen für Waffen und Kriegsgerät in den Nahen Osten zu erteilen, bzw. deren Rücknahme veranlassen. Die Ablehnung per Parlamentsbeschluss erreichte die »Kooperation für den Frieden« jetzt nach dem Gazakrieg Anfang des Jahres -- die Forderung hat also kein Jota Aktualität verloren.

Laut jüngstem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung erhielten deutsche Waffenfirmen 2007 Genehmigungen für Israel im Wert von über 28 Millionen Euro, knapp 40 Prozent betrafen Teile für Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und »Geländewagen mit Sonderschutz«. Bei Munitionsexporten nimmt die Bundesrepublik laut einer Amnesty-Statistik für 2004 bis 2007 Platz 2 in der EU ein. Zwischen 1995 und 2005 hat Tel Aviv insgesamt Rüstungsgüter im Wert von über einer Milliarde Dollar aus Deutschland importiert. »Made in Germany« habe zwar auf keiner der Waffen gestanden, die im Gazakrieg zum Einsatz kamen, so Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit. Doch in den Großwaffensystemen Israels steckten oft wichtige Komponenten aus Deutschland.

Die Kampfpanzer Merkava (Foto) etwa sind mit deutscher Stabilisierungselektronik ausgestattet, die es ermöglicht, selbst bei voller Fahrt auf unebenem Gelände präzise zu feuern. Ihre Kanonenrohre, Panzerung, Getriebe und Motoren stammen ebenfalls aus deutschen Direktlieferungen oder aus der Lizenzproduktion US-amerikanischer Unternehmen. F-16-Jagdbomber und AH-64 Apache Kampfhubschrauber verfügen über Infrarotmodule, die hierzulande entwickelt und über USA-Firmen an Israel geliefert wurden.

Auf der Gegenseite kämpfen Hisbollah und Hamas mit dem für die Bundeswehr entwickelten und seit 1976 in Lizenzproduktion von Iran hergestellten G3-Sturmgewehr, dem Exportschlager von Heckler & Koch mit Sitz in Oberndorf. Die Hisbollah besitzt zudem Panzerabwehrraketen des Typs Milan, die in Kooperation zwischen deutschen und französischen Waffenfirmen hergestellt werden. Mit ihnen kann man selbst die äußerst stark gepanzerten Merkava-Panzer zerstören. Direkte Kooperationen gibt es auch zwischen einigen arabischen Staaten und deutschen Firmen. Kriegswaffenexporte in die Vereinigten Arabischen Emirate etwa machten allein zwischen 2005 und 2007 rund 44 Millionen Euro aus. Saudi-Arabien hat sogar für etwa 14,7 Milliarden Dollar 72 Eurofighter gekauft, an deren Bau der Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS beteiligt ist.

Für besondere Schlagzeilen sorgt immer wieder die Lieferung von U-Booten an Israel. Vor zehn Jahren war es der Export von drei Exemplaren der Dolphin-Klasse. Ihre Kosten wurden zu 80 Prozent aus dem Bundeshaushalt getragen. Fachleute wie der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sehen eine besondere Brisanz in der Tatsache, dass sie für den Einsatz nuklearer Sprengköpfe umgerüstet werden können. Doch trotz aller Bedenken genehmigte die rot-grüne Regierung im September 2005 die für 2012 bis 2013 geplante Lieferung von zwei weiteren Booten dieser Klasse, nun sogar mit dem neuen superleisen Brennstoffzellenantrieb. Ihr Wert wird mit 1,2 bis 1,3 Milliarden US-Dollar angegeben. Berlin finanziert sie zu einem Drittel aus Steuergeldern.

Die gültigen Richtlinien der Bundesregierung verbieten eigentlich die Lieferung von Waffen in Länder, die in Kriege und bewaffnete Konflikte verwickelt sind oder die Menschenrechte verletzen. Es sei »beunruhigend«, so die »Kooperation für den Frieden« in ihrem Offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten, wenn der Petitionsausschuss des Parlaments den »Charakter der (gelieferten) Güter« in den Nahen Osten als letztlich harmlos einstuft. Rüstungsexporte in eine der gefährlichsten Krisenregionen seien »unverantwortlich, untergraben einen ernsthaften Friedensprozess und haben deshalb nichts mit Solidarität gegenüber den Menschen in Israel und Palästina zu tun«.

Die Friedensbewegung würde es deshalb begrüßen, wenn die Abgeordneten den Amnesty-Appell vom 23. Februar 2009 durch eine Resolution im Bundestag unterstützten. Darin fordert die Menschenrechtsorganisation den Stopp von Waffenlieferungen an die Konfliktparteien im Nahen Osten und von der UNO die Einrichtung eines umfassenden Waffenembargos.

* Aus: Neues Deutschland, 16. April 2009

Zum Bericht von amnesty (USA) über den Rüstungsexport in den Nahen Osten geht es hier:
Waffenlieferungen nach Israel
Ein Report von amnesty international (USA)


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