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Deutsche Marine als "Referenz"

Rüstungsfirmen sorgen sich um Auftragslage

Von Hermannus Pfeiffer *

Das deutsche Exportwunder ist zu einem nicht gerade kleinen Teil auf Lieferungen von Kriegsgerät in alle Welt zurückzuführen. Damit dies so bleibt, rufen Rüstungskonzerne die Politik und das Militär zur Unterstützung auf.

Kai Horten sorgt sich um die deutsche Souveränität. Das bis vor Kurzem »leidlich stabile Machtgefüge auf dem Meer ist in Bewegung gekommen«, referierte der Chef von Atlas Elektronik, einem in der Öffentlichkeit eher unbekannten, aber international führenden Hersteller von Marinewaffen, auf der Konferenz »Internationale Sicherheitspolitik« der Wochenzeitung »Die Zeit« in Hamburg. Die Liste der Länder werde immer länger, die militärische Seemacht als Mittel der Politik entdeckten und ihre Marine aufrüsten. Darunter seien viele neue Akteure wie Südkorea, Indien, China, Australien, Saudi-Arabien und Brasilien. Gleichzeitig nehme die wirtschaftliche Bedeutung der Meere zu: für den Welthandel, als Nahrungsquelle und Rohstofflieferant sowie als Großraum zur Energiegewinnung. Von den Küsten bis zur Arktis entstehe immer mehr »anfällige Infrastruktur«, die geschützt werden müsse, so Horten. Angesichts des Sparkurses der Bundesregierung fürchtet er um die »nationale technische Souveränität«.

Geschäfte vor allem im Export

Die deutsche Marinerüstung, dazu gehört neben Atlas vor allem ThyssenKrupp und EADS, sieht ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, wenn Neubauaufträge der Deutschen Marine zukünftig ausblieben, so Horten. Dabei gehe es weniger um die Höhe der Umsätze. Ohnehin wird laut Horten 70 bis 80 Prozent des Geschäfts im Export gemacht, vor allem außerhalb Europas. Wichtiger sei die Deutsche Marine als »Referenz«. Kunden in Schwellenländern erwarten, dass neue Produkte zuerst von der Deutschen Marine getestet werden. Hier habe diese eine industriepolitische Rolle auszufüllen.

Neue Schiffe trotz Strukturreform

Dass es um die »Wehrkraft« der deutschen Rüstungsindustrie nicht ganz so schlecht bestellt ist, machte der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Axel Schimpf, deutlich. Trotz der Strukturreform der Bundeswehr bestätigte der oberste deutsche Marinesoldat die Bestellung der vier Marathonfregatten F125 – sie sollen zwei Jahre lang nonstop über die Weltmeere kreuzen. Bestellt bleiben auch vier neue U-Boote, die Landziele ins Visier nehmen können, und der Bau des dritten Einsatzgruppenversorgers »Bonn«, ein Frachtschiff für die Verlängerung internationaler Einsätze. Die »Bonn« wurde vor wenigen Monaten in der Peene-Werft in Wolgast auf Kiel gelegt. Das Neubauprogramm sei eine notwendige Investition in die Sicherheit Deutschlands, meint Schimpf. Schließlich fänden 95 Prozent des Weltfernhandels auf Schiffen statt und die See sei »die Hauptschlagader der Globalisierung«.

Das sieht auch Verteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CSU) so, der nach einer geostrategischen »Unterfütterung« seines Bundeswehrumbaus sucht. Bei der maritimen Sicherheit gehe es nicht »um Romantik im 17. Jahrhundert«. Guttenberg betont die Bedeutung der Handelwege, etwa der blauen Straße von Malakka, durch die fast der gesamte deutsche Handel mit Asien schippert.

* Aus: Neues Deutschland, 28. Dezember 2010


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