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Deutsche Waffen, deutsches Geld

Konzerne profitieren von Abschottung der EU-Außengrenzen und Aufrüstung Griechenlands

Von Lena Kreymann *

Nach der Verabschiedung der Betriebsvorschriften für das neue Grenzüberwachungssystem »Eurosur« durch das EU-Parlament am gestrigen Donnerstag können die Rüstungskonzerne auf neue Aufträge hoffen. Im Etat für das System sind allein für die kommenden sieben Jahre 244 Millionen Euro eingeplant. Zudem forderte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Mittwoch, weitere Mittel für die paramilitärische EU-Grenzschutzagentur Frontex bereitzustellen.

Wie Konzerne um die dicken Aufträge buhlen, war am vergangenen Montag Thema vor einem Gericht in Athen. Nach einem monatelangen Verfahren wurde der ehemalige griechische Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos der Geldwäsche und Bestechlichkeit schuldig gesprochen. Für den Kauf von deutschen U-Booten und russischen Abwehrraketen sollen er sowie weitere Angeklagte 55 Millionen Euro Schmiergeld eingesteckt haben. 20 Jahre muß das Gründungsmitglied der griechischen sozialdemokratischen PASOK dafür ins Gefängnis. 16 Verwandte und Mitarbeiter wurden zu Strafen zwischen sechs und 16 Jahren Haft verurteilt.

Freigiebig gezeigt hatten sich den Ermittlungen zufolge vor allem Manager des deutschen Stahlunternehmens Ferrostaal, damals eine Tochter des MAN-Konzerns. Die »Geldgeber« kamen allerdings besser weg als der bestechliche Minister: Im Jahr 2010 wurden das ehemalige Vorstandsmitglied Johann-Friedrich Haun und ein früherer Prokurist lediglich zu zwei Jahren auf Bewährung und Geldstrafen verurteilt. Sprecher von Ferrostaal hatten eingeräumt, insgesamt etwa 62 Millionen Euro an griechische und portugiesische Entscheidungsträger gezahlt zu haben, um Lieferaufträge für U-Boote zu bekommen. Das Unternehmen mußte daraufhin knapp 140 Millionen Euro Strafe zahlen.

Doch der Waffenhandel mit Griechenland lohnt sich weiter. Allein im Jahr 2011 gab das krisengeschüttelte Griechenland nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI 7,5 Milliarden Euro für Rüstung aus, 300 Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Athen begründet die hohen Summen gern mit dem schwelenden Konflikt mit der Türkei. Vor allem aber liegt das Mittelmeerland an der EU-Außengrenze. Auf deren militärische Abschottung sind insbesondere Länder wie Frankreich und Deutschland bedacht. So warnte am vergangenen Wochenende der Vorsitzende der konservativen UMP in Frankreich, Jean-François Copé, vor einer Lockerung der Grenzkontrollen und brachte einen Ausschluß Griechenlands aus dem Schengenabkommen ins Spiel: »Einige Länder wie Griechenland fühlen sich nicht verantwortlich, weil sie wissen, daß die Leute, die in Griechenland ankommen, nicht in Griechenland bleiben. Wir sollten das bestrafen und die Länder, die ihre Außengrenzen nicht kontrollieren, ausschließen«, zitierte ihn die Zeitung Le Figaro.

Waffen erhält Griechenland vor allem aus den USA, Deutschland und Frankreich. Die Lieferungen von deutschen Unternehmen wie Krauss-Maffei Wegmann machen laut SIPRI gut ein Viertel der Gesamtimporte Athens aus.

Von den Spardiktaten, die die Troika Griechenland aufdrückt hat, sind diese Ausgaben jedoch ausgenommen. 2010 schlugen der Internationale Währungsfonds, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank zwar vor, den Rüstungshaushalt um 457 Millionen Euro zu kürzen – die Sozialausgaben sollten jedoch um 1,8 Milliarden schrumpfen. Im gleichen Jahr forderte Bundesaußenminister Guido Westerwelle dem Nachrichtenportal Zeit-Online zufolge von Athen »ein Bekenntnis zum Eurofighter« und untersagte der griechischen Regierung somit einen Ausstieg aus dem lange geplanten Waffendeal mit dem Rüstungskonzern EADS.

»Während Länder wie Deutschland auf tiefsten Einschnitten bei den Sozialausgaben der Krisenländer bestanden haben, damit diese die Schulden zurückzahlen, haben sie weit weniger Unterstützung für Kürzungen beim Militärhaushalt gezeigt, die Waffenexporte gefährden würden. Frankreich und Deutschland haben die griechische Regierung unter Druck gesetzt, den Verteidigungshaushalt nicht zu reduzieren«, kritisierte Frank Slijper von der »Kampagne gegen Waffenhandel« im vergangenen April in einer Studie zu Militärausgaben in der Krise die EU-Politik.

* Aus: junge Welt, Freitag, 11. Oktober 2013


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