Erneuter Anstieg bei deutschen Rüstungsexporten
Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) kritisiert "unverändert hohen Anteil von Exportbewilligungen in Entwicklungsländer"
Auf einer Pressekonferenz in Berlin am 8. Dezember 2008 haben die Vorsitzenden der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) den Rüstungsexportbericht 2008 (PDF) für das Wirtschaftsjahr 2007 vorgestellt.
Wir dokumentieren im Folgenden die hierzu verbreitete Pressemitteilung der Herausgeber sowie die Zusammenfassung des Berichts.
Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)
Joint Conference Church and Development (GKKE)
Für die Presse
Erneuter Anstieg bei deutschen Rüstungsexporten
GKKE kritisiert Lieferungen in Krisenregionen und Entwicklungsländer
Berlin, 8.12.2008 - Alarmiert über den neuerlichen Anstieg deutscher Rüstungsexporte zeigten
sich die beiden Vorsitzenden der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)
bei der Vorstellung des diesjährigen Rüstungsexportberichts am Montag in Berlin. „Die Welt
wird nicht sicherer durch noch mehr Waffen“, sagte Prälat Stephan Reimers, der evangelische
Vorsitzende der GKKE.
Die Ausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern aus deutscher Produktion belaufen sich nach
Recherchen der GKKE im Jahr 2007 auf 8,7 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr, in dem
Rüstungsexporte im Wert von 7,7 Milliarden € bewilligt wurden, ist das eine Steigerung um 13
Prozent. Reimers äußerte „Befremden“ darüber, dass diese Zahlen von der Bundesregierung
bisher nicht öffentlich gemacht worden seien, obwohl sie sich zur Vorlage eines eigenen Rüstungsexportberichts
verpflichtet habe.
Als besorgniserregend bezeichnete es der katholische Vorsitzende der GKKE, Prälat Karl Jüsten,
dass erneut Lieferungen in erheblichem Umfang in Länder genehmigt wurden, die in schwere
interne oder grenzüberschreitende Gewaltkonflikte verwickelt seien. Dazu zählten etwa Afghanistan,
Indien, Israel, Nigeria, Pakistan und Thailand. Jüsten forderte die Bundesregierung auf,
ihren positiven Vorentscheid für die Lieferung von U-Booten nach Pakistan zu widerrufen und
die Zusage einer staatlichen Ausfallbürgschaft zurückzunehmen. „Dieses Geschäft überschreitet
eine Grenze, die Rechtslage und internationale Absprachen setzen.“ Zu kritisieren sei auch der
unverändert hohe Anteil von Exportbewilligungen in Entwicklungsländer. Er belaufe sich auf
mehr als 20 Prozent der einzeln erteilten Ausfuhrgenehmigungen.
Der Vorsitzende der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte, Bernhard Moltmann, würdigte den EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte, der in den zehn Jahren seines Bestehens einen Zugewinn
an wechselseitiger Information und Transparenz gebracht habe. Er forderte, den Kodex zu einem
rechtlich verbindlichen „Gemeinsamen Standpunkt“ aufzuwerten und in nationales Recht
zu integrieren.
Positiv hoben die Vertreter der GKKE internationale Initiativen zu vermehrter Rüstungskontrolle
hervor. Prälat Reimers würdigte die Einigung auf ein Verbot von Streumunition und die Unterzeichnung
der entsprechenden Konvention in Oslo Anfang Dezember als „einen Erfolg einer humanitären
Rüstungskontrolle“. Er sprach sich für eine baldige Ratifizierung des Abkommens
durch den Deutschen Bundestag aus.
Rüstungsexportbericht 2008 der GKKE
Zusammenfassung
Die Berichterstattung durch die Gemeinsame Konferenz Kirche
und Entwicklung
(0.01) Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) legt
zum zwölften Mal seit 1997 einen Rüstungsexportbericht vor. Der Bericht
wird von der GKKE-Fachgruppe „Rüstungsexporte“ erstellt. Ihr gehören
Fachleute wissenschaftlicher Einrichtungen, der kirchlichen Friedens- und
Entwicklungszusammenarbeit sowie aus Nichtregierungsorganisationen
an. Der Bericht stellt öffentlich verfügbare Informationen über die deutschen
Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern des Vorjahres
(2007) bzw. deren Genehmigungen zusammen und bewertet sie im Zusammenhang
der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Er erschließt
diesen Politikgegenstand dem öffentlichen Diskurs und dient dem
Dialog mit den Trägern politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher
Verantwortung.
Trends im Weltrüstungshandel
(0.02) Parallel zum anhaltenden Anstieg der Weltrüstungsausgaben ist
zwischen 2003 und 2007 auch das Volumen des Weltrüstungshandels gewachsen.
Abgesehen von den USA ist die Mehrzahl der Staaten heute bei
Rüstungsvorhaben und Rüstungsproduktion auf die Einfuhr von Waffen
und Rüstungsgütern angewiesen. Deutlich zeigt sich dies am gewachsenen
Binnenhandel mit Rüstungsgütern innerhalb der Europäischen Union.
Schwellenländer wie Brasilien, China, Indien, Singapur, Südafrika oder
Südkorea streben über die Einfuhr von Rüstungswaren und -technologie
sowie von Fertigungsanlagen den Aufbau einer eigenen Rüstungsproduktion
an, zunächst zur Ausstattung und Modernisierung ihrer eigenen Streitkräfte,
langfristig aber auch, um als Anbieter auf dem Weltrüstungsmarkt
auftreten zu können.
Lieferstaaten
(0.03) Unter den rüstungsexportierenden Staaten haben die EUMitgliedsstaaten,
allen voran Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien,
in der Summe bereits Russland in den Schatten gestellt. Sie rangieren
aber mit Abstand hinter den USA, die weltweit der größte Rüs4
tungsexporteur bleiben. Der Stellenwert europäischer Lieferstaaten stützt
sich einerseits auf die Leistungsfähigkeit europäischer Rüstungskooperation.
Andererseits gewinnen sie Kunden in Drittstaaten mit attraktiven Finanzierungsbedingungen und der Zusage des Technologietransfers. Hinzu
kommen die Bereitschaft, Fertigungen in Empfängerländer zu verlegen,
oder begleitende zivile Investitionszusagen. Europäische Rüstungshersteller
profitieren zudem von der Lieferung von Nischenangeboten, wie zum
Beispiel Deutschland im U-Boot-Bau, durch den Weiterverkauf von überschüssigem,
aber noch einsatzbereitem Rüstungsmaterial oder durch die
Modernisierung bzw. Aufwertung vorhandener Waffen und Rüstungsgüter.
Empfängerstaaten
(0.04) Als die größten rüstungsimportierenden Staaten zwischen 2003 und
2007 identifizieren unabhängige Beobachter China, Indien, die Vereinigten
Arabischen Emirate, Griechenland und Südkorea. Im weltweiten Vergleich
spielen derzeit Rüstungslieferungen an südamerikanische Staaten eine
noch geringe Rolle, und Importe afrikanischer Staaten fallen ökonomisch
kaum ins Gewicht. Mit angelaufenen Modernisierungen südamerikanischer
Streitkräfte, zu denen zum Beispiel umfangreiche Panzerlieferungen aus
Deutschland beitragen, und Rüstungsbestellungen nordafrikanischer Staaten,
die von Russland und westlichen Staaten umworben werden, wird
sich das Bild bald ändern.
Daneben verdienen nicht-offizielle Transfers von Waffen, Rüstungsgütern
und militärbezogenen Leistungen Aufmerksamkeit. Teils erfolgen diese mit
stiller Billigung staatlicher Instanzen oder gar verdeckter Förderung
(graue Märkte), teils sind die Transfers einträgliche Erwerbsquellen privater
Waffenhändler (schwarze Märkte). Beide Marktsegmente nähren aktuelle
Gewaltkonflikte.
Rüstungstransfers und Korruption
(0.05) Nichtregierungsorganisationen wie Transparency International weisen
auf die hohe Anfälligkeit des Rüstungshandels für Korruption in Lieferwie
Empfängerländern hin. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu
zwanzig Prozent der veranschlagten Kosten für diese Zwecke aufgewandt
werden. Auch europäische und deutsche Rüstungstransfers sind dem gegenüber
nicht immun. Dies zeigen beispielsweise indische Ermittlungen
gegen EADS, das Vorgehen deutscher Behörden im Fall von Rüstungsgeschäften
mit Angola, die schwelenden Korruptionsvorwürfe im Zusam5
menhang mit den europäischen Rüstungslieferungen nach Südafrika oder
die Verfahren vor deutschen Gerichten im Zusammenhang mit Lieferungen
an Saudi-Arabien zu Beginn der 1990-er Jahre.
Deshalb wendet sich die GKKE gegen eine Bagatellisierung solcher Vorgänge
und fordert mehr Aufmerksamkeit für Symptome und strukturelle
Ursachen von rechtswidrigem Handeln in Öffentlichkeit und Politik. Es sollte
auch im Interesse deutscher Rüstungshersteller und -exporteure sein,
jeden Verdacht auszuräumen, Bestechlichkeit bei der Anbahnung und Abwicklung
ihrer Geschäfte zu dulden.
Deutsche Rüstungsexporte im Jahr 2007
Einzel- und Sammelgenehmigungen für Rüstungsausfuhren
(0.06) Die Werte der Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern
an 126 Staaten im Jahr 2007 betragen 3,67 Mrd. €. Die Zahl der
Genehmigungen in Höhe von 16.504 ist gegenüber dem Vorjahr (2006:
14.232) zwar gestiegen, der Gesamtwert aber um 500 Mio. € gesunken.
Dabei fällt ins Gewicht, dass Bestellungen aus der Türkei und Griechenland,
die in den vorangegangen Zeiten relevante Abnehmer deutscher
Rüstungslieferungen waren, im Jahr 2007 zurückgegangen sind.
Das wichtigste deutsche Exportgut blieben auch im Jahr 2006 Panzer und
gepanzerte Fahrzeuge (Anteil an den Genehmigungswerten: 35,4%,) gefolgt
von Kriegsschiffen (9,5%) und von Munition sowie Zubehör (6,3%).
Im Jahr 2007 sind 100 Sammelausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern
im Wert von 5,05 Mrd. € erteilt worden. Im Jahr 2006 hatte dieser
Wert 3,5 Mrd. € (165 Genehmigungen) und im Jahr 2005 rund 2 Mrd. €
(109 Genehmigungen) betragen.
Insgesamt sind damit Genehmigungen in Höhe von 8,7 Mrd. € erteilt worden
gegenüber 7,7 Mrd. € im Jahr zuvor.
Empfänger deutscher Rüstungslieferungen
(0.07) An NATO- und EU-Staaten bzw. ihnen gleichgestellte Länder wurden
im Jahr 2007 Rüstungsausfuhren im Wert von 2,16 Mrd. € genehmigt.
Unter den Drittstaaten waren die größten Empfänger Südkorea (164,1
Mio. €), Pakistan (163,8 Mio. €), Singapur (126,4 Mio. €), Indien (89,1
Mio. €), Malaysia (80,4 Mio. €) und die Vereinigten Arabischen Emirate
(69,3 Mio. €).
An Staaten, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) als Empfänger offizieller Entwicklungshilfe einstuft,
wurden Ausfuhrgenehmigungen in Höhe von 910,3 Mio. € (mehr als 24%
des Wertes aller Einzelgenehmigungen) erteilt.
Auffallend an den Zahlenangaben für das Jahr 2007 sind Lizenzen für
deutsche Rüstungsexporte in gegenwärtige Kriegsgebiete, so nach Afghanistan
in Höhe von 180 Mio. € und an den Irak in Höhe von 6,8 Mio. €.
Auch haben deutsche Lieferzusagen an internationale Friedensmissionen,
vor allem in Afrika und im Nahen wie Mittleren Osten, zugenommen.
Das Bild der deutschen Rüstungsexportpolitik im Jahr 2007 bleibt jedoch
unvollständig, weil die Daten der Bundesregierung für die Berichterstattung
zum EU-Verhaltenskodex für Rüstungsausfuhren nicht die Kategorie
der „Sammelausfuhrgenehmigungen“ enthalten. Dieses in den Vorjahren
gewichtige Segment bezieht sich auf deutsche Kooperationen mit Rüstungsproduzenten in anderen EU- und NATO-Staaten, die zu Re-Exporten
deutscher Zulieferungen durch den Endhersteller führen können.
Ausfuhr von Kriegswaffen
(0.08) Die deutsche Rüstungsexportstatistik erfasst allein die Ausfuhren
von Rüstungsgütern, die unter die Kriegswaffenliste gemäß Kriegswaffenkontrollgesetz fallen – die realen Ausfuhrwerte aller anderen Rüstungsgüter bleiben dagegen im Dunkeln. Die Exporte von Kriegswaffen erreichten im Jahr 2007 einen Wert von 1,03 Mrd. € und halten sich auf dem Niveau der vorangegangenen Jahre. Die größten Abnehmer waren Südkorea, die
Türkei, die Niederlande, Mexiko, die Vereinigten Arabischen Emirate und
Singapur.
Etwa 22,9% aller deutschen Kriegswaffenexporte im Jahr 2007 gingen an
Staaten, die die OECD als Empfänger offizieller Entwicklungshilfe einstuft.
Im Jahr 2006 hatte der Anteil 23% betragen. Die größten Abnehmer waren
im Jahr 2007 die Türkei, Chile, Saudi-Arabien, Pakistan, Indien und
Ägypten.
Kleine und leichte Waffen
(0.09) Kleine und leichte Waffen sowie Munition und Zubehör stellten auch
im Jahr 2007 ein relevantes Exportsegment deutscher Rüstungsproduzenten
dar. So hat die Bundesregierung die Ausfuhren von 10.381 Maschinenpistolen
an 45 Staaten und von 19.014 Sturmgewehren an 34 Staaten
genehmigt. Damit hat sich der Umfang dieser Genehmigungen gegenüber
dem Vorjahr nahezu verdoppelt. Relevante Abnehmer waren Ägypten, In7
dien, Mexiko, Saudi-Arabien sowie der karibische Inselstaat Trinidad und
Tobago.
Bewertung
(0.10) Die Angaben zu den erteilten Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen
für Rüstungsgüter im Jahr 2007 weisen insgesamt einen weiteren
Anstieg der deutschen Rüstungsexporte im Vergleich zu den vorangegangenen
Jahren aus: Hatte das Gesamtvolumen im Jahr 2006 noch 7,7 Mrd.
€ (2005: 6,2 Mrd. €) betragen, so erreichte es im Jahr 2007 einen Wert
von 8,72 Mrd. €. Insbesondere das Anwachsen der Sammelausfuhrgenehmigungen
von 3,5 Mrd. € (2006) auf 5,05 Mrd. € im Berichtsjahr dokumentiert
den hohen Stellenwert, den deutsche Zulieferungen für Rüstungsproduzenten
in NATO- und EU-Staaten bzw. diesen gleichgestellten
Ländern erreicht haben.
Der Rückgang der Werte für Einzelausfuhrgenehmigungen um etwa 500
Mio. € gegenüber dem Vorjahr signalisiert zunächst nur, dass im Berichtszeitraum
die Werte für ausgelieferte Großaufträge, vor allem von Kriegsschiffen,
gesunken sind. Das darf nach Einschätzung der GKKE jedoch
nicht dazu führen, dass deutsche Rüstungshersteller und die Bundesregierung
in einen neuen Wettbewerb um Aufträge aus Drittstaaten eintreten.
Vielmehr eröffnet sich für die Bundesregierung die Chance, europaweit
auf eine Verringerung der Rüstungsexporte zu dringen. Insbesondere
ist auf die französische Seite einzuwirken, ihre Rüstungsexportpolitik im
Sinne des EU-Verhaltenskodexes restriktiver zu handhaben.
(0.11) Dass im Jahr 2007 den über 16.500 erteilten Ausfuhrgenehmigungen
nur 110 Ablehnungen gegenübergestanden haben, zeugt eher von der
Fortsetzung einer gelockerten Genehmigungspraxis, wie sie die GKKE
schon in den Vorjahren kritisiert hat. Dafür spricht auch, dass die Zahl der
Staaten als Empfänger deutscher Rüstungslieferungen erneut zugenommen
hat, die unter Gesichtspunkten des EU-Verhaltenskodexes als „kritisch“
einzustufen sind, weil sie dessen Kriterien nicht oder nur bedingt
genügen.
Auch in diesem Jahr hat die Bundesregierung die Veröffentlichung ihres
eigenen Rüstungsexportberichts 2007 wie schon in den Jahren zuvor zeitlich
hinausgezögert. Sie ist damit weit entfernt von der ausdrücklichen
Aufforderung des Bundestages aus dem Jahr 2004, „künftige Rüstungsexportberichte
zeitnah zum Jahresabrüstungsbericht“, das heißt bis spätes8
tens April des darauf folgenden Jahres, vorzulegen. Dies wertet die GKKE
als Indiz für die Schwierigkeiten, unter den Ressorts zu einer abgestimmten
und kohärenten Bewertung der deutschen Rüstungsexportpolitik zu
kommen. Eine sachgemäße Beurteilung des Geschehens wird dadurch für
den Bundestag und die Öffentlichkeit erschwert. Dies steht im Widerspruch
zu der Notwendigkeit, ein Höchstmaß an Transparenz auf diesem
Politikfeld zu gewährleisten und schwächt das Vertrauen in das Einhalten
politischer Zusagen.
(0.12) Sorge bereitet der GKKE, dass kleine und leichte Waffen sowie Munition
deutscher Herkunft weiterhin auf dem Weltrüstungsmarkt auf rege
Nachfrage stoßen. Auch im Jahr 2007 haben deutsche Lieferungen erneut
Regionen und Empfängerländer erreicht, in denen die regionale Stabilität
und Sicherheit gefährdet sind oder interne oder grenzüberschreitende
Konflikte gewaltsam ausgetragen werden. Gerade das Engagement der
deutschen Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit, die Verbreitung
dieser Waffen einzudämmen, verlangt nach einer äußerst zurückhaltenden
Genehmigungspraxis. Dies schließt auch ein, bei der Vergabe deutscher
Ausfuhrlizenzen auf die Einhaltung des Prinzips „neu für alt“ zu dringen.
Der Empfängerstaat sollte verpflichtet werden, Altbestände überprüfbar zu
zerstören und nicht weiterzuverkaufen. Hinzu kommt die dringende Mahnung,
den gesicherten Endverbleib gelieferter Waffen zu gewährleisten.
Die im Jahr 2007 deutlich gestiegenen Munitionsexporte aus Deutschland
verweisen auf zusätzliche Herausforderungen an eine Rüstungsexportpolitik,
die sich an Frieden, Sicherheit und Entwicklung orientiert.
Kontroversen um deutsche Rüstungsexporte
Verlust an politischer Richtungskontrolle des Bundestages
(0.13) Der Bundestag hat die Berichte der Bundesregierung zu ihrer Rüstungsexportpolitik
seit dem Jahr 2003 nicht mehr im Plenum erörtert. Dies
signalisiert, dass die Rüstungsexportpolitik zu einem Randthema des politischen
Alltags geworden ist. Allerdings hat sich das Parlament durchaus
mit Einzelfragen der Verbreitung von Waffen befasst. Gerade Oppositionsparteien
haben mit ihren parlamentarischen Möglichkeiten Auskünfte über
einzelne Aspekte von Rüstungsgeschäften von der Bundesregierung verlangt.
Die GKKE sieht dreierlei Gefahren: In der Sache droht eine Beschädigung
des Konsenses über eine restriktive Rüstungsexportpolitik und des Bemühens um mehr Kohärenz – auf moralischer Ebene scheint die Verknüpfung
von Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik als Merkmal deutscher
Außenpolitik zur Disposition zu stehen – in institutionellen Zusammenhängen
konsolidiert sich eine Gewichtsverschiebung zugunsten der Exekutive
und zu Lasten des Parlaments. In der Summe verliert der Bundestag seine
Kompetenz der politischen Richtungskontrolle, wie es sich ähnlich bei anderen
„Querschnittsthemen“, wie in der Entwicklungspolitik und der Krisenprävention,
abzeichnet.
Deutsche U-Boot-Lieferungen an Pakistan
(0.14) Im Berichtsjahr war der sich anbahnende Transfer von drei
U-Booten des Typs 214 nach Pakistan Gegenstand politischer Kontroversen,
zumal das Geschäft mit einer Ausfallbürgschaft in Höhe von 1,029
Mrd. € abgesichert werden soll. Auf Grund der ungewissen politischen Situation
im Empfängerland sind die Verträge noch in der Schwebe. (Stand:
Oktober 2008)
Nach Einschätzung der GKKE widerspricht die wohlwollende Haltung der
Bundesregierung zu dem U-Boot-Transfer nach Pakistan den von ihr selbst
gesetzten Maßstäben, wie sie ihren Niederschlag in den Politischen
Grundsätzen für die Ausfuhr konventioneller Rüstungsgüter (2000) und in
dem EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren (1998) gefunden haben.
Zudem sieht die GKKE die Gefahr eines unkontrollierten Technologietransfers
mit Proliferationsrisiken. Beides kann geeignet sein, die regionale
Rüstungsdynamik zu verschärfen. Dass bei der Zusage einer Ausfallbürgschaft
auch Arbeitsplatzargumente zum Zuge kamen, entwertet gegenläufige
Vorgaben der Politischen Grundsätze. Deshalb fordert die GKKE von
der Bundesregierung, die bereits erteilte positive Antwort auf eine entsprechende
Voranfrage zu widerrufen, auch wenn dies der erste Fall wäre,
in dem das geschieht.
Staatliche Ausfallbürgschaften für Rüstungsexporte
(0.15) Die Bundesregierung hat im Jahr 2008 offenbart, dass im Vorjahr
Transfers von Rüstungsgütern aus der Kriegswaffenliste an zwölf Staaten
in Höhe von 1,678 Mrd. € durch staatliche Ausfallbürgschaften abgesichert
worden sind.
Demgegenüber hält die GKKE daran fest, dass Rüstungsexporte nicht
durch die Gewährung staatlicher Garantien gefördert werden sollen. Das
kommt einer Entlastung der beteiligten Unternehmen von Geschäftsrisiken und einer indirekten Subventionierung deutscher Rüstungsausfuhren
gleich.
Deutsche Waffen auf dem georgisch-russischen Kriegsschauplatz
(0.16) Die Bundesregierung hat bislang keine plausible Erklärung dafür
liefern können, unter welchen Umständen das moderne G36-Gewehr in die
Hände georgischer Sicherheitskräfte gelangt ist, obwohl ein entsprechender
Antrag von Georgien auf eine Ausfuhrgenehmigung abgelehnt worden
war.
Die GKKE wertet diesen Vorgang als Hinweis darauf, dass die Regelungen,
die einen gesicherten Endverbleib von Waffen und Rüstungsgütern gewährleisten
sollen, nicht effizient sind. Sie warnt vor der Gefahr, dass sich
das G36-Gewehr ähnlich unkontrolliert verbreitet wie einst das G3-
Gewehr, das heute auf vielen Kriegsschauplätzen verwendet wird.
Insgesamt zeigen Daten zu deutschen Rüstungstransfers nach Georgien
über einen längeren Zeitraum hin, dass das Land zu einem relevanten Abnehmer
deutscher Waffen und Rüstungsgüter in der Kaukasus-Region geworden
ist. Gerade im Vorfeld der jüngsten militärischen Auseinandersetzungen
mit Russland hatte es sich um deutsche Lieferungen bemüht, dem
die Bundesregierung allerdings nicht in vollem Umfang entsprochen hat.
Insofern ist durchaus von Sensibilität im Umgang mit Exportanträgen auszugehen,
was im Widerspruch zu der offiziell bekundeten Unwissenheit
über die georgischen Rüstungsanstrengungen steht.
Internationale Ansätze zur Kontrolle des Waffenhandels
EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren
(0.17) In diesem Jahr ist Anlass, auf das zehnjährige Bestehen des EUVerhaltenskodexes
für Waffenausfuhren von 1998 zurückzublicken. Seine
Kriterien geben Standards vor, die bei der Genehmigung von Rüstungstransfers
„in Rechnung zu stellen sind“, „beachtet werden sollen“oder
zumindest „zu berücksichtigen sind“. Praktische Erfahrungen führten inzwischen
dazu, sie in Handbüchern zu präzisieren. Gleichzeitig sieht der
Kodex eine wechselseitige Konsultationspflicht in Fällen vor, in denen ein
EU-Mitgliedsstaat einen Ausfuhrantrag abgelehnt hat und ein anderer
Staat sich erneut mit einem Genehmigungsbegehren konfrontiert sieht. In
der Handhabung des Kodexes hat sich mittlerweile ein dichtes Netz von
Austausch auf der administrativen Ebene entwickelt. Auch haben ihn Staaten,
die nicht der Europäischen Union angehören, übernommen.
(0.18) Das Vorhandensein des Verhaltenskodexes hat jedoch nicht verhindert,
dass EU-Mitgliedsstaaten immer wieder Rüstungstransfers genehmigt
haben, die seinen Zielen widersprechen. Auch hat er nicht einer Konkurrenz
europäischer Anbieter bei Aufträgen aus Drittstaaten Einhalt geboten.
Von einer Harmonisierung der Rüstungsexportpolitik innerhalb der
Europäischen Union kann nur bedingt die Rede sein. Bei allem Zugewinn
an wechselseitiger Information und Transparenz fehlt dem Dokument weiterhin
die rechtliche Verbindlichkeit.
Deshalb wiederholt die GKKE ihren Appell an die Bundesregierung, ihre
Bemühungen um eine Aufwertung des Kodexes zu einem Gemeinsamen
Standpunkt fortzusetzen, zumal die technischen Vorbereitungen dazu seit
Jahren abgeschlossen sind. Dann wäre er für nationale Gesetzgebungen
bindend.
Ferner hält es die GKKE angesichts der Bemühungen seitens der Europäischen
Kommission, Rüstungstransfers innerhalb der Union zu erleichtern,
für geboten, restriktive Vorgaben für Exporte in Drittstaaten nicht aufzuweichen, Vorsorge für gesicherte Endverbleibsregelungen gelieferter Rüstungswaren zu treffen und die Transparenz bei Rüstungsgeschäften zu erhöhen.
Außerdem stellt die GKKE fest, dass das Anliegen, die europäische
Rüstungskooperation zu fördern, nicht mit dem Aufbau eines europäischen
Rüstungsexportkontrollregimes korrespondiert.
Weltweiter Vertrag zur Kontrolle des Waffenhandels (Arms Trade Treaty, ATT)
(0.19) Im Kreis der Vereinten Nationen haben Bemühungen Aufschwung
erfahren, auf eine globale Regelung zur Kontrolle des Waffenhandels zuzugehen.
Dabei sollen Rüstungstransfers verhindert werden, die schwerwiegende
Verletzungen von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts
nach sich ziehen oder eine nachhaltige Entwicklung im Empfängerland
hindern. Die Bundesregierung unterstützt dieses Vorhaben und
beteiligt sich an den vorbereitenden Verhandlungen. Sie strebt an, Dualuse-
Güter und die Lieferung von Munition einzubeziehen. Das Anliegen
eines ATT hat auch die Unterstützung von Bundestagsabgeordneten gefunden.
(0.20) Die GKKE begrüßt das Engagement der Bundesregierung. Sie sieht
aber gemeinsam mit ihren Partnern gerade in Ländern, die von Gewaltkonflikten erschüttert werden, die Notwendigkeit, dem Projekt eines ATT
in Politik und Öffentlichkeit noch mehr Nachdruck zu verleihen. Zudem
geben die geringen Fortschritte bei dem seit 2001 laufenden Programm,
die illegale Verbreitung von kleinen und leichten Waffen einzudämmen,
Anlass, vor zu großem Optimismus zu warnen.
Außerdem regt die GKKE an, die Kontrolle der Tätigkeit privater Sicherheitsdienstleister einzubeziehen. Sie sieht die Gefahr einer Erosion des
staatlichen Gewaltmonopols durch die Privatisierung von Sicherheitsleistungen.
Lizenzierungen entsprechender Dienstleistungen sollten in Anlehnung
an allgemeine rüstungsexportpolitische Regeln erfolgen.
Verbot von Streumunition
(0.21) Ein positives Ergebnis erreichten die von der norwegischen Regierung
initiierten Anstrengungen zu einem weltweiten Verbot von Streumunition.
Am 30. Mai 2008 einigten sich Repräsentanten von mehr als 110
Staaten auf eine entsprechende Konvention, die im Dezember 2008 in
Oslo unterzeichnet werden soll. Sie verpflichtet alle unterzeichnenden
Staaten, keine Streumunition zu entwickeln, zu produzieren, anzuschaffen,
zu lagern oder zu transportieren. Außerdem verbietet sie den Einsatz
dieser Waffen. Deutschland und andere NATO-Staaten setzten aber durch,
dass sie an Militäroperationen gemeinsam mit Staaten, wie den USA, teilnehmen
können, die sich dem Verbot nicht anschließen wollen.
Die Bundesregierung hat den „Oslo-Prozess“ unterstützt und will sich nun
für die Ratifikation der Übereinkunft einsetzen. Sie hat die Bereitschaft
erklärt, in Zukunft auf Streumunition zu verzichten.
(0.22) Die GKKE begrüßt die Einigung auf ein Verbot von Streumunition
und wertet dies als weiteren Erfolg einer „humanitären Rüstungskontrolle“.
Immerhin handelt es sich bei Streumunition um eine Waffe, deren
Einsatz dem humanitären Kriegsvölkerrecht widerspricht. Nicht aufgespürte
Blindgänger wirken auch nach dem Ende von Kampfhandlungen noch
verheerend. Die GKKE appelliert deshalb an die Bundesregierung, ihre Unterscheidung zwischen „gefährlicher“ und „nicht gefährlicher“ Streumunition
aufzugeben, nicht zuletzt, um dem Vorwurf einer zynischen Argumentation
zu wehren.
Quelle: Rüstungsexportbericht der GKKE, S. 3-12;
http://www3.gkke.org/fileadmin/files/publikationen/2008/REB_2008.pdf
Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Rüstungsexport
Zur Presse-Seite
Zurück zur Homepage