Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Waffenhandel – Das globale Geschäft mit dem Tod

Von Wolfgang Kirstein *

Wer dieses spannende Buch von Andrew Feinstein liest, muss damit rechnen, von den Fragen gequält zu werden, wieviel Bestechungsgelder die deutschen Rüstungsfirmen aufbringen müssen, damit die in Diskussion befindlichen Geschäfte mit Saudi-Arabien überhaupt zustande kommen, und wie der Transfer diesmal organisiert wird oder ob die arabische Herrscherfamilie beschlossen hat, fürderhin ohne Korruption auszukommen. Diese Fragen drängen sich auf, weil man bei Feinstein lesen kann: „Korruption grassiert in Saudi-Arabien, seit man dort auf Erdöl gestoßen ist … Der häufigste Fall ist der, dass ein Anbieter Kontakt zum saudischen Königreich sucht, einen Kontaktmann sucht und findet und diesen schmiert. … Der Kontaktmann gibt nun einen Teil des Geldes weiter an seinen Gewährsmann oder Entscheidungsträger innerhalb der königlichen Familie.“ Auf diese Weise finanziert die Herrscherfamilie ihren aufwendigen Lebenswandel unauffällig aus dem Etat ihres Staates. In diesem Zusammenhang zitiert Feinstein dann Lord Ian Gilmor, ehemaliger britischer Verteidigungsminister: „Entweder man kriegt den Vertrag und hat vorher geschmiert, oder man hat nicht geschmiert, und dann hat man ihn auch nicht bekommen. … Aber so sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen.“

Ausgehend von dem legendären „Al-Yamamah-Deal“, mit dem die eiserne Lady Margaret Thatcher 1985 dem soeben privatisierten, von der Pleite bedrohten britischen Rüstungskonzern Britisch Aerospace (BAE) einen Milliardenauftrag der Saudis sicherte, beschreibt Feinstein die Entwicklung saudischer Korruptionspolitik über die Jahrzehnte mit vielen Fassetten und Nuancen – und alles mit Quellen gut belegt.

Mit derselben Akribie und vielen belegten Details beschreibt der Autor die Entwicklung des militärisch-industriellen Komplexes in den USA, von Roosevelt über Eisenhower und Reagan bis Bush und Obama. Auch wer sich – wie viele in der Friedensbewegung – schon häufiger mit diesem Thema beschäftigt hat, findet auf den über 200 Seiten noch viele erhellende neue Informationen. Besonders beeindruckt, wie Feinstein das Zusammenwirken der unterschiedlichen Interessengruppen des Komplexes zur Gewinnoptimierung für alle Beteiligten beschreibt.

Zwar liegt Feinsteins Fokus auf der angelsächsischen Welt, aber er geht auch auf Deutschland ein: Im Kapitel „Alte Kameraden“ schildert er den Wiedereinstieg von Nazi-General Gehlen ins Geheimdienstgeschäft und von Altnazi Mertins ins Waffengeschäft. Über die schmutzigen Geschäfte von dessen Firma Merex wird ebenso berichtet wie über Schmiergelder im Zusammenhang mit der von Franz Josef Strauß eingefädelten Starfighter-Beschaffung.

Bedrückend ist das Kapitel, in dem der Autor, südafrikanischer Jude und einer der wenigen weißen Abgeordneten des ANC, schildert, wie BAE im Bündnis mit Saab (Schweden) Ende des letzten Jahrhunderts die gesamte ANC-Führung korrumpiert hat, um einen Auftrag zur Ausrüstung der Luftwaffe zugeschoben zu bekommen, dessen Umfang bei weitem das vorher Geplante überstieg und allemal das, was das Land sich angesichts seiner sozialen Probleme leisten konnte. Als er dies als Vorsitzender des zuständigen Parlamentsausschusses aufgedeckt hatte, hat er sich vom ANC getrennt und das Land verlassen.

Diese Erfahrung hat Andrew Feinstein den Impetus zu den umfangreichen Recherchen über Waffengeschäfte verliehen, deren Produkt das vorliegende Buch ist. Von dessen vielfältigen Themen konnten hier nur wenige angerissen werden, um deutlich zu machen: Jeder, der über Waffenexporte mitreden will, muss dieses Buch gelesen haben, auch wenn das bei 700 Seiten Text und über 100 Seiten Anmerkungen etliches an Zeit kostet. Aber: Das Buch liest sich wie ein Kriminalroman.

Andrew Feinstein: Waffenhandel – Das globale Geschäft mit dem Tod. Hoffman und Campe: Hamburg 2012, 847 Seiten; 29,99 Euro; ISBN 978-3-455-50245-9

* Wolfgang Kirstein, Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e. V.


Zurück zur Seite "Rüstungsexport, Waffenhandel"

Zurück zur Homepage