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Bundesregierung beschließt ersten Rüstungsexportbericht

Die amtliche Presseerklärung der Bundesregierung vom 20. September 2000 und erste Reaktionen

Das Bundeskabinett hat am 20. September 2000 den Rüstungsexportbericht 1999 beschlossen.

In dem Bericht werden die neuen Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Rüstungsexport dargestellt. Diese sehen einen restriktiven Umgang mit Genehmigungen vor und messen der Menschrechtssituation im Empfängerland besondere Bedeutung bei.

Außerdem schlüsselt der Bericht die von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen nach Empfängerländern, Art und Wert der Rüstungsgüter auf. Auch die abgelehnten Exportanträge werden dokumentiert

Der Bericht belegt aber auch, dass die deutschen Rüstungsexporte nur einen sehr geringen Anteil an den deutschen Gesamtexporten darstellen. So lag in den letzten Jahren der Anteil der Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter verglichen mit den deutschen Gesamtausfuhren bei zwei bis drei Prozent. Im Jahr 1999 betrug er sogar nur 0,7 Prozent. Drei Viertel der Rüstungsgüter werden dabei in EU-. NATO- oder diesen gleichgestellte Staaten exportiert (Schweiz, Australien, Neuseeland, Japan).

Die Bundesregierung erfüllt mit der Vorlage des Berichts eine Zusage, die sie im Koalitionsvertrag und in ihren neuen rüstungsexportpolitischen Grundsätzen gegeben hat. Sie verfolgt mit dem Rüstungsexportbericht das Ziel, ihre Politik beim Export konventioneller Rüstungsgüter gegenüber Parlament und Öffentlichkeit transparent zu machen.

Auch in Zukunft wird die Bundesregierung an ihrer restriktiven Genehmigungspolitik festhalten.

Stellungnahmen und Pressereaktionen:

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte, die neuen Richtlinien für Rüstungsexporte hätten sich als "wertlos" erwiesen, weil im Grenzfall der Türkei "wie früher entschieden wurde". Der Hinweis auf Menschenrechte habe sich "als Beiwerk entpuppt". Sie veröffentlichte die Antwort der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage nach der "menschenrechtlichen Situation in der Türkei", in der auf den im Juni publizierten Menschenrechtsbericht hingewiesen wurde. "Darin sind Foltervorwürfe dokumentiert", sagte die Abgeordnete und warf der Bundesregierung vor, "hieraus keine Schlüsse zu ziehen".
Auch mit der Ausfuhrgenehmigung für eine Munitionsfabrik in die Türkei setze sich die Regierung "über alle vorliegenden Erkenntnisse hinweg", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der FR. Einer Antwort auf die Frage, ob die Bundesregierung "hinreichenden Verdacht" für systematische Menschenrechtsverletzungen in der Türkei sehe, wich das Wirtschaftsministerium aus. (Frankfurter Rundschau, 21.09.00)

Die Ex-Justizministerin zog daraus den Schluss, dass die Rüstungsexport-Richtlinien "das Papier nicht Wert sind, auf dem sie stehen." (Süddeutsche Zeitung, 21.09.2000)

Gesamturteil: Verstreute Daten, bequem in einem einzigen Dokument zusammengefasst - aber von "nie da gewesener Transparenz" kann nur reden, wer nicht weiß, welche Daten auch bislang zugänglich waren. Das muss anders werden - spätestens nächstes Jahr. Dann sollte die Bundesregierung endlich konkret mitteilten, welche Rüstungsgüter wirklich in welches Land geliefert wurden. (Otfried Nassauer, BITS, in: taz, 21.09.2000)

Der Bundesausschuss Friedensratschlag stellte in einer Presseerklärung u.a. fest:
Von einer "restriktiven" Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung kann keine Rede sein. Das erste Prinzip, nach dem in Berlin Genehmigungen erteilt werden, lautet offenbar: Erlaubt wird, was der Wirtschaft nutzt. Das zweite Prinzip lautet: Transparenz herrscht, wenn wir etwas verlautbaren, egal wie viel es ist. Und das dritte Prinzip lautet: Menschenrechte machen sich gut bei der Begründung von Kriegseinsätzen, sie haben aber keinerlei Bedeutung für den Waffenexport.
Die Stellungnahme des Friedensratschlags in voller Länge

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