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EADS wird angeleint

Neuordnung der Machtverhältnisse: Deutscher Staat wird offiziell Miteigentümer und stärkt Position im europäischen Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern

Von Gerhard Feldbauer *

Daimler steigt bei EADS aus, der deutsche Staat engagiert sich: Der Autobauer, vor zwölf Jahren mit anderen Visionen Mitbegründer der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS), hat mit seinem Abschied auf Raten den Anstoß zu einer Neujustierung der Besitzverhältnisse gegeben. Seit vergangenen Freitag ist klar, daß der deutsche Staat offiziell Miteigentümer des Unternehmens wird. Bisher hatte Daimler dessen Interessen mit wahrgenommen.

Die Rolle der Stuttgarter resultiert aus der Struktur des damaligen Daimler-Benz-Konzerns als sogenannter integrierter Technologiekonzern. Mit der Deutschen Aerospace AG (DASA) war das Unternehmen zum »nationalen Champion« der Luft- und Raumfahrtindustrie geworden, bis diese Konzerndivision dann in EADS aufging. Daimler hielt zunächst 30, später 22,5 Prozent der Anteile am nunmehr europäischen Unternehmenskonglomerat. Jetzt hat der Automobilkonzern weitere 7,5 Prozent verkauft. 2,7 Prozent davon gingen an die deutsche Staatsbank KfW (ehem. Kreditanstalt für Wiederaufbau, dort halten der Bund 80 und die Bundesländer 20 Prozent der Stimmrechte), 1,9 Prozent an das 2007 von Daimler und der Bundesregierung gebildete Investorenkosortium Dedalus, dessen EADS-Aktiendepot damit auf 9,4 Prozent ansteigt. Der Rest ging an weitere Anleger.

Bereits zu Jahresbeginn 2012 hatte Daimler 7,5 Prozent seiner Aktien an die KfW verkauft. Bodo Uebber, Vorstand Finanzen und Controlling bei Daimler, betonte nun ausdrücklich: »Unsere Plazierung der EADS-Aktien erfolgt in Einklang mit den Interessen der Bundesrepublik Deutschland.«

Zu Dedalus gehören Commerzbank, Credit Suisse, Deutsche Bank, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank und Süd-Kapitalbeteiligungs-Gesellschaft. Auf das Konsortium üben Daimler und die KfW bestimmenden Einfluß aus. Es wurde vereinbart, daß sich alle privaten Investoren, die Landeskreditbank Baden-Württemberg-Förderbank sowie die Süd-Kapitalbeteiligungs-GmbH aus Dedalus zurückziehen. Verkäufe sollen auch hier vorzugsweise an die KfW gehen. Die Stimmrechte des Konsortiums werden vorerst weiter von Daimler ausgeübt.

Nach dem ersten Einstig der KfW war es zu heftigen Auseinandersetzung über das wachsende deutsche Gewicht in dem vor allem für die Rüstung entscheidenden Konzern gekommen. Der damalige Vorstandschef Louis Gallois war entschieden dagegen und argwöhnte eine »feindliche Übernahme«. Nach ihm hat im Juni 2012 der Bundeswehr-Reserveoffizier und spätere Mitarbeiter im Planungsstab des Verteidigungsministeriums, Thomas Enders, bei EADS das Kommando übernommen.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande wahrte Contenance und zeigte sich über den Deal und mit der neuen Eigentümerstruktur »zufrieden«. Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte, die deutsch-französische Partnerschaft werde »in Balance weitergeführt« und versprach, Deutschland und Frankreich würden »künftig in gleicher Höhe Anteile an EADS halten« (die mit jeweils 12,5 Prozent angegeben werden, Spanien soll vier Prozent behalten). Lange dürfte das nicht so bleiben. Wenn die KfW, die jetzt bereits über 12,1 Prozent verfügt, wie angekündigt, Anteile von Daimlers Rest übernimmt, würde die deutsche Staatsbeteiligung weiter ausgebaut. Das Wachstum des deutschen Bankengiganten verdeutlichen dessen Bilanzsummen: Von 1980 umgerechnet etwa 28 Milliarden Euro war sie 2010 auf 442, und 2011 bereits auf 494,8 Milliarden Euro gestiegen.

Wenn in den kommenden Wochen die Transaktion vollzogen wird, soll auch ein neuer Interessenvertreter Deutschlands in den EADS-Verwaltungsrat einziehen. Im Gespräch ist laut Spiegel Bahnchef Rüdiger Grube. Der stand bereits als Daimler-Vorstand einmal an der Spitze dieses Gremiums.

Die ökonomisch führende Großmacht Deutschland gewinnt jetzt vor allem stärkeres militärisches Gewicht bei EADS mit Tochtergesellschaften wie Airbus, Astrium und Cassidian. Airbus ist neben Boeing weltweit größter Flugzeugbauer. Astrium, mit den Projekten Galileo (satellitengestütztes Navigationssystem) und der Raumfahrtsparte um das Ariane-Raketenprogramm. Die direkte Rüstungssparte Cassidian ist weltweiter Marktführer bei modernsten Lösungen für Streitkräfte und zivile Sicherheit. Hier wird die Fertigung des Eurofighter koordiniert; der weltweit größte Hubschrauberhersteller Eurocopter baut u.a. den Kampfhelikopter Tiger. Demnächst wollen Deutschland und Frankreich zum Schutz der »nationalen Sicherheitsinteressen« gemeinsam »nationale Verteidigungsunternehmen« schaffen.

EADS war im Jahr 2000 aus DASA, der französischen Aerospatiale-Matra und der spanischen CASA gebildet worden. Heute arbeiten an über 170 Produktionsstandorten weltweit rund 133000 Beschäftigte für das Unternehmen, hauptsächlich in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, aber auch in den USA und Australien. Mit einem Umsatz von 49 Milliarden Euro ist der Konzern nach Boeing zweitgrößtes Luft- und Raumfahrtunternehmen. Die Umstrukturierung der EADS ist u.a. gegen die Konkurrenz aus Übersee gerichtet: Die USA, Australien, Kanada und Japan waren von Verkaufsangeboten ausgeschlossen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 11. Dezember 2012


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