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EADS sucht Hilfe

Integration von britischer BAE in mageren Zeiten: Manager von Europas größten Waffenschmieden verhandeln über mögliche Fusion

Von Dieter Schubert *

EADS und BAE Systems reden miteinander. Am Mittwoch war bekanntgeworden, daß der deutsch-französisch-spanische Rüstungskonzern (European Aeronautic Defence and Space Company) mit dem in London ansässigen Konkurrenten, an einer Fusion tüftelt. Agenturberichten zufolge sondieren Vertreter beider Unternehmen schon seit geraumer Zeit die Möglichkeit eines Zusammenschlusses. Der verspricht, falls er zustande kommt, viel Spaß für die Medien und allerlei Krampf und Theaterdonner in und aus Paris, Berlin und London. Denn hier feilschen nicht nur geldgierige Großkapitalisten. Auch die jeweiligen Regierungen stehen entweder selbst für Anteilseigner wie die Frankreichs und möchten mitmischen oder behalten sich das letzte Wort vor. Alles sieht nach einem großen Coup aus. Die bestehende Oligopolstruktur in der Militär- und Luftfahrtbranche würde verstärkt, potentielle Käufer hätten kaum noch die Wahl. Aber vielleicht ist es auch nur die Verzweiflungstat zweier stagnierender Möchtegern-Weltmarktführer.

EADS hat mit Airbus eine dominante Tochter, die 80 Prozent des Geschäfts ausmacht. Die ist hauptsächlich am zivilen Flugzeugmarkt aktiv und wetteifert mit dem einzigen Konkurrenten Boeing um die Vorherrschaft. Zwar wird von dem Firmenkonglomerat unter französisch-deutscher Führung auch diverses Kriegsgerät gebaut. Doch die Erfolge sind eher bescheiden.

So ist EADS zwar maßgeblich am Bau des Jagdflugzeuges Eurofighter »Typhoon« beteilig. Aber richtig begehrt ist der teure Jet nicht, und auch manch Luftwaffengeneral in Europa hätte wohl lieber Konkurrenzprodukte gekauft. Nur ging das dort nicht, wo die nationalen Regierungen Unsummen von Steuergeldern in die Entwicklung und Produktion des Jets gesteckt hatten.

Ähnlich das Schicksal des mit viel Tamtam angekündigten Kampfhubschraubers »Tiger« – den die Kommandeure dort, wo er bereits angeschafft wurde, am liebsten im Hangar stehen sehen. Ein Flop war bisher der Truppentransporter A400. Den will gar keiner haben, obwohl seine Entwicklung massig Geld verschlungen hat. Böse Zunge behaupten, das Teil habe Mühe, sich selbst zu befördern. Da bliebe kein Platz für Truppen und Gerät. Aber das können auch üble Gerüchte sein.

Fakt dagegen ist, daß die Militärs in Europa nicht aus dem vollen schöpfen können. Nach Bankenrettung und darauf folgender Staatsschuldenkrise mußten die Politiker bei den Rüstungsausgaben vorsichtiger als sonst agieren. Zwar führen EU-Staaten in ihrem Zwitterdasein als NATO-Mitglieder diverse Kriege – beispielsweise in Afghanistan. Oder sie geben sich Mühe, nach Libyen auch in Syrien mitzumischen. Nur die richtigen Bringer für dicke Aufträge an EADS sind das wohl nicht. Geld kann – wenn überhaupt – nur in den USA verdient werden, da wo die am schnellsten laufenden Banknotenpressen stehen.

Und dort machen die Briten als größter europäischer Rüstungskonzern bereits jetzt rund 40 Prozent ihres Umsatzes. Das ist ihr großes Plus und wahrscheinlich auch der Grund für die plötzliche Zuneigung seitens EADS. Dessen Konzernchef Thomas Enders möchte erklärtermaßen in den USA etwas mehr vom milliardenschweren Rüstungskuchen abbekommen. Er läßt Fabriken bauen, kooperiert mit ansässigen Firmen, betreibt aufwendige Lobbyarbeit in Washington. Nur – die großen Aufträge bekommt Boeing. Oder Northrop Grumman. Gemeinsam könnten EADS und BAE möglicherweise mehr erreichen.

Bislang verlautete, daß bei einem Zusammengehen die Kapitaleigner von EADS rund 60 Prozent Anteile der neuen Gesellschaft bekämen. Die BAE-Aktionäre erhielten den Rest. Das zu verwirklichen, dürfte nicht nur wegen der Einmischung der europäischen Regierungen schwierig werden. Auch die USA werden zustimmen müssen, denn im Zuge der »besonderen Beziehungen« kooperieren die Briten bereits intensiv mit US-Firmen bei wichtigen Rüstungsprojekten. Zudem meldete sich am Donnerstag Frankreichs Medienmogul Arnaud ¬Lagardère zu Wort und machte Vorbehalte geltend. Er werde erst einwilligen, wenn er alle Konsequenzen genau kenne, teilte die Lagardère-Gruppe in Paris mit. Das Projekt habe auch noch nicht die Unterstützung des EADS-Verwaltungsrates, hieß es weiter. La¬gardère hält zusammen mit der französischen Staatsholding Sogepa gut 22 Prozent der EADS-Aktien.

Entspannter scheint man in Berlin. Das Bundeskabinett suche »eine enge Abstimmung mit der französischen Regierung« in dieser Frage, erklärte ein Sprecher am Donnerstag. Derzeit befinde sich die deutsche Regierung im übrigen in »konstruktiven Gesprächen« über EADS.

Bisher ist Deutschland nur geringfügig und indirekt an dem Konzern beteiligt. Die Regierung verhandelt aber aktuell mit dem Großaktionär Daimler über den Ankauf eines Teils von dessen EADS-Aktienpaket. Allerdings treiben die neuen Pläne wohl auch da die Preise. Kaum war die Meldung zu BAE raus, verkündete Daimler, man könne auch die EADS-Aktien am freien Markt verkaufen. Dabei versuchen die Stuttgarter, die Papiere seit Jahren zu versilbern, nur die Regierung hat das bislang blockiert. Vielleicht hofft Daimler aber auch, die letzten Erinnerungen an den »Integrierten Technologiekonzern« loszuwerden, dessen Sparte DASA nach ihrer Abtrennung einst als Kernbestandteil in EADS aufgegangen war.

Bei dem aktuellen Deal geht es letztlich um die Zusammenlegung der Geschäftsfelder beider Unternehmen. EADS brächte dann rund 50 Milliarden Euro Umsatz mit, BAE knapp die Hälfte. An der Londoner Börse machte deren Aktienkurs nach Bekanntwerden der Pläne einen Sprung um 10,6 Prozent. Der von EADS gab indes zunächst nach. (Quellen: Reuters, AFP)

* Aus: junge Welt, Freitag, 14. September 2012


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