Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

EADS: Mit der Arbeitsplatz-Keule zu höheren Rüstungsausgaben

Von Fred Schmid *

Ja so ein Zufall. Zehn Tage vor dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 19. und 20. Dezember in Brüssel, entdeckte EADS-Boss Thomas Enders, dass 5800 Arbeitsplätze in der Rüstungssparte seines Konzerns zuviel an Bord seien und in den nächsten drei Jahren gekappt werden müssen; darunter 2600 Stellen in Deutschland. Wegen rückläufiger Waffenbestellungen der EU-Staaten. Am folgenden Tag schickte er einen weiteren Knaller hinterher: Gelinge es nicht, zusätzliche Exportkunden für den Eurofighter zu gewinnen, „werden wir ab 2018 weitere Arbeitsplätze abbauen müssen“, so Rüstungschef Bernhard Gerwert. Und rein zufällig ist das Schwerpunktthema der zweitägigen EU-Ratstagung, wie die „Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (GSVP) vor allem im Rüstungsbereich weiter vorangebracht werden kann.

Noch nie wurde eine vergleichbare Tagung derart konzentriert und konzertiert von der Rüstungslobby vorbereitet. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), deren Vorsitzender Wolfgang Ischinger zu Round Tables der Rüstungslobby und Ende April 2013 hundert handverlesene Rüstungsindustrielle, Spitzenmilitärs und Militärpolitiker zum ersten „Future of European Defence Summit“ nach Berlin einlud (Gipfel der europäischen Rüstungslobby, 3.5.13, www.isw-muenchen.de).

Es folgten diverse Studien und „Strategiepapiere“, darunter das Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP-aktuell. Oktober 13) unter dem Titel „Eine Agenda für den Europäischen Verteidungsrat 2013“. Darin wird dem EU-Gipfel empfohlen, sich auf „Flaggschiffprojekte“ wie z.B. „Ein Drohnen-Programm als Technologietreiber“ zu einigen.

In einem „Informellen Treffen der EU-Verteidigungsminister“ Anfang September im litauischen Vilnius debattierten diese ebenfalls Maßnahmen zur Stärkung der der GVSP auf der Grundlage eines „Strategiepapier“ der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Auch Ashton forderte darin die EU-gemeinsame Entwicklung eines hochleistungsfähigen Drohnenprogramms zum „dual use“, also für militärische wie „zivile“ Verwendungen – z.B. zur Überwachung der EU-Grenzen.

Europa müsse als Sicherheits-Dienstleister „entscheidend handeln“ können, so Asthon, „möglichst in Partnerschaft, nötigenfalls aber auch autonom in seiner Nachbarschaft, direkte Intervention eingeschlossen“, heißt es in dem Papier. Und: „Die Union muss zur Verteidigung ihrer Interessen in der Lage sein, indem sie zur internationalen Sicherheit und Krisenbeseitigung beiträgt und zur Machtprojektion in der Lage ist“ (zit. nach HB, 4.913).

Am gleichen Tag, an dem Enders jetzt sein Stellenabbau-Programm bekanntgab, veröffentlichte das EU-Parlament eine Studie seines wissenschaftlichen Dienstes unter dem Titel „Cost of Non-Europe Report“. Auf 88 Seiten werden die Missstände der europäischen Verteidigungspolitik aufgeführt: „Verschwenderische Überkapazitäten, Duplikationen, fragmentierte Industrien und Märkte“ (zit. nach Spiegel, 9.12.13). Die Mehrkosten, die wegen dieses „Nicht-Europa“ entstehen, werden auf mindestens 26 Milliarden Euro beziffert.

„Rein ins ´Pooling & Sharing`!“

Die „Studien“ und „Strategiepapiere“ passen wie bestellt für EADS-Enders. Nicht, dass der Rüstungsindustrielle etwa den europäischen Steuerzahlern Geld sparen möchte. Im Gegenteil. „Europa muss mehr in die Sicherheit investieren“ forderte er mit Sicherheitskonferenz-Ischinger in einem gemeinsamen Handelsblatt-Artikel (HB, 26.4.13). Durch die Kürzungen der Rüstungsetats seien bereits „Fähigkeitslücken“ entstanden. Doch die Budgets aller EU-Staaten – mit 190 Milliarden Euro (2012) mehr als China, Russland und Japan zusammen – müssten auf wenige Projekte in jeder Waffenkategorie gebündelt und auf wenige Rüstungsschmieden konzentriert werden. Die Zauberformel von Enders und Ischinger, die sie in einem gemeinsamen Handelsblatt-Interview im Frühjahr ausgaben, lautet: „Europa muss auch bei Sicherheit und Verteidigung raus aus der Kleinstaaterei und rein ins „Pooling and Sharing“ (Bündeln und Teilen“ (HB, 26.4.13) – also in die Zusammenlegung und gemeinsame Nutzung von Kapazitäten. Was natürlich mit der Einschränkung der Souveränität insbesondere kleinerer EU-Staaten verbunden ist und den größeren Mächten noch mehr Gewicht verleiht. Aber es gelte, den „Verteidigungsmarkt zu erhalten und zu restrukturieren“. Ischinger/Enders weisen darauf hin, dass man sich in Europa sechsmal so viele Waffensysteme leiste, wie die USA, wobei deren Rüstungsausgaben zweieinhalb mal so hoch seien. „Wir sind in vielen Bereichen zu klein, um uns weitere Fragmentierung und geringe Losgrößen leisten zu können“. Deshalb gelte es „Souveränität gegen Handlungsfähigkeit einzutauschen“. Womit man durchaus im Trend läge: Wenn die europäischen Staaten schon ihre fiskal- und geldpolitische Souveränität abgeben, können sie ihre militärischen und waffentechnischen Hoheitsrechte doch gleich dazu legen. Ashton denkt dabei an finanzielle Anreize zur Zusammenarbeit; z.B. könnten gemeinsame Waffenprojekte von Haushaltskürzungen ausgenommen werden (HB, 4.9.13).

So erweist sich Enders Job-Keule durchaus als Mehrzweckwaffe für die Durchsetzung seiner Konzern- und Profitpläne. Als Drohsystem, um die europäischen Regierungschefs zu „Pooling & Sharing“ anzutreiben. Als Druckmittel, um von der neuen Bundesregierung eine endgültige Aufgabe noch bestehender Rüstungsexport-Restriktionen zu erreichen. „Wir brauchen neue Exporterfolge, um zusätzlichen Arbeitsplatzabbau zu verhindern“, so der Spartenchef Gerwert. Die Keule schwebt aber auch über der Belegschaft, um diese zu „Flexibilität“ bei der Konzernumstrukturierung und „Verringerung der Arbeitskosten“ zu zwingen, wie es Personalvorstand Thierry Baril fordert. Schliesslich werden mehrere Werke, wie z.B. die bisherige Cassidian-Zentrale in München-Unterschleißheim stillgelegt. Der Sitz einer neuen Rüstungstochter, der Airbus Defence and Space, wird auf dem Konzerngelände in Ottobrunn installiert. Jürgen Kerner, das für den Rüstungsbereich zuständige Vorstandsmitglied der IG Metall signalisierte, dass seine Gewerkschaft den Konzernumbau mittragen wolle, „wenn sich damit ein tragfähiges Konzept verbindet, das die Rüstungskapazitäten in Deutschland auf lange Sicht auslastet und profitabel macht“ (zit. nach FAZ, 11.12.13). Einen besseren Ko-Manager könnte sich Enders nicht wünschen. Lediglich die Renditeziele sind dem Metaller etwas zu ehrgeizig und zu kurzfristig maximiert. Enders strebt ein höchst profitables Rüstungsgeschäft an. Sein Ziel ist eine Verdoppelung der Umsatzrendite im operativen Geschäft auf zehn Prozent bis 2015, was eine Top-Marke in der Industrie wäre. Dabei weist die Rüstungssparte Cassidian bereits im laufenden Geschäft die höchste Umsatzrendite unter allen EADS-Töchtern vor (ebenda). Mit einem derart hochprofitabel und fit getrimmten Konzern könnte dann auch die führende Stellung von BAE-Systems im europäischen Waffengeschäft angegriffen werden. Enders: „Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit im Verteidigungsgeschäft steigern – und wir müssen jetzt damit beginnen“. „Ein Konzern rüstet ab“, titelte die SZ zu den Stellenkürzungen und Umbauplänen (11.12.13). - Mitnichten!

* Fred Schmid, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung-isw, München


Zurück zur Rüstungs-Seite

Zurück zur Homepage