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Darbendes Kriegsgeschäft

Keine Rüstungsaufträge, keine Jobs: Führung des EADS-Konzerns plant offenbar empfindliche Arbeitsplatzvernichtung. Gewerkschaft antwortet mit Aktionstag *

Beim Rüstungskonzern EADS wird gespart. Was moderne Unternehmen darunter verstehen, ist hinlänglich bekannt: Kürzungen und Jobabbau, mindestens. Bei der European Aeronautic Defence and Space Company B.V. betrifft das derzeit im besonderen Maße die Rüstungssparte Cassidian (benannt nach dem lateinischen cassida/Helm und meridian/nach Norden und Süden weisend). Deren Zentrale ist im bayerischen Unterschleißheim angesiedelt, einem Standort, der offenbar zur Disposition steht. Medienberichten zufolge soll die Cassidian-Verwaltung an den deutschen EADS-Hauptsitz nach Ottobrunn bei München verlegt werden. Unterschleißheim werde aufgegeben, Teile der Produktion sollten an andere Standorte in Bayern verlagert werden, schrieb die Süddeutsche Zeitung am Montag unter Berufung auf unternehmensnahe Kreise. Ein Konzernsprecher wollte sich zu den Angaben nicht äußern.

In Unterschleißheim arbeiten für EADS derzeit rund 1500 Mitarbeiter, in Ottobrunn rund 2000. Doch das ist offenbar nur ein Teil des »großen Planes« von Konzernchef Thomas Enders. Der Luftfahrt- und Rüstungsmulti steht Insidern zufolge vor dem Abbau Tausender Stellen. Im Zuge der Zusammenlegung der zuvor getrennt agierenden Konzernsparten Cassidian, Airbus Military und Astrium (Raumfahrt) plant Enders einen tiefen Schnitt. Zahlen will der Spitzenmanager zwar erst am 9. Dezember nennen, wenn Gespräche mit den Gewerkschaften anstehen. Aber die Grundrichtung hatte er zuvor bereits in die Welt posaunt und bekräftigte das aktuell: Es habe Konsequenzen für Arbeitsplätze, wenn Rüstungsaufträge ausbleiben oder gekürzt werden, sagte der Bundeswehr-Reservemajor dem Magazin der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft vbw-Unternehmermagazin.

Soviel Getöse hat auch Gewerkschaften und Betriebsräte geweckt. Die IG Metall plant für Donnerstag (28. November) einen bundesweiten Aktionstag. Im Norden der Republik sind an den Konzernstandorten Hamburg, Bremen, Stade und bei Premium Aerotec im niedersächsischen Varel und Nordenham Kundgebungen geplant. »Wir brauchen weitere Investitionen und vor allem Innovationen, damit die 25000 Arbeitsplätze von EADS in Norddeutschland langfristig gesichert sind«, begründete der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken, am vergangenen Freitag in Hamburg die Maßnahme. Auch die Beschäftigtenvertreter des Werks in Bremen sehen die angekündigten »Sparmaßnehmen« mit Besorgnis. »So eine riesige Umorganisation trifft alle Sparten«, fürchtet Klaus Ahlborn, Betriebsratsvorsitzender bei Airbus in der Hansestadt. Hier am Standort seien alle Sparten vertreten. »Es könnten wieder Jobs verloren gehen«, meinte Astrium-Betriebsrat Jan Jensen. Vor allem bei Astrium, Cassidian und Airbus Military. Und kämpferisch fügte er hinzu: »Wenn es Kündigungen gibt, gibt es Krieg.«

Die Konzernführung wird das nicht ganz so ernst nehmen. Dennoch stehen Enders und Co. vor dem Problem, ihre Version des EADS-Modells durchzusetzen. Dabei hat es in der jüngeren Vergangenheit diverse Rückschläge gegeben. So konnte das nach Ansicht von Experten überteuerte Kampfflugzeug Eurofighter »Typhoon« bisher in nur recht bescheidenem Umfang Käufer finden: Die Schweizer orderten lieber bei Saab, Indiens Regierung machte einen Rückzieher, selbst europäische Nato-Partner bestellen ältere US-Modelle, statt des EADS-Produktes. Zuletzt gaben die Südkoreaner dem offiziell in Amsterdam, ansässigen Unternehmen einen Korb.

Und dann war auch noch eine von Enders im vergangenen Jahr geplante Blitzfusion mit dem britischen Rüstungsgiganten BAE von Berlin und Paris verhindert worden. Seltsamerweise gelang es dem Konzernchef unmittelbar darauf, den Einfluß Frankreichs, Deutschlands und Spaniens etwas zurückzudrängen. Nun bemüht sich EADS eifrig, als privatwirtschaftliches Unternehmen zu gelten. Dafür braucht es ein paar Zutaten mehr, als scheinbare Unabhängigkeit von den Gründerstaaten. Nach Informationen der IG Metall und der Betriebsräte will der Konzern deshalb 2015 eine »Rendite« von zehn Prozent erreichen.

Das mit dem schwindenden Staatseinfluß scheint zu stimmen: Die Bundesregierung jedenfalls stellt sich hinsichtlich der Kahlschlagpläne ahnungslos: »Darüber ist mir auch nichts bekannt, kann ich nichts zu sagen«, erläuterte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Freitag in Berlin seinen Kenntnisstand.

* Aus: junge welt, Dienstag, 26. November 2013


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