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Luftrivalen

US-Verteidigungsministerium favorisiert EADS-Tankflugzeuge. Konkurrent Boeing setzt auf politischen Druck

Von Dago Langhans *

Der harte Konkurrenzkampf zwischen den beiden Konzernen Airbus und Boeing beim Verkauf ihrer Neuentwicklungen im zivilen Luftfahrtbereich ist hinlänglich bekannt. Während sich Boeing-Manager in Chicago freuen, wenn Fluggesellschaften Airbus wegen verspäteter Auslieferung des neuen Superfliegers A 380 mit Konventionalstrafen drohen oder gar Bestellungen stornieren, läßt jede Produktionsverzögerung beim Boeing-»Dreamliner« bei Airbus ähnliche Hochgefühle aufkommen. Mit dem neuen Auftrag des US-Verteidigungsministeriums an den Airbus-Mutterkonzern EADS, in einer ersten Produktionsmarge insgesamt 179 neue Lufttanker für die US-Air Force zu bauen, erhält diese Rivalität eine neue Qualität. Allein das zunächst vereinbarte Auftragsvolumen von 35 Milliarden US-Dollar unterscheidet dieses Geschäft gewaltig von den bisherigen Deals im Zivilbereich.

Boeing hält bislang hinter Lockheed den zweiten Platz als Rüstungslieferant der USA. Mit dem in der vergangenen Woche bekanntgewordenen Auftrag bekommt EADS nun langfristig einen Fuß in die Tür zum lukrativsten Rüstungsmarkt der Welt. Als Türöffner dient bei diesem Deal der drittstärkste US-amerikanische Rüstungsproduzent Northrop Grumman, zu dessen Angebotspalette unter anderem der Tarnkappenbomber B-2, die Aufklärungsdrohne Global Hawk und die atomgetriebenen Flugzeugträger der Nimitz-Klasse zählen. Das europäisch-amerikanische Rüstungskonsortium kündigte an, die Endproduktion der neuen Tankflugzeuge in einer neuen Flugzeugfabrik in Mobile im Bundesstaat Alabama mit in Europa vorgefertigten Systemkomponenten anzusiedeln.

Die politische Debatte in den USA konzentriert sich im wesentlichen auf die Sicherung amerikanischer Arbeitsplätze und verläuft quer durch die Lager beider großer Parteien. Zu den einflußreichen Unterstützern von Northrop/EADS gehören die Senatoren Shelby und Sessions aus Alabama, wo das neue Flugzeugwerk entstehen soll, Senator Robert Byrd aus West Virginia, wo die neue Betankungseinrichtung »Boom« produziert werden soll, und der Gouverneur Haley Barbour aus Mississippi, wo die Marinewerften von Northrop angesiedelt sind. Auf der Gegenseite regt sich politischer Widerstand zugunsten Boeings durch Senatoren aus den Bundesstaaten Washington und Kansas, in denen große Produktionsstätten von Boeing untergebracht sind. Hätte Boeing den Zuschlag bekommen, würden die in Connecticut ansässigen Pratt-&-Whitney-Werke die Turbinen herstellen und Hamilton Sundstrand die Tankelektronik produzieren.

Konsequenterweise setzt sich eine Kongreßdelegation aus Connecticut vehement für die Boeing-Variante ein. Bei Pratt & Whitneys Erzrivalen General Electric rechnet man dank der Airbus-Lösung innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte mit einem Umsatzplus von fünf Milliarden US-Dollar.

Die demokratische Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, forderte eine umfassende Kongreßuntersuchung des Militärauftrages. Branchenkenner hingegen halten es für unwahrscheinlich, daß der Deal durch parlamentarische Initiativen zu Fall gebracht wird. Die von Boeing verlangte Audienz im Pentagon zur »Klärung offener Fragen« dürfte das Milliardenprogramm nicht aufhalten.

Boeing ist seit 50 Jahren Hauptauftragnehmer der US-Lufttankerflotte. Diese stellt das Rückrat nicht nur der strategischen Luftverbände dar, denn sie macht die US-Luftstreitkräfte tendenziell unabhängig von einem ausgedehnten Netz von Bodenstützpunkten. Wegen der Überalterung der Flotte mußten sich die Rüstungsbeschaffer jetzt schnell zwischen zwei für militärische Zwecke modifizierten Typen, der Boeing-767 und des Airbus A 330, festlegen. Offenbar irritiert durch die vagen Kostenvoranschläge aus dem Hause Boeing entschied sich die Air Force für das auf wesentlich konkreteren Kalkulationen basierende Angebot des Konsortiums EADS/ Northrop Grumman. Insbesondere bei Rüstungsgeschäften gehören nachträgliche Kostenanpassungen nach oben zugunsten der Konzerne mittlerweile zur Routine. Northrop gilt bei den Bestellern im US-Kriegministerium hingegen - anders als Boeing - auch in Kostenfragen als zuverlässiger Partner. Unvergessen bleibt zudem die Affäre um Darleen Druyun, die bei der Air Force seinerzeit für Beschaffung zuständig war. Sie hatte Boeing 2002 Details von Angebotsunterlagen der europäischen Konkurrenz zugespielt und war nach dem Ausscheiden aus dem Pentagondienst als Dank in das mittlere Management des Chicagoer Unternehmens gerutscht. Damals hatte Boeing vergeblich versucht, dem Pentagon eine Mietflotte von 100 neuen Tankflugzeugen zu einem überteuerten Preis von 24 Milliarden US-Dollar anzudienen. Das politische Nachspiel dieses Skandals zwang Boeing, sowohl Druyun als auch den Finanzchef Michael Sears zu entlassen. Druyun erhielt später gar eine neunmonatige Gefängnisstrafe.

Airbus-Chef Thomas Enders feierte den Pentagon-Auftrag jedenfalls als »großen Schritt beim Ausbau unserer Militäraktivitäten« und betonte gleichzeitig die Notwendigkeit weiterer Einsparmaßnahmen und des bereits beschlossenen Stellenabbaus in Europa. Dank der aktuellen Kursgewinne wird EADS sicherlich noch binnen Jahresfrist auf Einkaufstour in den USA gehen. EADS folgt damit dem Beispiel des größten europäischen Rüstungskonzerns BAE-Systems, der in den vergangenen Monaten durch zahlreiche Übernahmen US-amerikanischer Rüstungsfirmen für Schlagzeilen sorgte.

* Aus: junge Welt, 10. März 2008


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