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Streitfrage: Sollten deutsche Rüstungsexporte verboten werden?

Es debattieren: Andreas Buro, Friedensforscher, und Klaus Barthel, MdB-SPD


»Made in Germany« ist seit jeher ein Gütesiegel für Qualität. Das gilt nicht nur für die Automobilindustrie oder den Maschinenbau, sondern auch für die hiesige Rüstungsindustrie. Ob Israel, Ägypten, Indonesien, Saudi-Arabien oder Mitgliedsstaaten der NATO - alle sind sie scharf auf Kriegsgerät aus deutschen Fabrikhallen.
In jüngster Vergangenheit geriet insbesondere ein Geschäft mit dem saudischen Königshaus in die Schlagzeilen. Saudi-Arabien will seine Streitkräfte mit »Leopard«-Kampfpanzern »Made in Germany« ausstatten. Da stört es wenig, dass die Ölscheichs am Golf wegen Nichtbeachtung der Menschenrechten massiv in der Kritik stehen. Hauptsache die Kasse stimmt, scheint die Devise der Konzerne und Politiker zu sein.
Die im Folgenden dokumentierten Debatten-Beiträge sind im "neuen deutschland" erschienen.



Mobutu, Pinochet und Co. lassen grüßen

Von Andreas Buro *

Rüstung soll angeblich Sicherheit und Frieden dienen. Panzer nach Saudi-Arabien und Indonesien dienen jedoch der Unterdrückung der Bevölkerung, U-Boote für Israel den verbesserten Angriffsmöglichkeiten gegen Iran und Giftgas in Syrien der Abschreckung vor einem israelischen Angriff und so weiter. Von Sicherheit und Frieden keine Spur!

Rüstungsexport hat eine wirtschaftliche und eine politische Dimension. Führende Rüstungsfirmen sind an ständiger quantitativer und qualitativer Aufrüstung zur Umsatz- und Gewinnsteigerung interessiert. Sie betreiben diese gemeinsam mit dem Militär. Schon 1961 warnte General Eisenhower als scheidender US-Präsident vor dem militärisch-industriellen Komplex, der dazu beitragen könne, Konflikte eher militärisch als politisch zu lösen. Die politische Dimension des Rüstungsexports wird in einer Überschrift der »Frankfurter Rundschau« vom 28.8.12 deutlich: »USA rüsten Irans Nachbarn auf«. Die Parteigänger der einen oder anderen Großmacht werden - natürlich auf deren Kosten - aufgerüstet, damit sie später als »Willige« in militärischen Konflikten auf der eigenen Seite mitkämpfen. Ob es sich bei diesen Willigen um Diktatoren handelt oder nicht spielt keine Rolle - Mobutu bis Pinochet, Mubarack und König Abdullah lassen grüßen.

Rüstungsimporteure wollen verständlicherweise möglichst moderne Waffen. Rüstungsexport aus den hoch industrialisierten Ländern bedient diesen Wunsch und treibt damit ständig das technische Niveau der Aufrüstung in der Welt in die Höhe. Damit wird in den importierenden Ländern die Stellung des Militärs gestärkt, nicht aber die Demokratie.

Die exportierenden Länder müssen jedoch dafür sorgen, dass durch ihre Exporte ihre militärische Vorrangstellung nicht gefährdet wird. Also treiben sie die Forschung und Produktion zur Erzeugung noch leistungsfähigerer Tötungs- und Verwüstungsmittel voran. Zu den traditionellen Schlachtfeldern werden gegenwärtig Drohnentechnik, Möglichkeiten des Cyber War und der Kriegsführungsoptionen aus dem Weltraum erforscht und Teilergebnisse bereits umgesetzt.

Das begründet das Bemühen von Rüstungskonzernen und Militär, sich an Universitäten, Forschungsstätten und Schulen einzunisten. Dazu dient die Vergabe von Förderungsmitteln, die an die Forschung von militärisch-relevanten Themen gebunden sind. Dazu dienen auch von Seiten der Bundeswehr Verträge mit den Bundesländern zur Einflussnahme auf Schüler und Schülerinnen. Fazit: Die Militarisierung von Forschung und Lehre.

Frieden und Sicherheit können nur durch Kooperation und friedliche Konfliktlösung erreicht werden. Das erfordert die Bereitschaft der Regierungen, eine solche Orientierung einzunehmen und entsprechende Kapazitäten für zivile Konfliktbearbeitung aufzubauen. Die ständige Aufrüstung auch über Rüstungsexporte und die sie begleitenden Legitimationsideologien (Gerechter Krieg, Humanitäre Intervention, Letztes Mittel) weisen genau in die entgegengesetzte Richtung. Träger anderer Interessen sind danach Feinde, die man mit den guten Waffen aus Deutschland bekämpfen und militärisch in Schach halten muss. Deshalb werden die politischen Regeln zur Beschränkung des Rüstungsexports, nach denen Waffen nicht in Krisengebiete geliefert werden dürfen, ständig und aktuell zunehmend unterlaufen. Die Absichten, Panzer nach Saudi-Arabien und Indonesien zu liefern, illustrieren dies drastisch.

2011 sind die deutschen Rüstungsexporte um etwa 50 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro gestiegen. Die größten Posten entfielen auf Portugal mit 811 Millionen Euro und auf Griechenland mit 403 Millionen Euro. Die rot-grüne Regierung hatte 2005 die Lieferung von U-Booten genehmigt. Das sind die beiden Länder in der Eurozone mit den heute größten finanziellen Problemen. Diente das Frieden und Sicherheit oder der Unterstützung deutscher Werften?

Das wirft die Frage auf, wie wichtig Rüstungsexporte für die deutsche Wirtschaft sind. In den Gewerkschaften wird dies heiß diskutiert, denn es geht auch um Arbeitsplätze. Die Antwort ist dennoch einfach: Trotz der jüngsten Steigerungen betrug der Anteil der Rüstungsexporte am deutschen Gesamtexport von 906,62 Milliarden Euro (Juni 2011 bis Mai 2012) laut Statistischem Bundesamt sage und schreibe nur 0,23 Prozent. Dies ist volkswirtschaftlich irrelevant. Auch aus dieser Sicht sollte Deutschland auf Rüstungsexporte verzichten und Berlin sie verbieten.

* Andreas Buro, 1928 geboren, ist Professor für Politikwissenschaft und Friedensaktivist. Er hat die deutschen Ostermarschbewegung mitgegründet.


Unter Schwarz-Gelb droht der Dammbruch

Von Klaus Barthel **

Ein völliges Rüstungsexportverbot ist nur dann sinnvoll, logisch und moralisch integer, wenn damit eine totale eigene Abrüstung und Gewaltverzicht ebenso verbunden wären wie der Austritt aus jeglichem Militärbündnis. Für mich persönlich sehr sympathische und erstrebenswerte Ziele. Das muss man dann aber auch ehrlicherweise so diskutieren und fordern.

Wer das aber nicht tut bzw. keine solche Perspektive aufzeigen kann, muss sich fragen lassen, wie er sich bei eigener Bewaffnung eine ökonomisch vertretbare Eigenproduktion oder den Rüstungsimport mitsamt den damit verbundenen Abhängigkeiten vorstellt. Auch wäre für den Mitgliedsstaat eines Militärbündnisses zu klären, welchen Sinn eine Beistandsverpflichtung macht, die Waffenlieferungen ausschließt. Wer aber ein Rüstungsexportverbot für Deutschland unter den aktuell gegebenen Bedingungen für wenig realistisch hält, darf daraus gerade nicht die Legitimation für jeden markt- oder interessengetriebenen Waffenhandel ableiten, wie dies die derzeitige Bundesregierung tut. Ob zahlungsunfähige europäische Krisenstaaten, ob menschenrechtlich höchst fragwürdige »Eckpfeiler deutscher Sicherheitsinteressen« wie Katar und Saudi-Arabien, ob Spannungsgebiete in Südasien, every-thing goes: Panzer, Eurofighter, Gewehre, U-Boote...

Schwarz-Gelb reißt alle Schranken nieder, die in vergangenen Jahrzehnten mühsam errichtet wurden, zuletzt im Jahr 2000 mit den Rüstungsexportrichtlinien. Einzelne Sünden gab es schon bisher, aber jetzt drohen alle Dämme zu brechen: Deutschland als drittgrößter Waffenexporteur der Welt weist in den letzten Jahren Spitzenwachstum auf diesem Gebiet auf.

Die Interessen sind mächtig: Einerseits suchen deutsche Rüstungsfirmen jenseits der finanzkrisengeplagten NATO-Staaten neue Absatzmärkte, andererseits wachsen Spannungen und Zahlungsfähigkeit in Konfliktregionen wie dem Nahen Osten. Ohne massives politisches Gegensteuern steht eine globale Aufrüstungsrunde bevor.

Nach dem bedauerlichen Scheitern eines weltweiten Waffenhandelsvertrages fällt der Bundesregierung nichts Besseres ein, als über die NATO zu weiteren Lockerungen von Rüstungsexportbeschränkungen zu gelangen. Ziemlich unverhohlen strebt Kanzlerin Angela Merkel einen Kurswechsel zu einer Waffen-Export-Offensive an. Und das, obwohl die Bundesrepublik ökonomisch angesichts enormer und erneut steigender Außenhandelsüberschüsse kein wirkliches Interesse daran haben kann, ausgerechnet seinen zahlenmäßig unbedeutenden Waffenexportanteil von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auszuweiten.

Dies gilt umso mehr, als man um die insgesamt verheerenden Folgen des weltweiten Waffengeschäftes weiß. So beschreibt Andrew Feinstein die zerstörerischen Strukturen, den Waffenhandel als Einfallstor für Korruption und Gewalt in vielen Teilen der Welt, die damit verbundenen auch ökonomischen Schäden und gefährlichen Verflechtungen zwischen Politik, Unternehmen, Behörden und schlichten Kriminellen. Besonders bei uns in Deutschland ist der Rüstungsexport mit Geheimniskrämerei und Spekulation verbunden. Die Öffentlichkeit erfährt oft erst Jahre später von höchst brisanten Geschäften, wenn mal wieder deutsche Waffen an der falschen Stelle auftauchen. Parlamentarische Beteiligung, Transparenz und frühzeitige Veröffentlichung müssen die Geheimdiplomatie des Bundessicherheitsrates ablösen. Dazu hat die SPD-Bundestagsfraktion aktuelle praktikable Vorschläge gemacht (Drucksache 17/9188). Erst wenn mehr Öffentlichkeit hergestellt wird, kann überhaupt über den Sinn und Unsinn von Rüstungsexporten diskutiert werden. Genau das scheut die Bundesregierung.

Darüber hinaus brauchen wir neue Initiativen zur Diversifikation und Konversion, um den notwendigen Strukturwandel in den betroffenen Betrieben nicht bei den Beschäftigten abzuladen. Die IG Metall hat dazu eine neue Initiative zum Beispiel mit dem Vorschlag der Einrichtung eines Branchenrates gestartet, mit der sie auch die Ablehnung von Exporterleichterungen verbindet.

Wir brauchen ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Rüstungsexporte. Die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung könnten ein Weckruf für die Mehrheit der Bevölkerung sein, die eine Ausweitung der Rüstungsexporte strikt ablehnt.

** Klaus Barthel, Jahrgang 1955, sitzt seit 1994 für die SPD im Bundestag. Er wird dem linken Flügel der Sozialdemokratie zugerechnet.

Beide Beiträge aus: neues deutschland, Samstag, 8. September 2012 ("Debatte")



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