Bremen liefert das Zeug zum Krieg
An der Weser wird mehr für die Bundeswehr produziert als sonstwo im Land
Von Katharina Stockmann *
Die Freie Hansestadt Bremen bekennt sich in Artikel 65 ihrer
Landesverfassung zu Frieden und Völkerverständigung sowie der Förderung
der friedlichen Entwicklung der Welt. Das ist ein reines
Lippenbekenntnis, denn die Hansestadt mischt kräftig im Rüstungsgeschäft
mit. Laut dem Hamburger Militärexperten Lühr Henken ist der
Rüstungsstandort Bremen ein wichtiger Faktor für die Umstrukturierung
der Bundeswehr zur weltweit agierenden Interventionsarmee. »In der
Landesverfassung wird ein hehrer Anspruch formuliert, doch die Realität
sieht anders aus«, erläuterte Henken, Vorstandsmitglied des Hamburger
Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung sowie Sprecher
des Bundesausschusses Friedensratschlag im Gespräch mit der jungen Welt.
»In Bremen wird nicht für den Frieden entwickelt, sondern für den Krieg
produziert – und zwar kräftig.«
Von den bundesweit etwa 80000 Arbeitsplätzen im Rüstungsbereich befinden
sich 4000 in Bremen. Die Hälfte dieser Arbeitsplätze werde dem Bereich
›Dual-Use‹, das sind sowohl zivil als auch militärisch nutzbare
Produkte, und der Zuliefererindustrie zugerechnet. In diesem Zweig wurde
2005 von einem Gesamtumsatz von 15,5, Milliarden Euro bundesweit
ausgegangen. Eine Milliarde davon wurde in Bremen erwirtschaftet. Das
sind 6,5 Prozent der BRD-Produktion – in einer Stadt, in der 0,66
Prozent der Bundesbürger leben.
In Bremen sind Werke bzw. Zweigniederlassungen der wichtigsten
Rüstungsfirmen angesiedelt. Zum Beispiel von Atlas-Elektronik, dem
führenden Elektronikausstatter von U-Booten und Weltmarktführer bei
Minenabwehrsystemen. Auch Rheinmetall Defensive Electronics (RDE) ist in
Bremen zu finden – laut Eigenwerbung »das führende europäische
Systemhaus für Landstreitkräfte«.
Auf der Lürssen-Werft produzierte Korvetten der sogenannten
Braunschweig-Klasse sind ausgestattet mit den deutsch-schwedischen
Marschflugkörpern RBS 15 MK3, die eine Reichweite von 200 Kilometern
haben. Bei EADS Bremen werden die Rümpfe der 192 geplanten
Militärmaschinen A 400 M hergestellt. 60 davon erhält die Bundeswehr,
die sie ab 2011 einsetzen will. Damit können wahlweise
Kampfhubschrauber, Panzer oder 116 Soldaten mit Ausrüstung weltweit
transportiert werden. Die im Technikpark der Universität angesiedelte
Firma Orbitale Hochtechnologie Systeme (OHB) ist das
Generalauftragnehmer für die Herstellung des ersten
Aufklärungssatellitensystems der Bundeswehr, SAR-Lupe. Es erlaubt eine
nationale, von Wetter und Tageszeit unabhängige, präzise Erdbeobachtung
weltweit. Außerdem ist OHB an der Herstellung des EU-Navigationssystems
»Galileo« beteiligt, dem Konkurrenzunternehmen zum vom Pentagon
betriebenen GPS.
Henken zufolge ist Bremen ein wichtiger Faktor im Rüstungsgeschäft,
nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. »Die unter anderem auf
der Lürssen-Werft produzierten Korvetten sind ein spektakulär neues
Kampfmittel. Erstmals kann die Bundesmarine von der See aus Ziele weit
im Landesinneren treffen. Durch den A 400 M werden gravierende
Transportprobleme gelöst. Fallschirmspringer und Lasten können sogar
während des Fluges abgesetzt, das heißt es kann Nachschub in
Kampfgebiete gebracht werden. Die in Bremen entwickelte und produzierte
Technologie ist die Voraussetzung für die weltweite Einsatzfähigkeit der
Bundeswehr.
* Aus: junge Welt, 23. Dezember 2008
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