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Keine Illusionen trotz substantieller Debatten

Noch alles offen bei den Verhandlungen zum Waffenhandelsvertrag ATT bei den Vereinten Nationen

Von Jan van Aken *

In der zweiten Juli-Woche habe ich an den Verhandlungen zum Waffenhandelsvertrag ATT bei den Vereinten Nationen in New York teilgenommen. Noch ist dabei alles offen, aber seit ein paar Tagen wird endlich ernsthaft und konkret verhandelt. Die erste Verhandlungswoche vor meiner Ankunft war komplett von Verfahrensfragen bestimmt, so dass es praktisch keinen Fortschritt bei den eigentlichen Verhandlungen gab. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass einige Staaten den Erfolg der Verhandlungen mit allen Mitteln verhindern wollen.

Danach kamen die substantiellen Debatten endlich in Gang. Die Staaten konnten bis Mitte der Woche Textvorschläge zu den verschiedenen Elementen des ATT einreichen, die dann von den Vorsitzenden der zwei Arbeitsgruppen zusammengefasst wurden. Diese Kompilationen waren dann am Ende der Woche die Grundlage für Diskussionen des Textes im Detail.

Zu den Unterstützern eines starken ATT gehören neben Deutschland noch einige andere EU-Staaten und zum Beispiel auch Mexiko. Die Motivation ist hier aber durchaus unterschiedlich. Während Mexiko beispielsweise mit einem massiven Schmuggel von Waffen ins Land zu kämpfen hat und deshalb wie viele afrikanische Staaten eher aus Selbstschutz- und humanitären Gründen einen starken ATT befürwortet, hat Deutschland explizit auch den Schutz des legitimen Waffenhandels als zentrale Motivation benannt. Es mutet schon etwas absurd an, dass ausgerechnet Deutschland als größter Waffenexporteur Europas den ATT unterstützt. Das zeigt aber auch die internationale Situation: Die deutschen Exportkontrollen sind so lax, dass fast jede Waffe in fast jedes Land exportiert werden darf. In anderen Ländern ist die Situation aber noch schlechter, was die Notwendigkeit internationaler Standards untermauert.

Eine weitere Gruppe von Staaten ist durchaus bereit, einen ATT zu unterstützen, jedoch nur in abgeschwächter Form. Die USA beispielsweise wollen verhindern, dass Munitionshandel durch den ATT geregelt wird. Auch Russland und China gehören in diese Gruppe. Diese haben gemeinsam vorgeschlagen, die Kriterien für die Genehmigung eines Waffenexportes nicht im Haupttext des ATT selbst zu verankern, sondern sie in den Bereich der nationalen Implementierung zu verlagern. Praktisch heißt das, dass jedes Land selbst entscheiden muss/kann, mit welcher Formulierung und in welcher Form zum Beispiel das Menschenrechtskriterium als Versagungsgrund juristisch verankert wird – eine sehr viel schwächere Form als wenn eine "goldene Regel" explizit im Haupttext des ATT verankert wäre und damit rechtsverbindlich für alle Mitgliedsländer wäre, jenseits der nationalen Implementierungsmechanismen.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die Bundesregierung, die EU und andere grundsätzliche Befürworter des ATT ihren Roten Linien treu bleiben, damit am Ende kein Vertrag herauskommt, der einen derart niedrigen Standard setzt, dass er dauerhaft eher schadet als nutzt.

Insgesamt darf sich jedoch niemand Illusionen über einen ATT machen. So richtig und wichtig internationale Standards zur Einschränkung des Waffenhandels sind, sie werden immer niedriger liegen als die sowieso schon sehr schwachen deutschen Exportkontrollen. DIE LINKE setzt sich für ein vollständiges Verbot von Rüstungsexporten ein. Auf dem Weg zu einem vollständigen Stopp des Gewaltexports sind allerdings Zwischenschritte umzusetzen. Insofern kann der ATT nur ein allererster Schritt sein, um perspektivisch den Waffenhandel immer weiter einzuschränken.

* Jan van Aken ist außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.

Quelle: Website der Fraktion Die Linke im Bundestag, 17. Juli 2012; www.linksfraktion.de


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