Verbotsvertrag für Streumunition setzt neue humanitäre Standards, lässt aber auch Raum für neue Waffengenerationen und gemeinsamen Einsatz mit Nichtvertragsstaaten
Pressemitteilung des Aktionsbündnisses Landmine.de
Nach zähen Verhandlungen auf der Dubliner Konferenz zum Verbot von Streumunition (19.-
30.5.) haben sich die 110 Teilnehmerstaaten auf einen Vertragstext geeinigt, der ein
umfassendes Verbot derjenigen Streumunitionstypen festschreibt, die bislang zum Einsatz
gekommen sind. Der Vertrag wird am 2. Dezember 2008 in Oslo unterzeichnet und tritt nach
der 30. Ratifikation in Kraft.
Auch Deutschland hat, wenn auch widerwillig, seinen Widerstand in Bezug auf die
geforderten Ausnahmen und Übergangsfristen aufgegeben. Durchgesetzt hat die deutsche
Delegation allerdings, dass sensorgezündete Streumunition und Streuminen und sog.
Dispenserwaffen, mit denen auch Streumunition verschossen werden kann, nicht verboten
werden.
Die größte Schwachstelle des Vertrages stellt Artikel 21 dar, der den Vertragsstaaten erlaubt,
auch weiterhin an gemeinsamen Militäraktionen mit Nicht-Vertragsstaaten (z.B. den USA)
teilnehmen zu können, in denen diese Streumunition einsetzen. „Diese Ausnahme
unterminiert eindeutig das im Vertrag festgeschriebene Verbot, mit dem sich die
Vertragsstaaten u.a. verpflichten unter keinen Umständen Streumunition einzusetzen oder
dabei mitzuwirken, andere dazu zu ermutigen", beklagt Thomas Küchenmeister von
Aktionsbündnis Landmine.de. Ohne dieses Zugeständnis hätten wahrscheinlich Länder wie
Australien, Kanada, Großbritannien und auch Deutschland den Vertrag nicht unterschrieben.
Nach Inkrafttreten des Verbotes müssen innerhalb von 8 Jahren alle verbotenen
Streumunitionen vernichtet werden. Ausnahmen lassen eine Verlängerung dieser Frist um
weitere 8 Jahre zu.
Vom Verbot ausgeschlossen bleiben Streuminen, moderne sensorgezündete Flächenmunition
(z.B. Bonus und SMArt-155), die weniger als 10 Submunitionen enthalten, mehr als 4 Kilo
wiegen, selbstständig Ziele finden und zerstören und über eine elektronische Selbstzerstörung
verfügen. Damit bleiben auch Dispenserwaffen mit wenigen Gefechtsköpfen bzw.
Submunitionen ebenfalls vom Verbot ausgeschlossen.
„Die Bundeswehr wird 95 Prozent ihrer Streumunitionsbestände aufgeben müssen", schätzt
Küchenmeister. „Nur die Streumine AT-2 sowie die bereits gelieferte moderne und
sensorgezündete Flächenmunition SMArt darf im Bestand verbleiben." Deutschland hatte
noch zur Halbzeit der Verhandlungen offen gedroht, den Vertrag nicht zu unterzeichnen,
sollten diese Ausnahmen nicht aufgenommen werden.
„Wir wissen viel zu wenig über die Auswirkung des Einsatzes von sensorgezündeten Waffen,
um einen abrüstungspolitischen „Persilschein" auszustellen. Dies war zu leichtfertig", beklagt
Küchenmeister, mit Hinweis auf die Weigerung der Bundesregierung Testergebnisse für diese
Waffen zu veröffentlichen. Auch sensorgezündete Munition kann Blindgänger erzeugen und
verfügt über keine zuverlässige Freund-Feind-Unterscheidung, besonders wenn elektronische
Störmaßnahmen angewendet werden. Zudem ist der militärische Nutzen auch von
sensorgezündeten Waffen zu bezweifeln, gerade in Bezug auf asymmetrische Bedrohungen.
„Die Vertragsstaaten müssen umgehend dafür Sorge tragen, dass es jetzt nicht zu Exporten
der zukünftig verbotenen Streumunitionstypen kommt," fordert Thomas Küchenmeister vom
Aktionsbündnis Landmine.de mit Hinweis auf ein slowakisches Unternehmen, welches
aktuell Raketenwerfer mit veralteter Bundeswehrstreumunition anbietet, die über extrem hohe
Fehlerquoten verfügt.
„Positiv ist, dass der Vertragstext neue Humanitäre Standards setzt in Bezug auf Opferhilfe,
Räumverpflichtungen und Unterstützung der betroffenen Länder", sagt François De
Keersmaeker von Handicap International. „Diese Artikel des Vertrages sind eindeutig und
verpflichtend formuliert", so De Keersmaeker.
„Deutschland sollte jetzt umgehend auf die Modernisierung der Streumunition verzichten und
die freiwerdenden Mittel besser für zivile Konfliktbearbeitung bereitstellen", fordert Thomas
Gebauer von medico international.
Es gilt zudem offen zu legen, über welche Lagerbestände die in Deutschland stationierten USStreitkräfte
verfügen. Es muss jetzt überprüft werden, ob unter dem Vertrag auch solche
Bestände zu vernichten wären. Ein weiteres Manko des Vertrages stellt das Fehlen von
Sanktionsmechanismen dar.
„Die Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, Druck auf ihre Partner auszuüben, ebenfalls
auf diese Waffen zu verzichten, die hier als besonders grausam geächtet werden. Es ist unsere
prioritäre Aufgabe als Zivilgesellschaft, dies genau zu beobachten", sagt François De
Keersmaeker von Handicap International. Die britische Regierung hatte bereits angekündigt,
nicht nur auf ihre Streubombenbestände zu verzichten, sondern in der Logik dieser
Verpflichtung auch die Bestände der USA auf britischem Boden entfernen zu lassen.
Die im Aktionsbündnis Landmine.de zusammengeschlossenen Organisationen begrüßen die
Ankündigung der Bundesregierung mit sofortiger Wirkung auf Streumunition zu verzichten
und sich für eine rasche Ratifikation und Universalisierung einzusetzen. Die Bundesregierung
wird aber aufgerufen einen einseitigen Verzicht in Bezug auf die Beteiligung an
multinationalen Militäreinsetzen, bei denen Streumunition zum Einsatz kommt, zu erklären.
* Aktuelle Informationen zum Thema und zur Konferenz sind der neuen Website www.streubombe.de zu entnehmen.
Kontakt:
Thomas Küchenmeister, Leiter Aktionsbündnis Landmine.de
Thomas Gebauer, Geschäftsführer Medico International
François De Keersmaeker, Geschäftsführer Handicap International Deutschland
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