Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Spionage auf Weltniveau

Von Frank Brendle *

Im russischen Plessezk im Gebiet Archangelsk am Polarkreis ist am Donnerstag morgen der dritte Spionagesatellit des SAR-Lupe-Systems mit einer Kosmos-3-M-Rakete in den Orbit gestartet. Bis zum Sommer 2008 sollen zwei weitere Satelliten folgen. Für die deutschen Einsatzkräfte sei dieser Ausbau der strategischen Aufklärungsfähigkeit »von unschätzbarer Bedeutung«, verkündet die Bundeswehr auf ihrer Homepage.

Das SAR-Lupe-Projekt (Entwicklungskosten rund 730 Millionen Euro) wird die Schlagkraft des deutschen Militärs massiv erhöhen. Es handelt sich – vorläufig – um einen deutschen Alleingang, Hauptauftragnehmer ist das Bremer Unternehmen OHB-Technology. Die fünf Satelliten, die in 500 Kilometer Höhe auf drei verschiedenen Umlaufbahnen kreisen, sollen Bilder in hoher Auflösung von jedem Ort der Erde liefern – in der Regel innerhalb von elf bis 24 Stunden. Die »Synthetic Aperture Radar«-Technologie ermöglicht das auch nachts und bei schlechtem Wetter. Sie kann dreidimensionale Darstellungen liefern, Bewegungsgeschwindigkeit bestimmen und selbst größere Gebiete bis zu 480 Quadratkilometern noch in hoher Auflösung »abtasten«. Verdächtige Objekte können vergrößert werden, die höchste Auflösung soll dann weniger als einen Meter betragen. Der gestern gestartete Satellit verfügt auch über ein Automatisches Identifikationssystem für Schiffe (AIS) zur Überwachung des Seeverkehrs.

Über vergleichbare Systeme verfügen bisher nur Rußland und die USA, die sie aber nur ungern teilen. Das Weißbuch der Bundeswehr bezeichnet die Schließung von »Fähigkeitslücken« bei der Aufklärung als zentrale Aufgabe, um weltweit intervenieren zu können. Deshalb soll es auch bei der Nachrichtengewinnung keine Grenzen geben. Anläßlich des ersten Starts im Dezember 2006 sprach der stellvertretende Generalinspekteur Johann-Georg Dora von einer »neuen Dimension«. Die Bundeswehr sei nicht mehr »in der ungünstigen Position der Abhängigkeit von anderen Nationen«, sondern könne »aus eigenem politischen Antrieb exklusiv und weltweit unabhängig Daten ermitteln«, begeisterte sich der General, »wann immer wir sie benötigen«. Ausgewertet werden die Bilder in der neuen, 90köpfigen Abteilung »Satellitengestützte Aufklärung«.

Beim deutschen Alleingang soll es nicht bleiben. Langfristig geht es darum, die Militärmacht EU zu stärken. Mit Frankreich ist bereits die Koppelung von SAR-Lupe mit dem Helios-II-System vereinbart. Dieses arbeitet optisch, funktioniert also nur bei Tage und gutem Wetter, verfügt aber über Auflösungen bis zu 30 Zentimeter. Die Anpassungsarbeiten übernimmt ebenfalls OHB-Technology, für weitere 87 Millionen Euro.

Wie weit die deutschen Militärambitionen noch gehen, zeigt eine gestern vom Stern veröffentlichte, geheime »Einkaufsliste« des Verteidigungsministerium beim Rüstungskonzern EADS. Im Jahr 2004 hat das Ministerium für 340000 Euro eine Studie über »thermobarische« Gefechtsköpfe erteilt. Diese bringen innere Organe zum Bersten. 800000 Euro seien für »Mittelenergie-Laserwaffen« ausgegeben worden, die sich aber nicht bewährt hätten. Das Ministerium nahm dazu keine Stellung.

* Aus: junge Welt, 2. November 2007


Zurück zur "Waffen"-Seite

Zur Bundeswehr-Seite

Zur EU-Seite

Zurück zur Homepage