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Schuldig auf Befehl

Bin-Laden-"Fahrer" Salem Achmed Hamdan wegen "Unterstützung des Terrorismus" von US-Militärtribunal verurteilt. Washington lobt Urteil als "fair und angemessen"

Von Alexander Bahar *

Einmal mehr konnten sich die Kriegsverbrecher in Washington die Hände reiben. Nach dreitägigen Beratungen befand die Geschworenen-Jury in Guantánamo -- sie besteht aus sechs US-Offizieren, deren Namen geheim blieben -- Salem Achmed Hamdan, den früheren »Fahrer« von Osama Bin Laden für schuldig, »wesentliche Unterstützung für den Terrorismus« geleistet zu haben. Das Strafmaß wurde noch nicht festgelegt, doch dem Jemeniten droht lebenslange Haft. Damit folgte das Militärgericht dem Argument der Anklage. Allerdings sah die Jury den Vorwurf der Anklage nicht als erwiesen an, daß Hamdan an der Planung oder Ausführung von Attentaten beteiligt war, weshalb sie ihn nicht wegen »Verschwörung« verurteilte.

Der Chefankläger, Army-Oberst Lawrence Morris, hatte diesen Posten übernommen, nachdem sein Vorgänger, der Oberst der Air Force Morris Davis, sein Amt wegen mangelnder Fairneß des Verfahrens niedergelegt hatte. Morris hatte unter anderem beklagt, Vorgesetzte hätten ihm gegenüber deutlich gemacht, daß sie bei den Guantánamo-Verfahren Verurteilungen und keine Freisprüche erwarteten.

Bereits zum Prozeßauftakt hatte Hamdan auf nicht schuldig plädiert und damit auf die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung zwischen Verteidigung und Anklage verzichtet. Voraussetzung dafür wäre ein Geständnis gewesen, wie es die US-Behörden von dem im März 2007 ebenfalls von einer Militärkommission verurteilten Australier David Hicks nach jahrelanger Einkerkerung, darunter acht Monaten absoluter Isola­tion, Mißhandlung und Folterung schließlich erzwungen hatten.

Von Beginn an spottete das Verfahren gegen Hamdan selbst minimalen rechtsstaatlichen und demokratischen Standards. Die Jury war geheim, die Verhandlungen in Guantánamo Bay fanden im wesentlichen unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, verfolgt lediglich von einer Handvoll ausgewählter Medienvertreter. Viele Zeugenaussagen wurden im Geheimen abgelegt, wobei vier Zeugen anonym blieben und zwei weitere, offenbar Mitglieder der Special Forces, ihre Aussage in Abwesenheit der Prozeßbeobachter machten. Die Erwähnung der CIA war mit einem Tabu belegt, was auch für die vier CIA-Agenten gilt, die an Hamdans Verhaftung, Befragung und Folterung und schließlichen Überführung nach Guantánamo beteiligt waren. Der Vorsitzende Militärrichter Navy-Kapitän Keith Allred entschied, daß grundlegende demokratische Rechte für Hamdan nicht gelten, darunter das Recht, mit seinen Belastungszeugen konfrontiert sowie nicht zu Aussagen gegen sich selbst gezwungen zu werden. Obwohl er zunächst Beweismittel gegen den Angeklagten zurückgewiesen hatte, weil dieser in Afghanistan nach seiner Festnahme »höchst zwanghaften« Bedingungen unterworfen gewesen sei, ließ er trotz des Protestes des Angeklagten dann doch zwei Videos mit den ersten Verhören Hamdans zu, die Ende 2001 kurz nach seiner Festnahme in Afghanistan stattgefunden hatten. Zugleich erlaubte Allred der Anklage, Aussagen zu verwenden, die Hamdan in Guantánamo gemacht hatte, obwohl diese Hamdans Verteidigern zufolge unter Zwang wie Schlafentzug und Einzelhaft zustande gekommen waren. Im Rahmen einer Anhörung vor dem eigentlichen Verfahren hatte Hamdan bereits Mitte Juli 2008 vor dem Militärgericht über Folterungen und Mißhandlungen während seiner Haft, u.a. systematischen Schlafentzug, Isola­tionshaft und Schläge, berichtet.

Nach dem Urteil gegen Hamdan dürften die Schauprozesse gegen die angeblichen Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001, darunter den zum »Mastermind« aufgebauten Khaled Scheich Mohammed, ihren von der Bush-Regierung geplanten Lauf nehmen. Galt das Verfahren gegen Hamdan doch als eine Art Lackmustest für die Tribunale gegen die sogenannten »Gitmo Five« sowie weitere 15 Guantánamo-Häftlinge. Deren Beginn ist noch vor den Präsidentschaftswahlen am 4. November zu erwarten. Damit könnte die öffentliche Aufmerksamkeit erneut auf den »Krieg gegen den Terror« gelenkt werden, was erfahrungsgemäß den republikanischen Kandidaten zugute käme.

Pentagon-Sprecher Geoff Morrell ließ indes durchblicken, daß Hamdan möglicherweise nie freigelassen wird. »Es gibt einen beträchtlichen Anteil von Gefangenen in Guantánamo, die wahrscheinlich nie freigelassen werden, weil sie eine Gefahr für die Welt darstellen«, sagte er. Dies könne auch für Hamdan gelten.

Sowohl der Republikaner John McCain als auch sein demokratischer Rivale um das US-Präsidentenamt Barack Obama begrüßten das Urteil und bemängelten lediglich die langen Verzögerungen im Verfahren. Bezeichnenderweise enthielt sich Obama jeder Kritik an der von der Bush-Regierung geschaffenen Willkürjustiz. Statt dessen schwadronierte der Mann mit dem »sympathischen Lächeln« darüber, daß es an der Zeit sei (it is long past time) »Osama bin Laden und die Terroristen gefangenzunehmen oder zu töten, die annährend 3000 Amerikaner ermordet haben«.

* Aus: junge Welt, 8. August 2008


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