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Handbuch fürs Foltern

Neue Wikileaks-Enthüllungen über den Antiterrorkrieg der USA

Von Max Böhnel, New York *

Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wieder Geheimdokumente: Dieses Mal handelt es sich um über 100 Anweisungen zum Umgang mit Gefangenen im »Antiterrorkrieg« der USA (Detainee Policies).

Bislang kann man auf der Website wikileaks.org unter dem Titel »Detainee Policies« fünf Dokumente aus der Amtszeit von Präsident George W. Bush zur Behandlung von Militärgefangenen einsehen. Insgesamt werde man über 100 Dokumente veröffentlichen, so die Enthüllungsplattform. Dazu gehört auch eine 33 Seiten umfassende Schrift zum Thema »Camp Delta, Guantanamo«.

Dieses Dokument sei »von großer historischer Bedeutung«. Guantanamo Bay sei »zu Recht zu einem Symbol für die systematische Verletzung der Menschenrechte im Westen« geworden, erklärte jetzt Wikileaks-Gründer Julian Assange, der in der Londoner Botschaft von Ecuador politisches Asyl gesucht hat. Es werde dokumentiert, wie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ein rechtsfreier Raum geschaffen worden sei, in dem das Pentagon Verdächtige habe inhaftieren können, ohne darüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Assange spricht von Einblicken in die »Anatomie einer Bestie«.

In den nächsten Tagen sollen weitere Beweise für eine »Politik der Verantwortungslosigkeit« folgen, die unter Bush begonnen und von der Obama-Administration fortgesetzt wurde. Die Zeitung »Washington Post« weist gerade in einer Serie von investigativen Artikeln nach, wie der »Antiterrorkrieg« unter USA-Präsident Obama mit Angriffen bewaffneter Drohnen und Tötungslisten »verfeinert« worden ist.

Wikileaks kündigte jetzt unter anderem ein bisher unveröffentlichtes Dokument an, welches das »Verschwindenlassen« von bestimmten Gefangenen etwa in Foltereinrichtungen eines mit den USA alliierten Landes regelt, indem man diese »von Anfang an bewusst nicht registriert« hat. Andere Dateien enthalten Handbücher zur Behandlung und zu Verhören von Gefangenen in Irak und in Guantanamo.

Wie Assange in einem Interview mit dem Fernsehsenders CNN erklärte, zeige die jüngste Wikileaks-Serie »die Exzesse der frühen Tage des Kriegs gegen einen unbekannten Feind und wie sich diese Maßnahmen entwickelten und reiften, um in den permanenten Ausnahmezustand zu münden, in dem sich die USA heute befinden«.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 27. Oktober 2012


Bushs Anleitung für Guantánamo

Internetportal Wikileaks veröffentlicht geheime US-Militärdokumente zu Haftregime **

Das Enthüllungsportal Wikileaks hat geheime US-Militärdokumente zum Umgang mit Gefangenen im Irak und in Guantánamo veröffentlicht. Die Papiere zeigten, wie die Regierung von Präsident George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 systematisch Menschenrechte verletzt habe, erklärte Wikileaks-Gründer Julian Assange am Donnerstag auf seiner Webseite. Zudem werde deutlich, wie die Antiterrorpolitik zu einem »permanenten Ausnahmezustand« geführt habe, der noch heute andauere. Bei den geheimen Dokumenten handelt es sich demnach um insgesamt mehr als 100 Akten aus dem US-Verteidigungsministerium aus den Jahren 2001 bis 2004, die in den kommenden Wochen Stück für Stück im Internet publik gemacht werden sollen. Die ersten zehn Dateien stellte Wikileaks unter dem Begriff »Detainee Policies« am Donnerstag abend und Freitag online.

In einem am Donnerstag vom US-Nachrichtensender CNN ausgestrahlten Interview sagte Assange, die Dokumente seien von historischer Tragweite, da sie Folgen für den Umgang mit Gefangenen weltweit gehabt hätten. Es seien Zeugnisse einer »Politik der Rechenschaftslosigkeit und Straflosigkeit« bei den US-Streitkräften und dem Geheimdienst CIA. Mit seinen Richtlinien zur Behandlung Inhaftierter habe Washington einen rechtsfreien Raum geschaffen, in dem das US-Militär Verdächtige von der Bildfläche habe verschwinden lassen können ohne weitere Spuren zu hinterlassen, erklärte Assange. So sei Festgenommenen oft bewußt keine Gefangenennummer zugewiesen worden, damit sie möglichst in keinem offiziellen Dokument auftauchten.

In dem Sonderlager Guantánamo auf ihrem Militärstützpunkt in Kuba hielten die USA zeitweise bis zu 780 Männer in Drahtkäfigen fest, die beschuldigt wurden, mutmaßliche Taliban- und Al-Qaida-Anhänger zu sein, ohne aber jemals angeklagt zu werden. Zur Zeit sind noch 167 Menschen inhaftiert, obgleich Bushs Nachfolger Barack Obama im Wahlkampf 2008 die Schließung des Lagers in Guantánamo versprochen hatte.

Neben dem Gefängnis auf Kuba haben die USA auch mehrere »Verhörzentren« in befreundeten Staaten betrieben, in denen sie Verdächtige nach Angaben von Menschenrechtsgruppen auch foltern ließen. Bush selbst räumte im September 2006 die Existenz eines solchen CIA-Verhörprogrammes ein. (Reuters/dapd/jW)

** Aus: junge Welt, Samstag, 27. Oktober 2012


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