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Ein Nachtfalke kam nicht aus Pakistan zurück

US-Präsident bedankte sich bei Spezialtruppen, die bei Bin-Laden-Operation einen stinkgeheimen Helikopter verloren

Von René Heilig *

Der zehnte Jahrestages der Anschläge vom 11. September steht bevor. Die Terrororganisation Al Qaida und ihr geistiger Führer Osama bin Landen hatten überlegt, wie man dieses Ereignis angemessen »begehen« kann – behauptet das US-Heimatschutzministerium, schränkt aber ein: Konkrete Pläne hatten sie vermutlich nicht.

Nachdem die CIA sich einigermaßen sicher war, das Versteck von Bin Laden gefunden zu haben, wog man Angriffsmöglichkeiten ab. Variante 1: Per Drohne feuert man ferngesteuerte Raketen ins Ziel. Variante 2: Ein B2-Stealth-Bomber lädt gesteuerte Bomben ab, um alles in Schutt und Asche zu legen. Gefangennahme? Ausgeschlossen!

Sie war auch – was immer nun behauptet wird – nicht vorgesehen. Auch nicht bei der dritten Möglichkeit, für die man sich in Washington entschieden hatte. Eine Hinrichtung konnte von menschlichen Robotern noch präziser ausgeführt werden. Die damit beauftragten Navy-Seals sollten die Leiche mitnehmen, um ihre Identität zu klären und sie verschwinden zu lassen. Zugleich konnten sie in Bin Ladens Versteck nach Dokumenten suchen, deren Auswertung Vorteile beim Anti-Terror-Kampf bringen. Vermutlich deshalb hat der Einsatz 40 lange Minuten gedauert. Noch weiß man zu wenig von der Ausbeute. Dass Bin Laden in seinem pakistanischen Versteck Möglichkeiten von Terrorangriffen auf Züge in den USA erwogen hat und mit Getreuen Kontakt hielt, ist noch keine Topnachricht wert.

Spannender dagegen sind zahlreiche offene Fragen zum Ablauf des völkerrechtlich illegalen Überfalls auf das Haus in Abbottabad. Am Montagmorgen (2. Mai) gegen 1 Uhr kamen die US-Hubschrauber. Wie viele? Die CIA sagt zwei, es ist auch von vier Maschinen die Rede. Doch wie Einwohner der militärgestopften Stadt berichteten, waren sie kaum zu hören. Das pakistanische Fernsehen zeigte einen Brand unmittelbar an Bin Ladens Anwesen. Der hatte nichts mit zunächst behaupteten Gefechten zu tun. Die gab es nicht. Lediglich ein Wächter des Terrorpaten hat sich gegen die Angreifer zur Wehr gesetzt.

Als es Tag wurde, konnte man den Grund für das Feuer sehen. Da lag ein Hubschrauberskelett. Die US-Maschine war abgestürzt, die Besatzung hatte sie – vermutlich mit Termit-Granaten – in Brand gesteckt, um zu verhindern, dass das Wrack gewinnbringend untersucht werden kann. Doch zumindest das Heckteil blieb, jenseits einer Mauer, erhalten. Und was man – trotz eilig versuchter Verhüllung – sah, weckte Experteninteresse.

Die Teile, deren Form, das Material passten nicht zu einem gewöhnlichen »Blackhawk« (Nachtfalke), mit denen die Seals – laut CIA-Boss Leon Paletta – eingeflogen sind. Spekulationen wurden aktiviert über einen Kommando-Hubschraubertyp. Er gehört zur Stealth-Generation, ist also für Radar schwer auszumachen. Seine Infrarotsignatur ist auf ein Mindestmaß beschränkt, es ist gelungen, das Rotor- und Turbinengeräusch extrem zu senken. Bislang gab es keinerlei Informationen zu diesem Typ, der Konstrukteure in Russland, China aber auch bei Eurocopter von EADS brennend interessiert. Noch immer beantwortet das Pentagon entsprechende Nachfragen nicht. Auch der Sprecher der US-Spezialeinheiten, Colonel Tim Nye, spart sich jedes Wort.

Man weiß, dass seit Anfang der 90er Jahre auf der Groom Lake Air Force Base verschiedene Tarnkappen-Fluggeräte getestet wurden. Der Code »TE-K« (Test and Evaluation, Projekt K) stand für Drehflügler. Der Stealth-Jagdbomber F-117 lief unter »TE-A«, der strategische Bomber B-2 flog als »TE-B«.

Großen Anteil an der Weiterentwicklung der MH-60 »Blackhawk« soll ein stinkgeheimes »Technology Applications Program Office« haben. Das hat eine sehr intensive Beziehung zum geheimnisumwitterten 160. Special Operations Aviation Regiment »Night Stalkers«. Die Hubschraubereinheit für verdeckte Operationen wurde nach der missglückten US-Geiselbefreiung 1980 in Teheran gegründet. Sie ist in Fort Campbell (US-Bundesstaat Kentucky) stationiert und war gestern Gastgeber für den US-Präsidenten. Barack Obama wollte sich bei den Navy Seals und ihren Piloten für deren Einsatz bei der Bin-Laden-Operation bedanken.

Dahinter verblasste die Meldung, dass jetzt auch jemand von Al Qaida via Internet den Tod von Bin Laden bestätigt haben soll.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Mai 2011


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