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"Flöten statt töten"

Sachsen-Anhalt: Kriegsgegner besetzen Truppenübungsplatz in der Altmark

Von Susan Bonath *

Rund 270 Quadratkilometer militärisches Sperrgebiet zu bewachen ist auch für die Staatsmacht kein Pappenstiel. Fünf Hundertschaften der Polizei und Soldaten hatten am Samstag damit am und im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark (Sachsen-Anhalt) alle Hände voll zu tun. Während rund um den Truppenübungsplatz fünf Mahnwachen gegen Kriegsvorbereitungen der Bundeswehr in der Altmark stattfanden, gelang es Dutzenden Antimilitaristen, das Gelände zu besetzen. Zunächst sprachen Polizei und Bundeswehr von »weitgehend friedlichen Protesten«.

Am Sonntag informierte die Polizei allerdings, daß Unbekannte im GÜZ einen Bagger angezündet und weitere Baufahrzeuge beschädigt hätten. Außerdem ermittele die Polizei wegen weiterer Sachbeschädigungen. Es seien Bahngleise »geschottert«, Farbe versprüht sowie Schilder zerstört worden. Der Sachschaden betrage insgesamt etwa 450000 Euro, hieß es.

Am Samstag hatten sich außerdem anonyme Antimilitaristen im Online­portal Indymedia dazu bekannt, in der Nacht zuvor ein Übungsdorf im GÜZ »markiert und sabotiert« zu haben. Sie hatten so klarstellen wollen, »daß es in der BRD Widerstand gegen die imperialistischen Kriegstreiber gibt«, hieß es in dem Schreiben.

Kriegsgegner verschiedener Gruppen hatten zu dem Aktionstag im Rahmen des »War starts here«-Camps vom 17. bis 25. August mit gut 200 Teilnehmern aufgerufen. Die Gruppe »Gewaltfreie Aktion – GÜZ abschaffen« setzte auf friedlichen zivilen Ungehorsam. Am frühen Samstag morgen übertraten etwa 50 bis 60 Aktivisten des Bündnisses zum dritten Mal innerhalb einer Woche die Grenze zum Übungsplatz. Sie schlugen Zelte auf und verbrachten den Tag nach eigenen Angaben mit »Musik, Tanz, Geschichten und Entspannung«. Ihr Motto war »Flöten üben statt töten üben«. Polizei und Bundeswehr beobachteten und duldeten die friedlichen Aktivitäten im Sperrgebiet bis zum Nachmittag. Dann stellten Beamte die Personalien der Besetzer fest, wie Aktionssprecher Jan Stehn informierte. Zehn Aktivisten hätten sich geweigert, den Platz zu verlassen. Sie seien am Sonntag morgen »unsanft geräumt« worden.

Teilnehmer von drei Friedensmahnwachen östlich und zwei westlich des GÜZ flankierten zudem dessen Grenzen mit Spruchbändern. Slogans wie »Frieden braucht unseren Mut« oder »Von der Heide in die Welt – Kriegs­einsätze, pfui Teufel« waren darauf zu lesen. In Letzlingen, wo sich die GÜZ-Zentrale befindet, wurden Antimilitaristen gegen ein von Kommunalpolitikern organisiertes »Pro-Bundeswehr-Fest« kreativ. So besetzten etwa 20 Aktivisten kurzzeitig das Bürgerfest mit einer spontanen Tanzeinlage. Aus Boxen wurde es ganztägig mit Friedensliedern beschallt. Der Altmarkkreis war zuvor mit seinem Versuch, das Abspielen von Musik zu verbieten, vor dem Oberverwaltungsgericht Magdeburg gescheitert. Auf dem Dorffest hob Letzlingens Ortsvorsteherin Regina Lessing besonders die »wirtschaftliche Bedeutung der Bundeswehr für die Region« hervor. Zudem wurde dem GÜZ-Betreiber Rheinmetall gedankt: Der Rüstungskonzern habe ja die Dixiklos gesponsert.

Das »War starts here«-Camp fand zum dritten Mal in der Altmark statt. »Unser vorrangiges Ziel war es diesmal, uns juristisch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu erkämpfen«, erklärte Mitorganisator Torsten Grabbert gegenüber jW. Dies hätten die Behörden 2012 und 2013 »systematisch versucht zu unterbinden«. Auch die Hetze in der Lokalpresse sei »unerträglich«, so Grabbert. Deshalb habe man der Altmark Zeitung die »Zusammenarbeit aufgekündigt«.

* Aus: junge Welt, Montag 25. August 2014


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