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Armee hui, Protest pfui

Drittes Camp "militanter Antimilitaristen" in der Altmark: Behörden und Medien gehen in die Gegenoffensive

Von Susan Bonath *

Die Vorbereitungen für das dritte antimilitaristische Camp unter dem Motto »War starts here« laufen auf Hochtouren. Bundesweit mobilisieren Kriegsgegner für die vom 17. bis 25. August in der Colbitz Letzlinger Heide geplanten Proteste. Die nächsten Informationsveranstaltungen finden am Mittwoch abend im Stadtteilladen »Zielona Gora« in Berlin-Friedrichshain und am Samstag abend im Libertären Zentrum Magdeburg statt. Im Fokus steht erneut das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark nördlich von Magdeburg. Auf dem 232 Quadratkilometer großen Areal – betrieben vom Waffenproduzenten Rheinmetall Defense – erhalten Bundeswehr- und NATO-Soldaten den Feinschliff für Kriegseinsätze. Während die Kriegsgegner in die Offensive gehen, halten Behörden und lokale Medien dagegen. Die erste Anmeldung für das Camp ist bereits geplatzt.

Das Problem, einen Zeltplatz genehmigt zu bekommen, kennen die Organisatoren bereits. Möglichst nah am GÜZ sollte es sein. Daraus wurde schon 2012 und 2013 nichts: Kommunen hatten öffentliche Flächen verwehrt, nach Angaben der Aktivisten sprangen auch Verpächter wieder ab, weil sie von Polizei und Ordnungsamt bedrängt worden waren. Diesmal war das Camp in Brunkau bei Tangerhütte östlich des GÜZ angemeldet worden. Aktivisten und Medien hatten den Ort bereits bekanntgegeben. Dieser Plan scheiterte aber vorige Woche an einem »Kooperationsgespräch« mit Vertretern des Landkreises Stendal, wie Mitorganisator Nore Cord junge Welt informierte. Der Kreis habe seine plötzliche Absage mit »Landschaftsschutzrechten« begründet. »Um rechtlich dagegen vorzugehen, ist die Zeit zu knapp«, sagte Cord. Nun weichen die Akteure auf ihren früheren Platz in Potzehne aus, rund zehn Kilometer westlich der GÜZ-Kommandozentrale in Letzlingen.

Die Organisatoren rechnen erneut mit strengen Auflagen, Straßensperren und einem hohen Polizeiaufgebot. Eine Allgemeinverfügung werde der zuständige Altmarkkreis Salzwedel in diesem Jahr aber nicht verhängen, glaubt Cord. 2012 und 2013 hatte er so versucht, ein weiträumiges Versammlungsverbot rund um den Truppenübungsplatz durchzusetzen. Damit war er 2013 gescheitert: Das Oberverwaltungsgericht befand ein »derart umfassendes Präventivverbot« für »unverhältnismäßig«.

Aus der örtlichen Bevölkerung erhalten die Kriegsgegner wenig Rückhalt. Die Lokalpresse trägt ihren Teil dazu bei. ImVorfeld der vergangenen Camps warnte etwa die Magdeburger Volksstimme vor »militanten Antimilitaristen«, die Bundeswehr befürchtete gegenüber dem MDR »Angriffe auf Soldaten«. Diesmal gab die Altmark-Zeitung den Auftakt: In einem Kommentar vom 26. Juli forderte die Autorin »einen Boxsack für die Krawallmacher«. Die wollten doch nur »Unfrieden stiften« und die »dörfliche Ruhe stören«, was »stets mit Straftaten verbunden« sei. Es folgte ein Loblied auf die Bundeswehr, die Arbeitsplätze schaffe und die Wirtschaft erblühen lasse. Außerdem wolle man doch, »daß die Soldaten heil wieder nach Hause kommen«, rechtfertigte sie den Bau der Kriegsübungsstadt »Schnöggersburg«.

Diese war 2012 ein Auslöser für die Proteste. Damals war durchgedrungen, daß im GÜZ auf rund 6,5 Quadratkilometern eine westliche Metropole nachgebaut werden soll. Zwischen Hochhäusern, U-Bahntunneln, Stadion, Industrie-, Wohn- und Elendsvierteln sollen Soldaten ab 2017 den Krieg proben. Offiziell ist das »Projekt« mit 100 Millionen Euro veranschlagt, Kritiker rechnen mit höheren Kosten. Ferner gibt es Vermutungen, daß die Bundeswehr ihr Gelände weiter ausdehnen könnte. So erwirbt der Bund dieses Jahr 4000 Hektar Wald westlich und südlich des Übungsplatzes vom Land Sachsen-Anhalt im Tausch gegen gleichgroße Flächen im Harz. GÜZ-Sprecher Thomas Hering begründete den im Februar vereinbarten Tausch mit »besserem Lärmschutz«.

Die Organisatoren setzen während des Camps und des Aktionstages am 23. August auf verschiedene Protestformen. »Wir wollen bis ins bürgerliche Milieu mobilisieren«, so Nore Cord. Zuletzt waren die Akteure wegen fehlender Absage an gewaltsamen Widerstand auch in den eigenen Reihen angeeckt. Inzwischen sind mehr Initiativen als im Vorjahr ihrem Vorschlag gefolgt, eigene Aufrufe zu starten. Das Bündnis »Gewaltfreie Aktion – GÜZ abschaffen« etwa will den Übungsplatz friedlich besetzen. Daran beteiligen sich neben der lokalen Bürgerinitiative »Offene Heide« auch Antiatomgruppen, Gegner von »Stuttgart 21« und Umweltaktivisten.

* Aus: junge Welt, Dienstag 5. August 2014


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