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Den Frieden einklagen?

Peter Becker ist im Vorstand der Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen *


nd:: Gestern wurde vor dem Verwaltungsgericht in Köln verhandelt, ob die USA über die Luftwaffenbasis Ramstein verfassungswidrige Kriege führt. Mit welchem Ergebnis?

Becker: Die Verhandlung hat rund drei Stunden gedauert. Nun warten wir darauf, dass das Gericht uns die Entscheidung zustellt. Wir haben Beweisanträgen zu der Frage gestellt, wie der Artikel 25 des Grundgesetzes zu verstehen ist. Demnach kann jeder Bürger die deutsche Bundesregierung auffordern, Verstöße gegen das Völkerrecht abzustellen. Diese Frage haben wir intensiv diskutiert. Am Ende haben wir beantragt, dass das Bundesverfassungsgericht darüber eine Entscheidung fällt. Schließlich hat das Völkerrecht im Bundesrecht einen hohen Rang. Und wenn es in der Anwendung des Völkerrechtes Unklarheiten gibt, dann kann laut Artikel 100, Absatz 2, das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.

Mit welchem Eindruck sind Sie aus der Verhandlung gegangen?

Ich will es mal so sagen: Wir hatten ein offenes Rechtsgespräch. Dabei ging es auch um prozessuale Fragen. Darum etwa, ob ein einfacher Bürger einen solchen Prozess überhaupt anstrengen kann. Genau das wollen wir ja aber erreichen. Ein Problem für das Gericht ist sicher, dass es sich über die weitreichenden Folgen einer Entscheidung bewusst ist. Ich denke, dass die US-Armee zur Entscheidungsfindung auch über die Operation Enduring Freedom Auskunft geben muss.

Würde die US-Armee einer solchen Aufforderung nachkommen?

Das muss sie! Das Bundesverfassungsgericht hat entscheiden, dass die US-Armee in Deutschland im Wesentlichen auch deutschem Recht unterliegt. So etwa bei Verstößen gegen das Humanitäre Kriegsvölkerrecht. Und genau darum geht es bei den gezielten Tötungsaktionen, den sogenannten Targeted Killings durch bewaffnete Drohnen. Diese Einsätze verstoßen nach unserer Rechtsauffassung gegen das Zusatzprotokoll II zu den Rot-Kreuz-Abkommen zum Schutz der Zivilbevölkerung. Die Bundesregierung muss daher diese Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung abstellen.

Was macht Ramstein eigentlich so bedeutend?

In der Militärregion Kaiserslautern befindet sich mit über 44 000 US-Staatsbürgern, darunter fast 15 000 Soldaten, die weltweit größte US-Militärgemeinde außerhalb der USA. Zum Komplex gehörten auch das größte US-Militärhospital und das größte Munitionsdepot außerhalb der Vereinigten Staaten. Über Ramstein führte die US-Armee 2003 den Irak-Krieg, der nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts völkerrechts- und verfassungswidrig war. Seit 2001 wird über Ramstein der Afghanistan-Krieg mittels der Operation Enduring Freedom (OEF) geführt. OEF wurde und wird als Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta gerechtfertigt. Das ist nach Auffassung des Klägers unzutreffend.

Wer steht hinter der Klage?

Federführend ist Wolfgang Jung. Er wohnt nur wenige Kilometer von der Air Base Ramstein entfernt. Herr Jung gibt seit Jahrzehnten die »LUFTPOST« heraus, die Friedenspolitischen Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein. Er ist daher intimer Kenner der Nutzung der Air Base Ramstein. Er strebt mit seiner Klage an, diese Kriegsführung gerichtlich untersagen zu lassen.

Fragen: Harald Neuber

* Aus: neues deutschland, Freitag, 15. März 2013


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