Die Bundeswehr als lärmender Nachbar
Ein Schießplatz im Brandenburgischen nervt die Menschen, doch alles ist im gesetzlichen Rahmen
Von René Heilig *
Seit Jahren bereits kämpfen die Bewohner von Borkwalde und umliegender Orte gegen Krach und
Erschütterungen. Die gehen vom Bundeswehr-Übungsplatz Lehnin aus. Im vergangenen Sommer
gestand das Militär Messungen zu. Die Ergebnisse wurden nun vorgestellt.
Oberstleutnant Michael Backs trägt zwar einen Kampfanzug, doch er postiert sich mit friedlichen
Gesten vor den Bürgern, die um die Mittagszeit gekommen waren, um sich Ergebnisse der
Schallmessungen vorführen zu lassen. Auch wenn das mit der Mikrofonanlage nicht so klappte,
seine Power-Point-Präsentation lief tadellos. Gleich am Anfang sah man zwei sich gegenseitig
störende Kreise an der Leinwand und Backs erläuterte: »Kreis eins: Sie wollen Ruhe. Kreis zwei. Wir
machen Lärm. Das Rote da in der Mitte«, Backs zeigte auf eine Fläche, die einem Football glich, »ist
unser gemeinsamer Ärger.« Doch, was er und seine Leute hier machen, geschehe nicht »aus Spaß
an der Freude«.
Erstes Murren im Saal. Kaum dass der Oberstleutnant geendet hat, drängte Silvia Rosin-Rudolph
zum Mikrofon. Sie hat unlängst das »1. Borkenwalder Gremium gegen Dauerbeschuss« in Stellung
gebracht, nachdem andere Bürgerinitiativen schon entnervt aufgegeben haben.
Nächtlicher Terror...
»Ich bin gestern um sechs vom Dienst gekommen, glauben Sie mir, Polizistin sein ist kein
Zuckerschlecken. Doch kaum dass ich mich hingelegt habe, rumste es wieder fürchterlich.« Bis tief
in die Nacht hinein, bis elf oder noch länger dauert der Terror, hörte man aus der Tiefe des Saales.
Ihre Hauswände zittern, ergänzte eine Frau aus den ersten Reihen. »Die Kinder schrecken aus dem
Schlaf, weinen, haben Angst. Wie, Herr Oberstleutnant, soll das weitergehen?!«
»Prügeln sie mich ruhig«, gab Backs zurück und man sah förmlich, wie er seine Brust für den
anschwellenden Verbalbeschuss der Bürger hinhielt. »Doch ich mache nur, was mir die Politik
aufgibt. Die hat bestimmt, dass die Bundeswehr beispielsweise nach Afghanistan geschickt wird.
Und es wäre unverantwortlich, wenn wir die Soldaten nicht gründlich dafür ausbilden! Sollte jedoch
der Herr Steinmeier – der Offizier meinte den Außenminister – befinden, dass wir keine
Auslandseinsätze der Bundeswehr mehr brauchen…« Da stoppte Bruck seinen Eifer, der ihn schon
allzu weit ins Politische getrieben hatte. Sein Blick richtete sich – halb flehend, halb fordernd – auf
zwei anwesende Hinterbänklerinnen aus dem Bundestag, deren Parteien die Regierung in Berlin wie
in Potsdam stellen. Die Dame der CDU bedauerte und bat um Einsicht in die Notwendigkeit… Die
Kollegin der SPD beeilte sich mitzuteilen, sie habe gegen den Afghanistaneinsatz gestimmt, doch
die Mehrheit habe anders entschieden. So sei das mit der Demokratie nun einmal.
Doch das Thema Auslandseinsätze stand im Raum, und sofort auch wieder Bürger, denen das mit
Bundeswehr-Export »sowieso stinkt«. Jemand meinte, es sei doch ohnehin gescheiter, dort zu üben,
wo die Einsätze stattfinden. Oder wenigstens in Italien… Ein anderer, der sich als Bürgerrechtler und
Friedensfreund zu erkennen gab, schimpfte gegen die Beugung des Völkerrechts durch die
Bundesregierung und fand es schlimm, dass der Fläming als Übungsplatz für Angriffskriege benutzt
werde, die das Grundgesetz verbietet. Als sich der Ärger der Bürger wieder ein wenig gelegt und
Backs zu der ihm eigenen inneren Ruhe zurückgefunden hatte, entgegnete er: »Ich schlage vor, Sie
stellen Strafanzeige…«
...als legale Krachmacherei
Clever gemacht, denn das will niemand. Die Menschen wollen nur ihre Ruhe. Doch sie haben
schlechte Karten, dieses Recht durchzusetzen. Denn, so haben die Messungen, die ein Experte der
zuständigen Wehrbereichsverwaltung Strausberg im breiten Sächsisch vortrug, ergeben: Alles, was
da Krach macht, egal ob Panzerfaust oder Milan-Rakete, ja sogar die Explosionen auf dem
Sprengplatz, ist nicht laut genug, um den gesetzlichen Rahmen zu verlassen. Wieder moserten die
Bürger. Einer schimpfte: »Der gemessene Lärm interessiert mich nicht, ich spüre ihn und zwar ganz
anders als eine Apparatur!«
Wie weiter – bleibt alles, wie es ist? Na ganz so unbeholfen handhabt die Bundeswehr ihre
heimische zivil-militärische Zusammenarbeit nun auch wieder nicht. Der Forstbetrieb wird ein paar
Laubbäume mehr anpflanzen, eine Böschung könnte den Schall an der wohl lautesten Schießbahn
ein wenig ablenken. Und ähnliches hat Oberstleutnant Backs auch mit den Bürgern vor. »Wenn es
gewünscht wird, veranstalten wir mit den Bürgermeistern vierteljährlich eine Schließlärmkonferenz.
Damit wir in Kontakt bleiben.« Als ob es nicht schon genug Kontakt mit der Bundeswehr gäbe.
* Aus: Neues Deutschland, 16. Februar 2008
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