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Hannelore Kraft lehnt Forderung der Friedensbewegung nach Schließung des neuen Nato-Weltraumflugzentrums am Niederrhein ab

Von Ulrich Sander


In einem Brief der Staatskanzlei in Düsseldorf an das Ostermarschkomitee Ruhr hat die Landesregierung zu Erkennen gegeben, dass sie nichts gegen die Erweiterungsentscheidung am Luftwaffenstandort Kalkar/Uedem unternehmen will. Um die schnellen Eingreiftruppen der Luft- und Weltraumstreitkräfte der NATO weltweit vom Niederrhein aus in Marsch setzen zu können, wurde die Zahl der Soldaten und Offiziere in Kalkar und Uedem im Rahmen der Bundeswehrreform um 400 verdoppelt. Sie sollen zusätzlich zu den vorhandenen Mannschaften auch ferngesteuerte Flugelemente kontrollieren und steuern und Tod und Verderben weltweit verbreiten. Das hat die Friedensbewegung in einem Brief des Ostermarschkomitees Ruhr der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mitgeteilt und sie um ein Einschreiten gegen die Maßnahme des Bundesverteidigungsministers gebeten.

Während im ganzen Land Bundeswehrstandorte reduziert wurden, hat man allein in Kalkar und Uedem erheblich aufgestockt. Geplant sind auch Einsätze von Drohnen. Dazu die Friedensbewegung: „Drohnen sind als Tötungsgeräte ohne Gerichtsurteil grundgesetzwidrig. Von Kalkar/Uedem aus sollen die Einsätze, selbst auch atomarer Raketen, Bomberflugzeuge und Drohnen gesteuert werden. Wir bitten Sie dringend, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Ihre Zustimmung zum Ausbau von Kalkar/Uedem zurückzuziehen.“

Jetzt hat Hannelore Kraft der Friedensbewegung geantwortet. Obgleich sie alles mögliche in Bewegung gesetzt hat, damit NRW im Rahmen der Bundeswehrreform nicht als Standort verkleinert wird, streitet sie nun ab, in Kalkar/Uedem mit ihrer Intervention Erfolg gehabt zu haben, wo es sogar zu der Aufstockung kam. Sie habe sich lediglich „für einen Erhalt der Standorte und der damit verbundenen Arbeitsplätze in den Regionen eingesetzt“, ließ Hannelore Kraft mitteilen. „Dabei hat die Landesregierung erkennen müssen, dass sich die Entscheidungen im Rahmen der Bundeswehrstrukturreform der Einflussnahme durch das Land entziehen. Dies gilt auch für die Erweiterungsentscheidung am Luftwaffenstandort Kalkar/Uedem.“

Zur aggressiven Aufgabenerweiterung in Kalkar und Uedem äußert sichj die Ministerpräsidentin nicht. Die Friedensbewegung hatte geschrieben: „Der Krieg beginnt hier – und hier muss er gestoppt werden“. Ganz in diesem Sinne unterschrieben bisher den Ostermarsch-Brief an Hannelore Kraft auch der Bundesausschuss Friedensratschlag, die VVN-Bund der Antifaschisten NRW und Persönlichkeiten der Friedensbewegung wie Willi Hoffmeister, Prof. Dr. Arno Klönne und Dr. Peter Strutynski.

Die militärischen Einrichtungen am Niederrhein sind der Entscheidungsgewalt deutscher Parlamentarier entzogen. Dagegen und insbesondere gegen das „Combined Air Operations Centre“ (CAOC) in Kalkar/Uedem richtet sich der Protest der Antikriegs- und Friedensgruppen an Rhein und Ruhr. Die Friedensgruppen befürchten, dass auch von Kalkar aus Luftoperationen der NATO - wie zuletzt in Libyen - gesteuert werden können. Denn 2011 war die Schwestereinrichtung von Kalkar/Uedem bei Bologna in Italien Teil der Steuerzentrale für die NATO-Luftangriffe gegen Libyen. Sie befürchten, dass Kalkar einen Platz im System desgeplanten Raketenabwehrschirms und der geplanten Modernisierung der in Deutschland gelagerten Atomwaffen einnehmen wird. Wörtlich hieß es in dem Brief an Kraft: „Die staatenübergreifende Besetzung von Einrichtungen wie in Kalkar bedeutet in der Praxis auch, dass unter Umgehung des Bundestages deutsche Soldaten an Kriegseinsätzen beteiligt würden.“ Weiter: „Jeder Punkt Eurasiens nördlich der Alpen könnte dann mit von dort aus gesteuerten Bomben, Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen erreichbar sein. Es ist klar, dass besonders Russland – das das größte Territorium nördlich des 47. Breitengrads besitzt – sich bedroht fühlen muss. Es wird, so wurde schon angekündigt, dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Und das bedeutet: Unser NRW wird zur Zielscheibe von Raketen, Bomben und Drohnen.“

Dokumentiert: Der Wortlaut des Antwortbriefes aus der Staatskanzlei in Düsseldorf:

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen vom 3.12.12:
Az II A 1

Herrn Willi Hoffmeister
Ostermarsch Rhein-Ruhr


Sehr geehrter Herr Hoffmeister,

Frau Ministerpräsidentin Kraft dankt für Ihren Brief vom 2. November 2012, in dem Sie die Gründe für Ihren Protest gegen die Ausweitung des Luftwaffenkommandozentrums in Kalkar/Uedem darlegen. Gerne komme ich der Bitte von Frau Ministerpräsidentin Kraft nach, Ihnen zu antworten.

Sie gehen in Ihrem Brief offensichtlich davon aus, Frau Kraft habe der Erweiterung in Kalkar/Uedem zugestimmt. Dies ist ein Missverständnis.

Die Landesregierung hat die Gelegenheit genutzt, im Vorfeld der Entscheidungen ihre Sicht der Dinge darzustellen und die Besonderheiten einzelner Standorte hervorgehoben. Seit Bekanntgabe der Entscheidungen zur Bundeswehrstrukturreform hat sie den Fokus vor allem auf die von Standortauflösung betroffenen Kommunen und Regionen gerichtet und sich für einen Erhalt der Standorte und der damit verbundenen Arbeitsplätze in den Regionen eingesetzt. Dabei hat die Landesregierung erkennen müssen, dass sich die Entscheidungen im Rahmen der Bundeswehrstrukturreform der Einflussnahme durch das Land entziehen.

Dies gilt auch für die Erweiterungsentscheidung am Luftwaffenstandort Kalkar/Uedem. Der Landesregierung waren auch in diesem Fall die Hände gebunden.

Mit freundlichen grüßen
(gez.) Johann Wilhelm Müller.



Hier geht es zum Wortlaut des Briefes des Ostermarschkomitees an die Ministerpräsidentin: Offener Brief: "Der Krieg beginnt hier ..."


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