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Alles "Militante"?

Geplante Proteste gegen Gefechtsübungszentrum Altmark: Medien schüren Angst vor Friedensaktivisten. Polizei und Bundeswehr bereiten gemeinsamen Großeinsatz vor

Von Susan Bonath *

In Sachsen-Anhalt rüsten sich Militär und Polizei zum gemeinsamen Einsatz, die Propagandamaschine läuft auf Hochtouren. »Militante Bundeswehrgegner wollen Truppenübungsplatz besetzen«, titelte die Magdeburger Volksstimme dieser Tage auf Seite 1. Grund sind die für kommende Woche geplanten Proteste gegen das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark, vor allem der Ak¬tionstag am 15. September. Einen Platz für das vom 12. bis 17. September am GÜZ-Kontrollzentrum in Letzlingen geplante Camp von Friedensaktivisten unter dem Motto »War starts ¬here« verweigern die Behörden bisher. Den wollen sich die Kriegsgegner nun erstreiten – mit einer Demonstration am kommenden Montag und einer siebentägigen Dauermahnwache auf dem Letzlinger Marktplatz.

»Seit Monaten verhandeln wir um eine Fläche für das Camp, zu dem wir bis zu 500 Teilnehmer erwarten – ohne Ergebnis«, beschrieb die Sprecherin der Aktionsgruppe, Karoline Puls, die Situation am Mittwoch gegenüber jW. Die Stadt Gardelegen, zu der Letzlingen gehört, habe ein ehemaliges Industriegebiet angeboten. Dieses sei aber inakzeptabel, weil es die Antimilitaristen durch eine ICE-Trasse vom GÜZ trenne, wodurch sie gefährdet wären, und zudem weit vom Truppenübungsplatz entfernt. Für Gardelegens Bürgermeister Konrad Fuchs (SPD) hingegen ist mit seinem Angebot »die Sache erledigt«. Die Stadt habe kaum eigene Flächen, sagte er gegenüber jW. Er habe die Camporganisatoren deshalb an das Grundbuchamt verwiesen, wo man sich über kooperationsbereite Privateigentümer informieren könne.

Für die Initiatoren ist das »Hinhaltetaktik« und nicht vereinbar mit dem Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung. Auf der Mahnwache werde man deshalb darauf aufmerksam machen, daß sich Vertreter der Politik in der Angelegenheit »gebärden wie eine Vorfeldorganisation der Militärs«. In der Berichterstattung spiegele sich wider, daß sich die Region »im Würgegriff der Bundeswehr befindet«. So verliere die Volksstimme kein Wort über geprobte Kriegseinsätze. Statt dessen lobe sie die Truppe als Jobmotor, veranstalte Ferienfahrten auf das GÜZ-Gelände und kriminalisiere Friedensaktivisten. Weit mehr erschrecke die Organisatoren jedoch »die öffentliche Ankündigung, daß Militär und Polizei einen gemeinsamen Einsatz vorbereiten – so kurz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über Bundeswehreinsätze im Inneren, die ja eigentlich nur in Katastrophenfällen möglich sein sollen«.

»Auf jeden Fall wird das eine große Geschichte mit etwa 1000 Polizisten, Feldjägern und Beamten der Bundespolizei«, bestätigte Polizeisprecher Andreas von Koß auf jW-Nachfrage. Schließlich riefen die Aktivisten »zum Besetzen und Umgestalten des Truppenübungsplatzes auf«. Das laufe auf Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung hinaus, möglicherweise sogar auf Landesfriedensbruch. Mit dem Einsatz von Feldjägern übe die Bundeswehr lediglich ihr Hausrecht aus. Die Bundespolizei werde gebraucht, »weil sich Bahngleise in der Nähe befinden«.

Auf dem 232 Quadratkilometer großen GÜZ-Areal trainieren deutsche und Soldaten aus anderen EU-Staaten den Häuserkampf für Auslandseinsätze. In diesem Jahr soll dort mit dem Bau einer etwa 100 Millionen Euro teuren Übungsstadt begonnen werden (siehe jW vom Dienstag).

warstartsherecamp.org

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 06. September 2012


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