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Bombodrom wird Nationales Erbe

Naturschutzprimat legt Nutzung für die Kyritz-Ruppiner Heide in Brandenburg fest

Von Tom Kirschey *

Die Bundeswehr wird sich bis zum 30. September 2011 von dem ehemaligen Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide zurückziehen. Die Vorbereitungen für eine zivile Nutzung gehen voran.

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat am vergangenen Donnerstag beschlossen, die Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock ins Programm »Nationales Naturerbe« aufzunehmen.

Hinter dem Begriff verbirgt sich kein neuer gesetzlicher Schutzstatus. Vielmehr ist ein bestehender Status die Grundlage, damit eine Fläche für das Naturerbe für würdig befunden werden kann. Der Begriff ist ein Kind des Bundestagswahlkampfs 2005, als die Umweltverbände einen Privatisierungsstopp für Schutzgebietsflächen forderten. Im Ergebnis fand sich im damaligen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD das Ziel wieder, dass bis zu 125 000 Hektar bundeseigene Flächen in Schutzgebieten von der Privatisierung ausgenommen werden. Bis zum Ende der schwarz-roten Koalition konnten davon 100 000 Hektar rechtsverbindlich gesichert werden. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP sieht vor, die noch ausstehenden ca. 25 000 Hektar noch in dieser Legislatur zu sichern.

Um dies zu gewährleisten, wurde zwischen dem Bundesumweltministerium und den Ländern im Dezember 2009 eine Liste mit Gebieten abgestimmt, lange bevor im April Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg (CSU) den Verzicht auf das Gelände erklärte. Dieser Zeitablauf ist wichtig, um zu verstehen, warum sich gerade die Finanzpolitiker im Bundestag nunmehr für eine Naturschutzlösung in der Kyritz-Ruppiner Heide einsetzen. Denn das hochgradig munitionsbelastete Gelände wäre ohnehin kaum zu privatisieren. Was liegt also näher, als anstelle von verwertbaren Liegenschaften auf die Privatisierung einer nicht verwertbaren zu verzichten.

Der Status »Nationales Naturerbe« bedeutet zum einen, dass eine Privatisierung ausgeschlossen wird, und zum anderen, dass das Naturschutzprimat die Nutzungsszenarien bestimmt. Gerade dieses Naturschutzprimat führte schon am Freitag zu vereinzelten skeptischen Reaktionen etwa des Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses im Brandenburgischen Landtag, Reinhold Dellmann (SPD), dem für das Gelände eine Errichtung von Windparks vorschwebt.

An der Eignung der Fläche für das »Nationale Naturerbe« besteht kein Zweifel. Mit dem Status als europäisches Schutzgebiet nach der FFH-Richtlinie und als Vorkommensgebiet des Wolfes kann die Kyritz-Ruppiner Heide immerhin zwei Alleinstellungsmerkmale auf sich vereinen. Sie beherbergt einerseits die größte subkontinentale Heidefläche Deutschlands. Daneben könnte hier auch eines der größten Wildnisgebiete Deutschlands entstehen. Für die Regionalentwicklung der umliegenden Kommunen bietet der Status viele Chancen, auch wenn keine Windparks errichtet werden.

* Aus: Neues Deutschland, 18. November 2010


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