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"Mord per Fernbedienung, darum geht es"

Die zum 50. Mal bevorstehende "Münchner Sicherheitskonferenz" aus der Sicht eines Protestorganisators. Gespräch mit Claus Schreer *


Claus Schreer ist Sprecher des Münchner Bündnisses gegen Krieg und Rassismus, das zum Protest gegen die »Münchner Sicherheitskonferenz« am ersten Februarwochenende aufruft.


Die früher als »Wehrkundetagung« bekannte »Münchner Sicherheitskonferenz« findet am ersten Februarwochenende zum 50. Mal statt. Sie sind seit Jahrzehnten bei den Gegendemonstrationen dabei. In welchem Verhältnis stehen Image und Bedeutung dieser Konferenz aus Ihrer Sicht heute?

Wie jedes Jahr wird behauptet, beim Stelldichein von NATO-Militärs und internationaler Politprominenz mit Rüstungsmanagern im Luxushotel »Bayerischer Hof« gehe es »ausschließlich um die Frage, wie der Frieden auf der Welt gesichert werden kann«. Ein dreister Etikettenschwindel. Dort versammeln sich die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Macht-eliten der NATO- und EU-Staaten, die Drahtzieher von Aggressionskriegen, die Hauptverantwortlichen für weltweite Ungerechtigkeit und die Hauptverursacher von Hunger, Armut und Umweltzerstörung. Den anwesenden Bank- und Konzernchefs und ihrem politischen Personal geht es darum, sich über Strategien zur Aufrechterhaltung ihrer globalen Vorherrschaft zu verständigen und diesen Anspruch notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Es geht um Aufrüstungsprogramme und eine noch engere militärische Zusammenarbeit zwischen USA und EU.

Die Proteste gegen die »SiKo« hatten ihren Höhepunkt im Jahr 2003, als die rot-grüne Bundesregierung vordergründig den NATO-Krieg gegen den Irak ablehnte. 2011 haben Grünen-Politiker für den Krieg gegen Libyen getrommelt – und sogar FDP-Außenminister Guido Westerwelle für die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat attackiert. Haben die Grünen als frühere Partei der Friedensbewegung immer noch Einfluß auf die Protestkonjunktur?

An antimilitaristischen Protesten, gegen NATO-Interventionen, gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, gegen Aufrüstungsprogramme oder Waffenexporte beteiligen sich die Grünen – von einigen Ausnahmen abgesehen – seit 1999 nicht mehr. Der Aggressionskrieg gegen Jugoslawien unter der Schröder-Fischer-Regierung war die Zäsur. Seitdem stehen sie im Lager der Kriegsparteien. Die öffentlich geäußerte Ablehnung des Irak-Krieges war nur deshalb eine Ausnahme, weil er als Vorherrschaftskrieg der USA angesehen wurde, der nicht den Geschäftsinteressen Deutschlands entsprach. Trotzdem war Deutschland dann die zentrale militärische Drehscheibe für diesen Krieg. Wirkliche Kriegsgegnerschaft hätte geheißen: Keinerlei Beihilfe zu leisten.

Eine der wichtigsten Forderungen des Protestbündnisses ist der Stopp deutscher Waffenexporte. Welche Rolle spielen Rüstungslobbyisten bei der »Sicherheitskonferenz«?

Ihre Anzahl ist im Vergleich zu früheren Jahren zurückgegangen. Einige von Ihnen, wie Krauss-Maffei-Wegmann und Cassidian, der Rüstungs- und Drohnenhersteller des EADS-Konzerns gehören aber seit Jahren zu den wichtigsten Sponsoren der SiKo. Ihr bester Rüstungslobbyist ist SiKo-Chef Wolfgang Ischinger, der nicht müde wird, größere Rüstungsanstrengungen, inklusive Anschaffung von Kampfdrohnen zu fordern. Mord per Fernbedienung – das ist die »Sicherheit« um die es auf dieser Kriegskonferenz geht. Ein ganz aktuelles Beispiel: Zur umstrittenen Anschaffung von Kampfdrohnen hat Ischinger in einem SWR2-Interview erklärt, es wäre »ganz fahrlässig«, sich »solchen Technologien zu verschließen«. Seit Jahren versucht der frühere Spitzendiplomat Ischinger, dieser Konferenz einen friedenspolitischen Anstrich zu geben. Tatsächlich gehört er selbst zu den eifrigsten Kriegstrommlern. Er nutzt jede Gelegenheit, um für Aufrüstung und noch mehr deutsche Kriegsbeteiligungen zu werben. Sein Credo lautet: Deutschland und die EU müssen ihre Rüstungsausgaben erhöhen. Damit Europa zum allseits glaubwürdigen Akteur auf der Weltbühne wird, sagt er, braucht die EU die entsprechende militärische Stärke und Deutschland eine leistungsfähige Berufsarmee.

Was plant die Münchner Friedensbewegung am Wochenende der »SiKo«?

Einen lautstarken und phantasievollen Protest. Wir gehen davon aus, daß Tausende Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner zu unserer Demonstration am Samstag, den 1. Februar kommen, um der Weltkriegselite zu zeigen, daß sie nicht erwünscht ist. Den Aufruf unterstützen zur Zeit 80 Organisationen, darunter christliche wie kommunistische.

Interview: Claudia Wangerin

* Aus: junge Welt, Montag, 13. Januar 2014


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